Die Olympia-Flagge neben der Russland-Flagge
Sport inside

Brisantes Thema bei IOC-Session Russland bei Olympia? Athleten fordern Klarheit

Stand: 12.10.2023 17:02 Uhr

Erstmals seit der Corona-Pandemie kommen die Mächtigen des Weltsports wieder in Präsenz zusammen. In der indischen Metropole Mumbai trifft sich vom heutigen Donnerstag (12.10.2023) an die Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), am Sonntag beginnt dann die dreitägige Vollversammlung. Über der Veranstaltung schwebt vor allem die Frage: Wie umgehen mit Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus?

Die IOC-Exekutive beschloss zum Auftakt, das Nationale Olympische Komitee Russlands (ROC) zu suspendieren. Als Begründung nannte das Komitee einen Bruch der Olympischen Charta durch eine Verletzung der territorialen Integrität des NOK der Ukraine. Das ROC hatte die regionalen Sportorganisationen der ukrainischen Gebiete Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk als Mitglieder aufgenommen. Dies war jedoch keine Entscheidung über eine mögliche Teilnahme von Athleten an den Sommerspielen in Paris 2024. Diese Frage werde "zu gegebener Zeit" beantwortet, verkündete das IOC.

Allerdings eilt das Thema angesichts der bereits laufenden Qualifikation für die Spiele. "Es ist dringend notwendig, dass es jetzt entschieden wird", sagte Fechterin Léa Krüger, Präsidiumsmitglied der Athletenvertretung Athleten Deutschland e. V., Dienstag im Sport-inside-Interview. "Es muss eine einheitliche Linie geben, die das IOC und alle Verbände gemeinsam verfolgen, um ein Stück weit wieder Ruhe reinzubringen."

Kehrtwende beim IOC im März

Kurz nach Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine hatte das IOC den internationalen Sportverbänden empfohlen, Russen und Belarusen von internationalen Wettkämpfen auszuschließen. Rund ein Jahr später, im März 2023, dann die Kehrtwende mit der neuen Empfehlung, russischen und belarusischen Einzelsportlern die Teilnahme als neutrale individuelle Athleten zu ermöglichen.

Die Bedingungen: Sie dürfen den Krieg nicht aktiv unterstützen und nicht beim Militär oder bei nationalen Sicherheitsbehörden unter Vertrag stehen. Teams sollen weiterhin ausgeschlossen bleiben, so die Empfehlung.

Flickenteppich im internationalen Sport

Manche setzten die Empfehlung früh um, etwa die internationalen Verbände der Sportarten Judo, Fechten und Radsport. Im Turnen wird das Startverbot ab Januar 2024 aufgehoben, im Tennis hatte es ohnehin nie ein Startverbot gegeben. In der Leichtathletik und im Pferdesport dagegen bleiben Athleten aus Russland und Belarus weiter außen vor.

Das IOC und sein Präsident Thomas Bach argumentieren, dass kein Einzelsportler aufgrund seines Passes diskriminiert werden dürfe. Bach holt immer wieder das Idealbild unpolitischer Spiele hervor. "Die Mission der Olympischen Spiele ist es, die ganze Welt in friedlichen Wettbewerben zu vereinen. In unserer fragilen Welt mit Konflikten, Trennungen und Kriegen brauchen wir diese vereinende Kraft mehr denn je", sagte er im Juli in Paris, ein Jahr vor den dortigen Sommerspielen.

Bach: Zerfall des internationalen Sportsystems droht

Das IOC scheint gespalten, vor allem in Asien und Afrika gibt es Gegner eines Ausschlusses. Bach warnte Ende März bei einer Veranstaltung in Essen gar vor drastischen Folgen. "Wenn wir einen Ausschluss nach politischen Gesichtspunkten vornehmen, stehen wir vor einem Zerfall des internationalen Sportsystems."

Dann bestehe die Gefahr, dass es keine wirklichen Weltmeisterschaften mehr geben werde, keine universellen Olympischen Spiele. "Sondern wir werden Spiele verschiedener politischer Blöcke erleben, die mit diesem verbindenden Charakter von Sport über alle Grenzen hinweg nichts mehr zu tun haben."

Paralympics mit Athleten aus Russland

Im Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) haben sich die Gegner einer vollständigen Suspendierung des russischen Verbandes Ende September knapp durchgesetzt, mit 74:65 Stimmen bei 13 Enthaltungen - und gegen die Stimme aus Deutschland.

Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), hält es für einen Fehler, dass nun doch Einzelathleten aus Russland und Belarus bei den Paralympics 2024 in Paris starten dürfen, wenn auch unter neutraler Flagge. "Der Krieg ist der gleiche", sagte Beucher Sport inside. "Das Morden, das Vergewaltigen, das Verletzen, das Zerstören von Landschaften - grundsätzlich haben kriegführende Nationen bei Paralympischen und Olympischen Spielen nichts zu suchen."

Offene Fragen bei der Neutralität

Das Bild des neutralen Athleten hält Beucher für Augenwischerei. "Wer soll neutral sein? In Paris erklären: Ich bin neutral. Und dann fahre ich zurück und lasse mir von Herrn Putin die Orden im Kreml umhängen."

Neutralität fordert auch das IOC, schweigt aber dazu, wie diese genau kontrolliert werden soll. So sind die Weltverbände auf sich allein gestellt, wenden unterschiedliche Regeln an. So sind Ungerechtigkeiten bei der Qualifikation für Paris 2024 kaum zu vermeiden.

Solange dies alles nicht geklärt sei und "wenn der Sport so sehr als politisches Instrument missbraucht wird, ist für uns ein Ausschluss der russischen Athleten weiterhin gerechtfertigt", sagte Athletensprecherin Krüger, "auch um auch die Rechte der anderen, insbesondere der ukrainischen Athleten, zu schützen."