Interview mit Lisa Brennauer Paris-Roubaix der Frauen: "Man braucht ein Quäntchen Glück"
Am Samstag (08.04.2023) gehen die Frauen bei Paris-Roubaix an den Start. Mit sportschau.de spricht Lisa Brennauer über ihre Favoritinnen, ihr Leben nach dem Profisport und wieso mehr Frauenrennen in Deutschland wichtig wären.
Erst zum dritten Mal findet Paris-Roubaix auch für die Frauen statt, mit knapp 145 Kilometern ist das Rennen so lang wie nie zuvor. Bei der Premiere 2021 wurde Lisa Brennauer Vierte, im vergangenen Jahr verabschiedete sich die Bahn-Olympiasiegerin sowie ehemalige Straßenweltmeisterin in den Ruhestand. Dem Sport hat die 34-Jährige jedoch nicht Lebewohl gesagt.
Sportschau: Im August beendeten Sie Ihre Karriere und sind nun als Trainerin beim deutschen Radsportverband tätig. Wie kam es dazu?
Lisa Brennauer: Mir war klar, dass ich im Sport bleiben möchte, um mein Wissen und meine Erfahrungen aus all den Jahren Profi-Radsport weitergeben zu können. Es gab verschiedene Möglichkeiten, und die Zusammenarbeit mit dem Verband war eine davon. Seit Anfang des Jahres darf ich mich nun Trainerin mit Bundesaufgaben nennen und verstärke den Frauenbereich auf der Straße sowie der Bahn. Den einen oder anderen Lehrgang habe ich auch schon hinter mir. Ich genieße das Radsportgeschehen nun also von der anderen Seite.
Also gibt es keine Zweifel am Karriereende?
Brennauer: Nein, ich bin total im Reinen mit meiner Karriere. Natürlich gibt es Dinge, die mir fehlen. Zum einen Teil eines Teams zu sein, zum anderen als Sportlerin rundum betreut zu werden. Aber das tägliche Quälen beim Training, die Disziplin, was das gesamte Leben angeht, der Druck und die Belastung – das brauche ich nicht mehr. Es war eine andere, wunderwunderschöne Zeit, die ich auch nicht missen will.
Sie haben ebenfalls die Aufgabe der Sportdirektorin bei der Premiere des Women’s Cycling Grand Prix in Stuttgart übernommen - neben der Thüringen-Rundfahrt das einzige Frauenrennen auf Top-Niveau in Deutschland. Wieso gibt es so wenige davon hierzulande?
Brennauer: Ich finde es sehr schade. Aber ich habe selbst gemerkt, dass es gar nicht so einfach ist, solch ein Rennen zu veranstalten. Selbst, wenn man große Pläne hat. Der Stuttgarter Grand Prix hätte am liebsten direkt den World-Tour-Status gehabt, bekam diesen jedoch aufgrund der Erstaustragung nicht von der UCI genehmigt. Aber der Wille ist da. Und ich hoffe, dass dies andere Veranstalter überzeugt, auch auf Frauenradsport in Deutschland zu setzen.
Mit den Rennen in Stuttgart oder Thüringen gibt man den Nachwuchssportlerinnen außerdem wieder ein Ziel im eigenen Land - etwas Greifbares, das ihnen den Ansporn gibt, auf das Rad zu steigen und den Sport weiterzubetreiben. Es ist eine andere Basis, als wenn die Bundesliga, die kaum Aufmerksamkeit bekommt, das Maß aller Dinge darstellt, so wie es leider mit Ausnahme der Thüringen-Rundfahrt in den vergangenen Jahren der Fall war. Der Nachwuchs ist zumindest da und ambitioniert, das merke ich als Trainerin selbst.
Die Saison ist schon seit Januar im Gange. Welche Fahrerinnen haben Sie bisher am meisten beeindruckt?
Brennauer: Aus deutscher Sicht auf jeden Fall Liane Lippert. Ich war im Januar im Trainingslager mit dabei und schon da ist mir ihre gute Form aufgefallen. Bei den bisherigen Rennen hat sie noch ein bisschen Pech gehabt, aber ihre Lieblingsrennen kommen mit den Ardennen-Klassikern ja noch. Begeistert hat mich ebenfalls Ricarda Bauernfeind, die meiner Meinung nach ihren Durchbruch auf der WorldTour geschafft hat. International muss man natürlich das Team SD Worx nennen, welches die WorldTour dominiert. Vor allem die Schweizerin Marlen Reusser hat sich enorm weiterentwickelt. Und Sprinterin Lotte Kopecky ist eh wie auf einem anderen Stern unterwegs.
Sind dies auch Ihre Favoritinnen, wenn am Samstag mit Paris-Roubaix ein wahrer Radsport-Klassiker ansteht?
Brennauer: Das ist für Paris-Roubaix schwer zu sagen, weil einfach das Quäntchen Glück bei diesen Streckenverhältnissen eine viel größere Rolle spielt als bei anderen Rennen. Zutrauen würde ich es Marlen Reusser auf jeden Fall. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass Marianne Vos wieder vorne reinfährt. Das Rennen fehlt ihr nämlich noch. Und Titelverteidigerin Elisa Longo Borghini, die mich bei ihrer Rückkehr nach Krankheit bei der Flandern-Rundfahrt beeindruckte.
Und die deutschen Fahrerinnen? Liane Lippert lässt das Rennen zumindest aus.
Brennauer: Aus deutscher Sicht wird es schwer. Romy Casper hat eine super Form, kratzte in Flandern an den Top 20 und liebt dieses Terrain. Ihr würde ich zutrauen, unter die besten zehn zu kommen. Oder Mieke Kröger mit einem Soloritt. Wenn es eine deutsche Fahrerin unter die Top Ten schaffen würde, wäre das ein großer Erfolg.
Vor zwei Jahren sind Sie bei Paris-Roubaix selbst Vierte geworden. Kribbelt es nicht doch beim Gedanken, dieses Jahr nicht dabei zu sein?
Brennauer: Nein, ich muss nicht noch einmal über die Kopfsteinpflaster dort knallen. Es ist eine Art Hassliebe, wobei die Liebe überwiegt. Das Rennen an sich ist brutal, die Belastung, die Umstände dort. Allein wenn ich an das Rennen von 2021 denke mit dem ganzen Schlamm und Matsch. Damals war ich wirklich Feuer und Flamme, was Paris-Roubaix angeht. Und finde es jetzt immer noch toll. Aber ich habe es erlebt, ich war Vierte und das ist auch gut so.