Janik Sinner und Alexander Zverev
analyse

Endspiel der Australian Open Zverevs Niederlage gegen Sinner - was bleibt, sind die Zweifel

Stand: 26.01.2025 20:40 Uhr

Alexander Zverev war im Finale der Australian Open größtenteils chancenlos gegen Jannik Sinner, der momentan das Maß aller Dinge ist. Wird Zverev der beste Spieler, der nie ein Grand Slam gewonnen hat?

Von Andreas Thies, Melbourne

Ein Netzroller entscheidet keine Matches. Jedenfalls in den allermeisten Fällen nicht. Am Sonntagabend australischer Zeit aber setzte er ein Signal. Hier war nichts mehr zu holen für Alexander Zverev. Der 27-jährige Deutsche und Jannik Sinner hatten sich bis zum Tiebreak des zweiten Satzes im Finale der Australian Open ein Match von überschaubarem Niveau geliefert. Sinner mit seiner Abgeklärtheit und Souveränität, die man seit jetzt schon 15 Monaten von ihm kennt, Zverev hingegen wirkte in den ersten eineinhalb Sätzen deutlich unsicherer.

Ab Mitte des zweiten Satzes hatte sich Zverev dann ins Match gespielt. Der Arm schien freier zu schwingen, er gewann seine Aufschlagspiele bis zum Tiebreak größtenteils souverän. Im Tiebreak stand es 4:4, Zverev hatte Aufschlag. Der Ball sprang gegen die Netzkante und fiel in Zverevs Teil des Platzes. Unerreichbar. Die nächsten zwei Punkte machte Sinner bei eigenem Aufschlag - er führte mit zwei Sätzen Vorsprung.

Zverev nennt Sinner den "besten Spieler der Welt"

Etwas mehr als eine halbe Stunde später war das Match beendet, Sinner hatte seinen dritten Grand-Slam-Titel gewonnen. In der Rückschau sagte Zverev: "Ich hatte das Gefühl, im zweiten Satz meine Chance zu haben. Der Netzroller war natürlich ein sehr wichtiger Punkt. Ich denke, wer immer den Satz gewinnt, bekommt das Momentum. Im dritten Satz hat er mich noch mehr dominiert als in den ersten beiden Sätzen."

Trotz des glücklichen Moments entschied Sinner die Partie vor allem wieder über seine bemerkenswerte Stabilität. Er machte kaum Fehler, bot Zverev zu keinem Zeitpunkt eine Möglichkeit, die Initiative an sich zu reißen. So konnte sich Zverev in der zwei Stunden und 42 Minuten dauernden Partie keinen einzigen Breakball erarbeiten.

Dabei zieht Sinner in seiner unprätentiösen Art genau das durch, was Novak Djokovic über die vergangenen anderthalb Jahrzehnte so erfolgreich gemacht hatte. Sinner entschärft die guten Aufschläge seines Gegners, kommt sofort in die Offensive. Ihm unterlaufen wenig Fehler, er hat kaum Konzentrationsaussetzer. Für Gegner Zverev war das zu viel. So reiht er sich in eine absolut bemerkenswerte Statistik ein. Denn Sinner hat seit Anfang 2024 80 von 86 Matches gewonnen. Zverev übertrieb also nicht, als er bei der Siegerehrung an Sinner gewandt sagte: "Du bist momentan der beste Spieler der Welt."

Matthias Cammann, Sportschau, 26.01.2025 12:45 Uhr

Zverev sagt: "Ich bin einfach nicht gut genug"

Auch in der Pressekonferenz nach dem Match war Zverev noch immer geknickt, gab sich jedoch als fairer Verlierer: "Momentan bin ich nicht gut genug. Ich habe besser aufgeschlagen als er, in allen anderen Teilen des Tennis ist er besser als ich." Durch seine abermalige Niederlage auf der allergrößten Bühne wird nun eine Diskussion immer lauter, deren Gegenstand Zverev nicht gerne sein wird: Ist er der beste Spieler der Tennis-Geschichte, der niemals ein Grand Slam gewinnen konnte? Natürlich, die Karriere von Zverev ist noch nicht zu Ende. Er wird weiterhin Chancen bekommen.

Doch die Gelegenheit bei diesen Australian Open war so günstig wie bislang noch nie in seiner Karriere. Zverev hatte eine günstige Auslosung, er hielt sich nicht mit anstrengenden Matches in den ersten Runden auf. Im Halbfinale musste Gegner Novak Djokovic aufgeben. Ja, Sinner war der Favorit vor dem Finale. Doch er hatte körperliche Probleme während des Turniers gezeigt. Zudem war die Bilanz positiv für Zverev. Alles Zutaten, die einen Sieg in den Bereich des Möglichen rückten. Am Ende reichte es nicht und Zverev blieb bei seiner Ansprache nicht viel mehr als Fatalismus: "Danke an mein Team. Wir haben hart gearbeitet, aber ich bin einfach nicht gut genug."

Die Fragezeichen werden größer

Die Arbeit war in vielen Momenten zu sehen. Gegen Ugo Humbert im Achtelfinale spielte Zverev einen perfekten ersten Satz. Sein Problem: Dieses Tennis, offensiv, früh die Entscheidung suchend, selbstbewusst, ruft er in kritischen Situationen in großen Matches nicht ab. Auch im Endspiel nicht.

Es gibt Beispiele von Spielern, die in der Geschichte geschafft haben, was Zverev nun versucht: Andre Agassi hatte in seinem vierten Grand-Slam-Finale zum ersten Mal triumphiert, Ivan Lendl sogar erst in seinem fünften. Für die drei sprach jedoch das Alter. Zverev feiert im April seinen 28. Geburtstag. In heutigen Maßstäben kein Alter, aber er hat zwei Konkurrenten, die bei den vier Grand Slams stärker scheinen. Jannik Sinner auf den Hartplätzen, Carlos Alcaraz in Paris und Wimbledon. Und Novak Djokovic will auch erst mal weitermachen.

Vielleicht hat Zverev auch daran gedacht, als er sagte: "Ich weiß nicht, ob ich jemals diese Trophäe in die Höhe recken werde. Ich werde es aber weiter versuchen." Ist er gut genug für den Sieg eines Grand Slams? Die Fragezeichen werden größer.