Simon Geschke

Vorbereitung auf die Tour de France Simon Geschke - Höhentraining ohne Berge

Stand: 18.06.2024 09:23 Uhr

Trainingslager in der Höhe gehören zur klassischen Tour-Vorbereitung. Die letzten zwei Wochen vor dem Tourstart in Florenz verbrachten Stars wie Tadej Pogacar, Primoz Roglic und Jonas Vingegaard in diversen Bergregionen. Das deutsche Kletter-Ass Simon Geschke hingegen suchte die Höhe bei sich zu Hause in Freiburg - im ersten Höhenlagensimulationshotel in Deutschland.

Da sage noch jemand, hierzulande herrsche Investititionsscheu. Etwa 80.000 Euro nahm Simon Geschke in die Hand, um im Bike Hotel Freiburg-Merzhausen mehrere Zimmer mit simulierter Höhenluft einrichten zu lassen. Höhenluft ist wichtig für Ausdauersportler.

Denn der verringerte Sauerstoffpartialdruck in der Höhe treibt den Organismus an, mehr rote Blutkörperchen zu produzieren. "Die können potenziell mehr Sauerstoff in die Muskeln transportieren. Damit steigt die Möglichkeit, mehr Leistung zu bringen", erklärt Trainingswissenschaftler Dan Lorang der Sportschau die gewünschten Effekte. Primoz Roglic, Star des Red-Bull-bora-hansgrohe-Rennstalls, für den Lorang tätig ist, hält sich deshalb die letzten zwei Wochen vor der Anreise zum Grand Depart in der Höhe auf.

Simon Geschke hingegen geht einen anderen Weg. Er trainiert im heimischen Freiburg – und befindet sich dennoch in alpinen Höhen. "Jetzt bin ich gerade auf 2.400 Meter", sagt er der Sportschau per Telefon. Geschke sitzt bequem im Hotelzimmer. Das ist mit einem Generator in der Tiefgarage verbunden, der den Sauerstoff heraussaugt und so die Sauerstoffarmut wie in der Höhe erzeugt. Für dieses Höhentrainungslager muss Geschke nicht weit reisen. "Ich wohne zwei Kilometer entfernt“, sagt er.

Vorteile der Höhensimulation

Ein Vorteil gegenüber klassischen Höhentrainingslagern ist auch die Unabhängigkeit von Witterungsverhältnissen "In Livigno in Italien, wo viele in der Höhe trainieren, kann man im Winter ja nicht Rad fahren. Denn da liegt überall Schnee“, meint Geschke. Gut sei auch, die Höhe frei einstellen zu können, fährt er fort: "Ich kann ganz bequem am Laptop regulieren, ob ich noch ein bisschen höher gehe, oder, falls ich mich nicht gut fühle, vielleicht ein bisschen erkältet bin, lieber schnell mal 300 Meter runter gehe. Dort habe ich auch den Höheneffekt, kann aber besser schlafen und der Körper erholt sich besser."

Zudem lässt das Training variabler gestalten. Geschke spulte bei schlechtem Wetter ein paar Trainingseinheiten auf der Rolle in der Höhe ab.

Oben schlafen und unten trainieren vs. oben schlafen und oben trainieren

Das ist der letzte Schrei der Trainingswissenschaft: in der Höhe schlafen, aber auch in der Höhe trainieren. Eine Schweizer Studie aus dem Jahr 2020 kam zu dem Schluss, dass kurze Sprintintervalle in einer simulierten Höhe von 3.300 m zu höheren Wattwerten führen. Um acht Prozent verbessert war der Maximalwert für die Belastung von einer Sekunde Dauer, um sogar zehn Prozent der Wert für fünf Sekunden.

"Diese Kurzintervalle von jeweils acht Sekunden langen Sprints werden in der Höhe sicherlich auch mal im Training gemacht. Das ist ein Reiz, der die Sauerstoffaufnahme hochtreibt. Man kommt in der Höhe schneller an seine Leistungsgrenze. Die gängige Methode ist aber, auf normaler Höhe zu trainieren, um dort die Muskulatur an die hohen Belastungen zu gewöhnen. Denn wenn man immer mit 15 Prozent weniger fährt, weil nicht mehr geht in der Höhe, dann wird der Muskel auch nicht gewöhnt an diese 15 Prozent mehr“, erklärt Lorang.

Flache Runde trotz Höhenlage

Die gängige Methode praktiziert natürlich auch Geschke. Um weiter unten trainieren zu können, muss er nicht erst lange Abfahrten nehmen. "Und wenn man Zeitfahrtraining machen will, wo man flach fahren muss, dann geht man von hier aus in die Rheinebene und kann eine komplett flache Runde fahren.  Das hat man in Alpen nicht. Da fährt man halt entweder Berg hoch, Berg runter oder muss sich in einem Tal mit 1.000 Autos aufhalten", benennt er einen weiteren Vorzug.

Effekte hatte der simulierte Höhenaufenthalt in dieser Saison bereits. Mehr als 30 Tage hielt sich Geschke im Höhenzimmer auf, 24 davon vor dem Giro. Dort fuhr er zeitweise im Bergtrikot, kam im Gesamtklassement auf Rang 14. "Die Form beim Giro war super“, freut sich Geschke rückblickend. Noch überzeugender wirkte sich der Höhenaufenthalt bei Georg Steinhauser aus. Der EF-Profi nutzte ebenfalls das Höhenhotel und kam zu einem Etappensieg beim Giro. Geschke selbst will nun wieder bei der Tour auf Etappenjagd gehen und seinen Cofidis-Kapitän Guillaume Martin unterstützen

Pionierinvestition für den Standort Deutschland

Klappt das, wäre es überzeugende Werbung für das Höhenhotel im Breisgau. "Mir war auch wichtig, dass wir in Deutschland die ersten sind. Höhentraining ist noch ein Nischenprodukt. Ich denke aber, dass der Trend dahin geht, weil es einige Vorteile bietet gegenüber dem traditionellen Höhentrainingslager", ist Geschke zuversichtlich.

"Ich glaube, das wird im Leistungssport immer mehr kommen", prognostiziert auch Lorang, der allerdings auch die Vorteile klassischer Trainingslager betont: Dort ist die Gruppe zusammen, die ganze Konzentration gilt dem Training, es gibt keine Ablenkung. Wirksam sind die Höheneffekte laut Lorang übrigens drei bis vier Wochen - das passt also bestens für eine Grand Tour.