WM-Kampf Scull vs. Shishkin Boxen in Falkensee: William Skull jagt den WM-Titel und das Erbe von Canelo
Eigentlich hätte der Boxer William Scull gegen Superstar Canelo Alvarez um den WM-Titel der IBF boxen sollen. Alvarez aber wollte nicht. Nun steigt der Kubaner am Samstag in Falkensee gegen den Russen Vladimir Shishkin in den Ring.
Es ist eine eher unscheinbare Boxhalle, in der William Scull am Montag die vorletzten Schritte auf dem Weg in Richtung seines großen Traumes geht. Wobei "gehen" eigentlich das falsche Wort ist: Mit hoher Frequenz springt der 32-Jährige inmitten des Boxrings über das dünne, unter ihm hindurch sausende Seil. In seinem Rücken hängt ein großes Foto von ihm selbst. Die Arme verschränkt, hat Scull ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht, während Vladimir Shishkin neben ihm mit geballter Faust grimmig in die Kamera guckt. "IBF World Title", steht in goldener Schrift auf dem Plakat, "Scull vs Shishkin" in Großbuchstaben darunter.
WM-Kampf im Supermittelgewicht
Am kommenden Samstag stehen sich die beiden Boxer erneut gegenüber – dann auch in echt, statt nur auf einem Plakat. Und auch die Kulisse wird eine andere sein – zwar keine der ganz großen Sportarenen dieser Welt, aber immerhin die Stadthalle Falkensee. Dort boxen der sportlich in Berlin beheimatete Kubaner Scull und sein russischer Kontrahent Shishkin um nicht weniger als den Titel des IBF-Weltmeisters im Supermittelgewicht. In anderen Worten: das Erbe von Box-Superstar Saul "Canelo" Alvarez. Oder wie Scull es ausdrückt: "einen Traum, der wahr wird."
Geboren wurde dieser Traum natürlich nicht erst in dem besagten Boxgym mit den großen Spiegeln an der Wand, den von der Decke hängenden Boxsäcken und den Hanteln in der Ecke. Nein, den Traum des WM-Titels hat William Scull schon lange, "mein ganzes Leben lang", um genau zu sein. Mit acht Jahren begann Scull in Kuba mit dem Boxen. In der Küstenstadt Matanzas suchte er eigentlich nur einen Zeitvertreib für Tage, an denen seine Baseballmannschaft kein Training hatte, erzählt er. Stattdessen fand er eine neue Leidenschaft – und in Franquis Aldama irgendwann auch einen Förderer.
Von Kuba nach Berlin
Der Boxtrainer verfolgt am Montag mit wachen Augen, wie sein Schützling irgendwann vom Springseilspringen zum Schattenboxen übergeht. Es ist ein kleines Anschwitzen für Fotografen und Kameras, die echte und harte Trainingsarbeit haben Aldama und Scull längst geleistet. Zwölf Wochen lang habe man sich intensiv vorbereitet, erzählt Aldama, zuletzt unter anderem auf Mallorca. "Jetzt sind wir auf alles vorbereitet", fasst der Kubaner zusammen und sein Schützling Scull ergänzt kurz darauf: "Die Arbeit ist getan. Jetzt gilt es, mich zu belohnen und Weltmeister zu werden."
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22 Siege in 22 Kämpfen haben Sculls Weg hin zu diesem Ziel geebnet. In Argentinien wurde er 2016 vom Amateur zum Profi und blieb dort auch für seine ersten Jahre als solcher. Dann zog es ihn nach Berlin, genauer gesagt in den Agon-Boxstall mit Sitz in Charlottenburg. Der navigierte Scull in den vergangenen Jahren durch den mitunter schwer zu durchdringenden Dschungel internationaler Boxverbände und Gewichtsklassen. Die International Boxing Federation (IBF) ist dabei einer von vier großen Verbänden, die aktuell anerkannte WM-Titel vergeben dürfen. Im Falle von Scull und Shishkin den in der Gewichtsklasse von 72,5 bis 76,2 Kilogramm.
Superstar Canelo sagte ab
Dabei hätte William Scull eigentlich als Nummer eins der im Boxen entscheidenden Rangliste von Herausforderern gegen den erwähnten Saul Alvarez um den WM-Titel boxen sollen. Der gewann unter seinem Spitznamen "Canelo" im Supermittelgewicht zuletzt alle vier WM-Titel der erwähnten großen Verbände. So wurde der 34-jährige Exzentriker aus dem mexikanischen Guadalajara zu einem der aktuell größten Stars seines Sports.
Alleine auf Instagram - dieser Tage bekanntermaßen ein Maßstab für Bekanntheit - verfolgen aktuell über 19 Millionen Follower den sportlichen und privaten Alltag von Alvarez. Mitte September boxte der in Las Vegas vor mehr als 20.000 Zuschauern gegen den US-Amerikaner Edgar Berlanga – und verdiente dabei mindestens 35 Millionen Dollar. Ein Kampf gegen Scull – zwar ungeschlagen, aber eben auch weitestgehend unbekannt – passt da nicht ins Bild. Also gab Alvarez seinen IBF-WM-Titel lieber ab, als ihn gegen Scull zu verteidigen.
Hätte eigentlich William Sculls Gegner sein sollen: Box-Superstar Canelo Alvarez.
Profiteur war Vladimir Shishkin, in 16 Profikämpfen ebenfalls noch ungeschlagen und die Nummer zwei der Liste von WM-Herausforderern. Auch er spricht am Montag von seinem "großen Traum". Der Kampf in Falkensee sei der "nächste" Schritt, sagt der 33-jährige Russe, der in Florida in den USA trainiert. Aber auch er hat seine boxerische Grundausbildung natürlich in seiner Heimat bekommen. So wird sein Duell gegen Scull am Samstag gewissermaßen auch eines zweier Boxkulturen. "Die Russen haben eine sehr gute Boxschule, wir Kubaner aber auch. Am Samstag wird sich zeigen, welche die bessere ist", sagt Scull.
Beweglichkeit und Beinarbeit
Dabei haben die beiden Hauptprotagonisten der 6. Internationalen Profibox-Gala, in deren Rahmen am Samstag noch zwei weitere Kämpfe ausgetragen werden, ihre Antworten schon parat. Wenig überraschend fallen sie unterschiedlich aus. "Wir sind auf alles vorbereitet", sagt Sculls Trainer Aldama und sieht besonders die Beweglichkeit und Beinarbeit seines Schützlings als Schlüssel zum Sieg. Und Shishkin? Der sieht seinen Weg zum WM-Titel wie folgt vorgezeichnet: "Konzentriert bleiben, mich an die Grundlagen halten, Lücken in der Deckung erkennen und zuschlagen."
Sendung: DER TAG, 16.10.2024, 18 Uhr