Turnierdirektor in Indian Wells Tommy Haas - "Zverev blutet für Siege"
"Fünftes Grand Slam", so nennt man das Tennis-Masters-Turnier im kalifornischen Indian Wells. Der ehemalige deutsche Weltklasse-Spieler Tommy Haas ist dort Turnierdirektor. Im exklusiven Sportschau-Interview spricht er über seine Liebe zum Tennis, über Alexander Zverev, das beliebteste Turnier des Jahres und was Deutsche von Amerikanern lernen können.
Die Tennis-Doppel-Legenden Bob und Mike Bryan haben kürzlich erzählt: "Tommy Haas hat in seinem ganzen Leben noch keinen Ruhetag vom Tennis eingelegt." Stimmt das?
Haas: Ich würde eher sagen, es ist umgekehrt! Die sind doch überall! (Lacht) Aber nein, klar, nach wie vor dreht sich in meinem Leben sehr viel um Tennis, ob das die Legenden-Tour ist, wo ich mich engagiere und wo ich mitspiele, oder die Grand Slams, zu denen ich immer wieder eingeladen werde. Es ist jetzt nicht so, dass Tennis permanent in meinem Kopf ist. Aber wenn meine Kinder in der Schule sind, dann gehe ich schon am liebsten auf den Tennisplatz, weil da bin ich einfach nach wie vor am liebsten.
Sie sind jetzt seit fünf Jahren Turnierdirektor des Masters in Indian Wells, was macht eigentlich ein Turnierdirektor genau?
Haas: Du musst vor allen Dingen sehr viel mit den Spielerinnen und Spielern sprechen, wir haben ja ein Riesen-Feld hier mit Männern und Frauen, Einzel und Doppel, die Spiel-Planung ist dabei echt eine Herausforderung. Und du schaust natürlich immer, wie kannst du dein Turnier noch attraktiver machen. Wir wurden jetzt schon zum achten Mal in Folge von den Spielern zum beliebtesten Masters-Turnier des Jahres gewählt, das ist Ehre und Ansporn zugleich. Dass die Spieler sich hier wohl fühlen und ihr Bestes geben. Und natürlich geht es ums Entertainment für die Zuschauer. Die Bryan-Brüder - da sind sie wieder (lacht) - machen Musik mit ihrer Band, wir spielen ein neues Show-Turnier, genannt "Dingles", eine Mischung aus Doubles und Singles, also Doppel und Einzel, man kann Schläger testen, super essen, also es ist überall was los.
Sie leben seit ihrer Kindheit in Amerika, welche Verbindungen haben Sie noch zum deutschen Tennis, gibt es Austausch mit Spielern oder dem DTB?
Haas: Nicht so wirklich, nein. Ich wurde da noch nicht wirklich gefragt, ob ich da mal mithelfen möchte, zum Beispiel im Nachwuchsbereich. Ich bin zwar schon die meiste Zeit hier in Amerika, aber zur Tennis-Saison bin ich jedes Jahr in Deutschland, spiele da zwischen Mai und August in München Ü-30-Bundesliga beim TC Großhesselohe, vielleicht der schönste Klub in ganz Deutschland.
Als einer, der von beiden Seiten auf das Tennis guckt, welche Erklärung haben Sie dafür, dass Stand heute neun Amerikaner unter den Top 50 sind, aber nur ein Deutscher?
Haas: Das ist einerseits sicher auch was Periodisches. In Amerika hatten wir nach Andy Roddick auch eine Durststrecke. Auf der anderen Seite ist das was Gruppendynamisches. Taylor Fritz, der hier letztes Jahr gewonnen hat, Tommy Paul, Frances Tiafoe und so weiter. Die sind alle etwa gleich alt, teilweise befreundet, die pushen sich gegenseitig. Ich glaube, das fehlt gerade so ein bisschen in Deutschland. Da ist momentan ein zu große Lücke zwischen Alexander Zverev und Oscar Otte als Zweitbestem. Aber was soll’s, Oscar macht das Beste aus seinen Möglichkeiten, es wird vielleicht nicht für die Top Ten reichen, aber hey, er ist Tennisprofi! Er lebt seinen Traum! Also man kann das immer so und so sehen.
Am Talente-Mangel kann es jedenfalls nicht liegen, Tennis ist in Deutschland nach Fußball und Turnen der Sport mit den drittmeisten Mitgliedern...
Haas: Am Ende liegt’s an einem selbst. Man muss in den Spiegel schauen und sich fragen: Wie sehr will ich Profi werden? Wie baue ich mein Team, mein Umfeld auf? Bin ich bereit, mein Zuhause zu verlassen oder hab ich zu viel Heimweh? Wenn man einen Sascha Zverev sieht, wie der sich warm macht, wie der trainiert, der Junge will gewinnen! Der blutet für Siege! Und das ist der Unterschied. Der hat nicht nur den Körper und das Talent, der ist auch HIER (tippt an die Schläfe) verdammt stark. Hier in Amerika haben sie von Natur aus diese Positivity: 'Hey, you’re great, amazing, you’ll do it!' Das geht den Deutschen leider völlig ab, da rutscht das viel zu leicht ins Negative. Da braucht es einfach eine bessere Balance.
Alexander Zverev kämpft sich, jetzt auch in Indian Wells, nach schwerer Verletzung zurück zu alter Stärke. Wenn einer mit Comebacks Erfahrungen hat, dann ja wohl Sie. Wie bewerten Sie Zverevs Fortschritte?
Haas: Ich glaube, das letzte Turnier in Dubai hat ihm gut getan. Einfach mal ein paar Spiele in Folge zu gewinnen, das ist vor allem mental ganz wichtig. Dass er im Kopf merkt: 'I’m back!' Siehe Dominic Thiem. Der hat sein Comeback vor fast einem Jahr gegeben und hadert bis heute! Ich drücke beiden in Indian Wells die Daumen.
Das Gespräch führte Frank Meyer.