Biathlon und Skispringen Traum-Auftakt in den Winter - Deutschland wieder Weltspitze?
Nach zähen Jahren und einer holprigen Vorbereitung starten die deutschen Skispringer und Biathleten mit einem Fabel-Auftakt in den Winter. Das war so nicht zu erwarten und lässt die Wintersport-Fans auf weitere Erfolge hoffen.
Roman Rees in Gelb, ein Doppelpodium bei den Biathletinnen und auch die Skispringer ergattern an einem Wochenende gleich drei Podiumsplätze - der Weltcup-Auftakt hätte aus deutscher Sicht kaum besser laufen können. Vor der Saison war die Leistungsfähigkeit gerade in den beiden großen Wintersportdisziplinen stark angezweifelt worden. Doch binnen weniger Stunden wurden am Sonntag in Östersund und Ruka aus den großen Fragezeichen im Handumdrehen Ausrufezeichen.
"Es ist unglaublich", versuchte Rees seinen ersten Weltcupsieg in Worte zu fassen. Der 30-Jährige aus Freiburg feierte gemeinsam mit dem zweitplatzierten Justus Strelow einen nicht für möglich gehaltenen Doppel-Triumph im Einzel. Die deutschen Frauen, erstmals ohne die zurückgetretene Denise Herrmann-Wick, hatten zuvor mit Franziska Preuß (Platz 2) und Vanessa Voigt (3) nicht weniger überraschend vorgelegt.
Erstmals seit 2015: Biathlon-Team feiert Traum-Sonntag
Vier deutsche Podestplätze an einem Tag, das gab es bisher zum letzten Mal im Dezember 2015 in Hochfilzen. Damals feierten Franziska Hildebrand, Maren Hammerschmidt und Miriam Gössner einen Dreifach-Erfolg, außerdem siegte Simon Schempp im Männer-Sprint.
Eine derartige Leistungsexplosion war am Sonntag keinesfalls zu erwarten gewesen, zu holprig war die Vorbereitung verlaufen. Anfang November bekamen die DSV-Athleten von Norwegen auf deren Heimstrecke in Sjusjöen gnadenlos die Grenzen aufgezeigt. Biathlon-Ikone Ole-Einar Björndalen hatte im Anschluss gespottet: "Es sah lächerlich aus und es war schrecklich anzusehen."
Lesser fragt Björndalen: "Wo sind die Norweger?"
Doch am Sonntag stand plötzlich Deutschland ganz oben. "Wenn die Norweger ihre Feste feiern dürfen, dann dürfen wir das jetzt auch feiern", sagte ARD-Biathlon-Experte Erik Lesser in Bezug auf Björndalens Sticheleien: "Wir hätten irgendetwas verschlafen, die Norweger seien so stark. Wo sind die denn?" Superstar Johannes Thingnes Bö musste sich mit Rang drei geschlagen geben, ansonsten schaffte es nur Endre Strömsheim für die erfolgsverwöhnten Skandinavier in die Top 10.
Traum-Auftakt: Rees will sich "neues Ziel setzen"
So groß die Freude über den Riesenerfolg von Östersund war, umso klarer wussten die Beteiligten das Erreichte einzuschätzen. Männer-Cheftrainer Uros Velepec versprach dem deutschen Team "für das Gelbe Trikot für jeden ein Bier und einen Kuchen". Roman Rees will sich derweil nach seinem ersten Weltcup-Sieg mit 30 Jahren "ein neues Ziel setzen".
Sein Gelbes Trikot darf Rees als erster Deutscher seit 15 Jahren (Michael Greis im Dezember 2008) am Samstag beim Sprint an gleicher Stelle präsentieren. Eine Verteidigung des Prestige-Leibchens wird äußerst schwierig. Mut macht die "sehr, sehr ordentliche" Laufleistung des deutschen Teams, wie Lesser befindet. Insgesamt neun von zwölf DSV-Athletinnen und -Athleten liefen im Einzel in die Top 20.
Schnelle deutsche Ski trotz Fluor-Verbot
Ausschlaggebend war auch die Leistung der DSV-Techniker, die dem neuen Fluor-Wachs-Verbot trotzen konnten. Benedikt Doll und Franziska Preuß bedankten sich am Sportschau-Mikrofon ausdrücklich für ihre schnellen Skier. Für Sensationssieger Rees kam am Sonntag "einfach viel zusammen: Material, Lockerheit, gutes Schießen, Tagesform, Konkurrenz hat mitgespielt."
Auch Skispringer überraschend stark
Die deutschen Skispringer verpassten am ersten Wochenende des Winters zwar einen Weltcup-Erfolg, dennoch war die Stimmung im Team um Bundestrainer Stefan Horngacher am Sonntag sehr gelöst. "Unsere Jungs sind heute wieder sehr gut gesprungen. Es ist ein super Ergebnis und ein super Weltcup-Auftakt für uns."
Am Freitag gewann Andreas Wellinger die Qualifikation, am Samstag verhinderte einzig der überragende Stefan Kraft (Österreich) das erste rein deutsche Podium seit 1990. Pius Paschke feierte als Zweiter mit 33 Jahren den ersten Podestplatz seiner Karriere vor Stephan Leyhe und Andreas Wellinger.
Letzterer belohnte sich am Sonntag dann für sein starkes Wochenende mit dem dritten Platz. In beiden Springen kamen alle sechs DSV-Adler unter die Top 20 und bestätigten Bundestrainer Horngacher und desssen Kadernominierung für den Weltcup.
Auch Karl Geiger tastete sich wieder an seine alte Topform heran und war mit Platz neun im zweiten Springen sehr zufrieden. Stellvertretend sprach er von einer großen Erleichterung, die die Springer ähnlich wie die Biathleten nach einem durchwachsenen vergangenen Winter umgab.
Von Verunsicherung zu "sehr coolem Gefühl"
"Uns ist ein Stein vom Herzen gefallen, weil wir wussten nicht genau, wo wir stehen", sagte Geiger: "Dass wir mannschaftlich so kompakt und geschlossen vorne mitkämpfen können, ist schon ein sehr cooles Gefühl."
Geiger konnte sich noch gut an den holprigen Saisonstart im Vorjahr erinnern, "da sind wir hinterhergerannt." Damals gab es vor der Vierschanzentournee nur einen dritten Platz von Geiger zu bejubeln. "Jetzt fühlt es sich deutlich entspannter an", erklärte der Oberstdorfer strahlend: "Damit kann man arbeiten."