Rückkehr russischer Jugendteams Bundesinnenministerium stellt sich gegen die Haltung des DFB
Die deutschen Vertreter in UEFA und FIFA haben sich für eine Rückkehr russischer Jugendteams ausgesprochen. Das Bundesinnenministerium nennt das "den völlig falschen Weg". Für die UEFA wird die Russlandfrage zur Zerreißprobe - das Thema steht erneut auf der Agenda.
Das UEFA-Exekutivkomitee trifft sich am Dienstag (10.10.2023) in der Verbandszentrale im schweizerischen Nyon. Auf der Tagesordnung, die dem WDR-Magazin Sport inside vorliegt, steht erneut die Wiederzulassung russischer U17-Teams - mit dem Zusatz "zur Genehmigung". Unklar bleibt zunächst, ob es auch zu einer neuen Abstimmung kommt.
Am 26. September hatte das UEFA-Exekutivkomitee bei seiner Sitzung in Limassol auf Zypern die Frage zur Wiederzulassung russischer Jugendteams mit "Ja" beantwortet. Auch DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke und Karl-Heinz Rummenigge als Vertreter der Klub-Vereinigung ECA hatten dafür gestimmt, russische Jugendteams wieder mitspielen zu lassen. "Es war eine 51:49-Entscheidung", sagte Watzke im Deutschlandfunk. Später votierte auch der FIFA-Rat für eine Teilnahme russischer U17-Teams, nach Informationen von Sport inside stimmte dort DFB-Präsident Bernd Neuendorf ebenfalls zu.
Bundesinnenministerium: "Es ist der völlig falsche Weg"
Das für Sport zuständige Bundesinnenministerium stellt sich deutlich gegen die Haltung der deutschen Funktionäre. Solange Russlands Präsident Wladimir Putin seinen Angriffskrieg fortsetze, "ist es der völlig falsche Weg, Russland und Belarus die Tür zu internationalen Sportwettbewerben zu öffnen", teilte das Ministerium auf Anfrage von Sport inside mit. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe sich wiederholt gegen eine Teilnahme russischer und auch belarusischer Athletinnen und Athleten geäußert. "Auch gegenüber der UEFA", wie das Ministerium betonte. "Die volle Solidarität des Sports muss weiterhin der Ukraine gelten."
Watzke und Rummenigge bezogen sich auf die Argumentation von der UEFA, nach der man Kinder nicht für die Taten Erwachsener bestrafen solle. Die Folge ist nun der Ausschluss anderer Kinder, beispielsweise aus der von Russland angegriffenen Ukraine, die nicht an den Turnieren mit russischer Beteiligung teilnehmen dürfen.
UEFA gespalten - Ceferin unter Druck
Das Thema spaltet die UEFA. Während das DFB-Präsidium mitteilte, "dem Beschluss der UEFA zu folgen", kündigte ein Fünftel der insgesamt 55 europäischen Nationalverbände nach der Entscheidung des Exekutivkomitees einen Boykott möglicher Spiele gegen Russland an. England, Polen, Estland, Lettland, Litauen, Schweden, Norwegen, Finnland, Rumänien, Irland und Dänemark sowie die Ukraine wollen nicht gegen Russland spielen. Für die UEFA wird es nun schwer, funktionierende Turniere unter Einbeziehung russischer Jugendteams auszutragen.
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin
Damit steht auch UEFA-Präsident Aleksander Ceferin unter Druck. Viele Verbände zeigten sich darüber verwundert, dass bei der Abstimmung im September das Thema nicht auf der Tagesordnung stand, dann aber kurz vor Beginn unter "Vermischtes" auf den Tisch kam. "Uns war nicht bewusst, dass sich die UEFA mit der Angelegenheit befassen würde, und wir müssen von der UEFA in einer so wichtigen Angelegenheit ein besseres Vorgehen erwarten können", kritisierte Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness.
Das UEFA-Exekutivkomitee besteht derzeit aus 17 Funktionärinnen und Funktionären. Darunter befindet sich mit Alexander Djukow nach wie vor Russlands Verbandspräsident. Da die UEFA nur die Teams, nicht aber den Verband suspendierte, ist Russland grundsätzlich ein reguläres Mitglied der UEFA. Djukow ist Manager bei einer Gazprom-Tochtergesellschaft, die unter EU-Sanktionen steht. Er sitzt mit Stimmrecht im UEFA-Exekutivkomitee.
Alexander Dyukov, Chef von Gazprom Neft und Mitglied der UEFA-Exekutive
Person | Verband |
---|---|
Aleksander Ceferin* | UEFA |
Karl-Erik Nilsson** | Schweden |
Zbigniew Boniek** | Polen |
Armand Duka** | Albanien |
Gabriele Gravina** | Italien |
Laura McAllister** | Wales |
David Gill** | England |
Servet Yardimci | Türkei |
Andrii Pavelko | Ukraine |
Jesper Möller | Dänemark |
Alexander Djukow | Russland |
Just Spee | Niederlande |
Philippe Diallo | Frankreich |
Petr Fousek | Tschechien |
Levan Kobiashvili | Georgien |
Hans-Joachim Watzke | Deutschland |
Nasser Al-Khelaifi | ECA |
Karl-Heinz Rummenigge | ECA |
*Präsident
**Vizepräsident/in
Abstimmung wird in Skandinavien zum Politikum
In einigen Nationalverbänden stehen Funktionäre wegen ihres Abstimmungsverhalten erheblich unter Druck. Karl-Erik Nilsson, ein UEFA-Vizepräsident aus Schweden, machte seine Zustimmung für die Wiederzulassung russischer Jugendteams öffentlich, die Kritik war groß. Er trat als Vorsitzender des schwedischen Sportbundes zurück und versicherte dabei, weiter "für unsere Haltung zu stehen". Jesper Möller, ein Mitglied des Exekutivkomitees aus Dänemark, stimmte nach Informationen von Sport inside ebenfalls für die Wiederzulassung. Auch er steht unter erheblichem Druck in Dänemark.
Paradox: Sowohl der schwedische als auch der dänische Verband kündigten einen Boykott möglicher Spiele gegen Russland an, während die Vertreter beider Länder in der UEFA für die Zulassung stimmten. Nilsson und Möller gelten als treue Unterstützer von UEFA-Präsident Ceferin.
UEFA-Vizepräsident Karl-Erik Nilsson mit UEFA-Präsident Aleksander Ceferin
U16-Turniere der UEFA: Russland spielt mit Flagge und Hymne
Sollten die U17-Teams aus Russland wieder zugelassen werden, dürften sie laut UEFA nur ohne nationale Symbole antreten, nicht unter dem Namen Russland spielen und keine Heimspiele in Russland austragen. Doch der russische Verband zeigt schon seit Monaten auf seinen Internetseiten Bilder, die ganz anders aussehen. Dort sind Fotos und Video von Jugendspielen zu sehen, die mit UEFA-Logos und -Flaggen ausgestattet sind, während die russische Hymne gespielt wird und alle nationalen Elemente wie Flaggen, Embleme auf Trikots oder Wimpeln zu sehen sind.
Wimpel, Trikots, Flagge - Russlands U15 beim "Entwicklungsturnier" der UEFA
Auf Anfrage von Sport inside teilte die UEFA mit: "Es handelt sich um freundschaftliche U16-Entwicklungsturniere, nicht um offizielle UEFA-Wettbewerbe. Sie sind daher nicht durch die gegen russische Mannschaften verhängten Sanktionen verboten."
UEFA und FIFA wollten Russland 2022 zunächst "neutral" spielen lassen
Nachdem Russland unter Mithilfe von Belarus seinen Angriffskrieg begann, verfügten FIFA und UEFA zunächst, dass Russland nur noch als "neutrales Team" unter dem Namen "Fußballverband aus Russland" spielen dürfe. Zu dieser Zeit standen die europäischen Playoffs zur WM 2022 der Männer in Katar an. Polens Verbandspräsident sagte damals: "Wir spielen nicht gegen Russland, egal wie das Team genannt wird." Mit Tschechien und Schweden schlossen sich weitere potenzielle Gegner Russlands dieser Haltung an. Einen Tag später suspendierten FIFA und UEFA Teams aus Russland von allen Wettbewerben. Belarus darf seitdem nur außerhalb der eigenen Landesgrenzen und ohne Fans antreten.
Die UEFA entzog zudem Sankt Petersburg das zugeteilte Champions-League-Finale 2022 und kündigte einen Sponsoringvertrag mit Gazprom.
Flaggen von Russland und der UEFA (Archivbild von 2019)