Aryna Sabalenka traurig nach ihrer Niederlage im Finale der Australian Open.

Australian Open Aryna Sabalenka – verloren und doch gewonnen

Stand: 25.01.2025 16:50 Uhr

Es flossen die Tränen nach dem Finale. Und es hörte gar nicht mehr auf. Auf der einen Seite die überglückliche Siegerin Madison Keys, die Tränen der Freude vergoss. Und auf der anderen Seite Aryna Sabelenka, die sich schluchzend unter ihrem Handtuch versteckte. Aber 15 Minuten später schien schon wieder die Sonne.

In Melbourne, gerade mal 15 Minuten von der heutigen Rod-Laver-Arena entfernt, wurde vor 33 Jahren einer der schönsten Popsongs aller Zeiten geschrieben. Er handelt vom berühmten wechselhaften Wetter in Melbourne, man kann ihn aber auch im metaphorischen Sinn als Achterbahn der Gefühle verstehen. Der Song heißt "Four Seasons in One Day" und wurde zu einem Welthit für die australische Band Crowded House

Videos waren damals noch in den Kinderschuhen. Würde man heute eins nachdrehen wollen, müsste man nur auf das Gesicht von Aryna Sabalenka während eines Tennismatches halten. Eine Achterbahn der Gefühle, Hilfsausdruck. Four Seasons in One Game.

Sabalenka: "Es ist alles eure Schuld"

Sie lachte und weinte und stöhnte und zweifelte, sie kämpfte, sie lamentierte und kämpfte wieder, sie trieb sich an, sie ließ sich hängen, sie führte Selbstgespräche, sie schrie ihren Frust und ihre Freude raus. Das alles in einem Match. Und damit war es noch längst nicht vorbei. Als ihre Gegnerin Madison Keys ihren zweiten Matchball verwandelt hatte, zertrümmerte Sabalenka erst ihren Schläger, um sich dann unter ihr Handtuch zu verkriechen. Die voyeuristischen Kameras zoomten so nah ran, dass man ihr Heulen und Schluchzen förmlich daheim im Wohnzimmer spüren konnte.

Der Thriller zwischen Sabalenka und Keys war eines Endspiels mehr als würdig. Er war allerbeste Werbung für das Damen-Tennis. Beide Spielerinnen waren auf Augenhöhe, trieben sich gegenseitig zu atemberaubenden Schlägen. Und zollten sich bei der Siegerehrung gegenseitig Respekt. Was sonst immer ein wenig pflichtschuldig daherkommt, war an diesem Tag in Melbourne ehrlich und aufrichtig. "Du hast es verdient", sagte Sabalenka in Richtung der Spielerin, die ihr gerade den Pokal weggenommen hatte. Und dann fing sie an zu grinsen, richtete den Blick in Richtung ihres Teams und meinte ironisch: "Es ist alles eure Schuld. Ich will euch die ganze nächste Woche nicht mehr sehen. Ich hasse euch."

Sabalenka: Ein Kind im positiven Sinn

Da war sie wieder, die Aryna Sabalenka, die 15 Minuten zuvor noch am Boden zerstört wirkte. Mit einem Lachen stellte sie für alle richtig, die der Ironie nicht mächtig sind: "Nein, natürlich liebe ich euch." In solchen Momenten wirkt die 26-Jährige immer wie ein Kind. Im positiven Sinn. Völlig natürlich, unverstellt, emotional. Sabelenka hat spätestens an diesem Tag von Melbourne die Herzen aller Tennisfans gewonnen. Man muss sagen: wiedergewonnen.

Denn da ist ja noch die Sache mit ihrer Herkunft. Aryna Sabalenka stammt aus Belarus. Als Russland den Krieg gegen die Ukraine begann und sich Belarus mit Russland solidarisierte, begann für Sabalenka eine Zeit des Leidens. Trotz ihrer Beteuerungen, gegen den Krieg zu sein, konnte sie machen, was sie wollte. Sie war beim Publikum und auch bei einigen Journalisten qua Nationalität unten durch. In der Netflix-Doku "Break Point" gibt es eine private Szene, in der sich Sabalenka darüber beklagt. "Alle scheinen mich zu hassen." Danach fängt sie an zu weinen. Nichts davon war gespielt.

Großartige Verliererin

Zweimal hintereinander hatte Aryna Sabalenka den Titel bei den Australian Open gewonnen. Ein drittes Mal war ihr nicht vergönnt. "Aber ich komme nächstes Jahr wieder und werde noch besser sein". Es war ein Versprechen an ihre Gegnerin Madison Keys und an die Zuschauer in der Rod-Laver-Arena. Sabalenka hatte nicht nur die Sympathien auf ihrer Seite, weil sie eine grandiose Tennisspielerin ist. Sondern vor allem, weil sie sich als großartige Verliererin zeigte. Verloren, Schläger zertrümmert, geheult und jetzt am Lächeln. Wer weiß, wie es weitere 15 Minuten später in den Katakomben ausgesehen haben mag.