Halbfinale der EM 2024 Spanien gegen Frankreich - die Spieler im Direktvergleich
Am Dienstag (09.07.2024, 21 Uhr, im Audiostream und im Liveticker bei sportschau.de) spielen Spanien und Frankreich den ersten Endspielteilnehmer der EM 2024 in Deutschland aus. Welches der beiden Teams hat die besseren Einzelspieler?
Die Favoritenrolle scheint klar verteilt zu sein: Spanien hat bislang eine starke EM gespielt, gewann seine drei Gruppenspiele und sein Achtelfinale, überzeugte fußballerisch und lieferte sich im Viertelfinale gegen Deutschland einen echten Schlagabtausch.
Frankreich indes bot trotz eines exquisit besetzten Kaders nur Hausmannskost und rumpelte sich mehr oder weniger durch die EURO. Die drei bisherigen Treffer - zwei gegnerische Eigentore, ein eigener Strafstoß - reichten inklusive eines gewonnenen Elfmeterschießens nach einem 0:0 gegen Portugal im Viertelfinale für die Vorschlussrunde. Minimalismus in Reinkultur! Sportschau.de vergleicht die wahrscheinlichen Startformationen.
Tor: Maignan gegenüber Simón im Vorteil
Unai Simón wurde bislang nur von seinem Teamkollegen Robin Le Normand gegen Georgien (4:1) und von Florian Wirtz gegen Deutschland (2:1 nach Verlängerung) bezwungen. Der 27-Jährige parierte bislang 83 Prozent der Schüsse auf sein Tor, darunter war gegen Kroatien (3:0) auch ein Elfmeter von Bruno Petkovic. Allerdings neigt Simón unter Druck zu Fehlern im Spielaufbau. Gegen Deutschland wäre ein Fehlpass fast schiefgegangen, doch Kai Havertz hob den Ball übers verwaiste Tor.
Mike Maignan kassierte bei der EM 2024 erst einen Gegentreffer - und diesen durch einen Elfmeter von Robert Lewandowski im Match gegen Polen (1:1). Seine Quote ist mit bislang 94 Prozent gehaltenen Schüssen top. Auch mit dem Ball am Fuß ist der "Magic Mike" genannte Keeper stark - Vorteil Frankreich.
Innenverteidiger: Saliba bislang eine Bank
Bei Spanien werden mutmaßlich Aymeric Laporte und Nacho die Innenverteidigung bilden. Laporte weist mit 66 Prozent gewonnenen Zweikämpfen den bisherigen spanischen Bestwert bei diesem Turnier auf. Der 30-Jährige ist auch in der Luft im direkten Duell nur schwer zu bezwingen (Quote 72,7 Prozent) und gilt als einer, der viele Situationen bereits durch eine gute Antizipation entschärft. Nacho dürfte für den gelbgesperrten Le Normand ins Team rücken, bereits gegen Deutschland brachte ihn Trainer Luis de la Fuente in der 46. Minute. Allerdings fand Nacho nur schwer in die Partie. Der 34-Jährige gewann nur 29 Prozent seiner Zweikämpfe und hatte gegen Ende sichtliche Konditionsprobleme.
Die Franzosen setzen im Abwehrzentrum wohl erneut auf William Saliba und Dayot Upamecano. Saliba verpasste im bisherigen Turnierverlauf keine Minute und trumpfte gegen Top-Stürmer stark auf. Der 23-Jährige erfüllt die Aufgaben in seinem Kerngeschäft mit absoluter Zuverlässigkeit. Upamecano hat schon seit Jahren den Ruf eines Hochveranlagten, der zu Aussetzern neigt. Diesen hat der 25-jährige vom FC Bayern auch bei der EM 2024 bestätigt, so verursachte er im dritten Gruppenspiel gegen Polen (1:1) einen unnötigen Foulelfmeter, der die Franzosen den Gruppensieg kostete. Upamecano bringt das Komplettpaket für einen modernen Abwehrspieler mit, allerdings gelingt es ihm weiterhin nicht immer, über die komplette Spielzeit konzentriert zu bleiben. Trotzdem hat auch im Abwehrzentrum Frankreich die Nase vorn.
Außenverteidiger: "Altstar" Navas rückt wohl rein
Spanien dürfte es sehr wehtun, dass Rechtsverteidiger Dani Carvajal im Halbfinale gesperrt fehlen wird. Dort kommt nämlich nur "Altstar" Jesus Navas infrage, falls Coach de la Fuente positionsgetreu wechseln will. Der 38-jährige Weltmeister von 2010 ist nicht mehr so offensivstark und schnell wie früher und wäre eine Schwächung gegenüber Carvajal. Links hinten spielt Marc Cucurella ein so gutes Turnier, dass Leverkusens Alejandro Grimaldo nicht an ihm vorbeikommt. Der 25-Jährige ist beweglich, passsicher und seit dem Viertelfinale gegen Deutschland in aller Munde, als ihm Jamal Musiala aus kurzer Distanz an den etwas ausgestreckten, aber nicht unnatürlich gehaltenen Arm schoss, es aber keinen Elfmeter fürs DFB-Team gab.
Frankreich setzt auf Jules Koundé (rechts) und Theo Hernandez (links). Koundé stand bislang in allen fünf Spielen über die komplette Zeit auf dem Feld und wurde nach dem 1:0-Sieg im Achtelfinale gegen Belgien zum "Man of the Match" gekürt. Der 25-Jährige agiert defensiv zuverlässig, immer wieder setzt er dazu auch offensive Nadelstiche. Auch Hernandez verpasste bei der EM 2024 noch keine Minute. Der 26-jährige vom AC Milan gilt als bissig, kopfballstark und passsischer. Immer wieder geht auch Hernandez mit nach vorne, um mit Flanken oder scharfen Pässen nach innen die Offensivspieler zu bedienen. Aufgrund des Fehlens von Carvajal sind auf den defensiven Außen leichte Vorteile bei der "Equipe Tricolore" zu erwarten.
Zentrales Mittelfeld: Rodri als uneingeschränkter Dominator
Rodri dominiert das Spiel bei Manchester City - und auch bei der spanischen Nationalmannschaft ist er das Metronom. Der 28-Jährige ist der Denker und Lenker von "La Roja" und spielt bislang ein überragendes Turnier: Passquote 94,7 Prozent, Zweikampfbilanz 65,4 Prozent, 72,7 Prozent gewonnene Kopfballduelle, je fünf Torschüsse und Torschussvorlagen, ein Treffer und ein Assist, im Schnitt über 90 Ballkontakte pro 90 Minuten.
Ebenfalls in starker Form ist Fabián Ruiz, der bereits an vier Toren direkt beteiligt war. Für Pedri, der gegen das DFB-Team früh verletzt raus musste, rückt wohl Dani Olmo rein. Gegen Deutschland erzielte er ein Tor und bereitete das 2:1 von Mikel Merino vor.
Da kann Frankreich nicht ganz mithalten. Bei ihnen wird wohl Adrien Rabiot nach abgelaufener Sperre für Eduardo Camavinga beginnen. Im zentralen Mittelfeld dürfte Trainer Didier Deschamps zusätzlich weiterhin auf Aurélien Tchouaméni und N'Golo Kanté setzen. Der 33-jährige Kanté spielt als "Box-to-Box-Player" bislang ein starkes Turnier und wurde bereits zweimal zum "Man of the Match" gewählt. Rabiots Stärken liegen eher im Vorwärtsgang, Tchouaméni sorgt für die defensive Absicherung. Der 24-Jährige agiert kopfball- und zweikampfstark und weist eine sehr starke Passquote auf (95,3 Prozent).
Angriff: Spanien auf den Flügeln stark, Frankreich hofft auf Mbappé
Lamine Yamal (rechts) und Nico Williams (links) begeistern bei der EM 2024 bislang als "spanische Wunderkinder". Der erst 16-jährige Yamal weist bereits 28 Torschussbeteiligungen auf, ist zweikampffreudigster Spanier und bereitete bereits drei Treffer vor. Williams ist ein pfeilschneller Flügelstürmer, dem man wegen seines Antritts keinen Meter Raum lassen darf. Im Sturmzentrum kann Spanien auf Alvaro Morata bauen. Er hatte im Jubel nach dem 2:1-Treffer gegen Deutschland zunächst Gelb gesehen. Die Verwarnung war von der UEFA allerdings nachträglich einkassiert worden, sie hätte zu einer Sperre geführt. Auch wenn Morata nicht in Topform ist, so ist er als Kapitän doch ein wichtiger Faktor.
Die Franzosen dürften vorne mit Kylian Mbappé, Randal Kolo Munai und Antoine Griezmann leicht versetzt dahinter auf der Zehn beginnen. Dass Mbappé oft auf den linken Flügel ausweicht, Kolo Muani über rechts kommt und Griezmann ins Zentrum stößt, ist dabei intendiert. Denkbar ist auch, dass Ousmane Dembélé für Kolo Muani startet. Dembélé hatte gegen Portugal im Viertelfinale als Joker überzeugt.
Nominell sind die Spanier auf den Außen durchschlagskräftiger zu erwarten, dafür sind die Franzosen im Sturm besser besetzt. Allerdings sind die französischen Angreifer allesamt nicht in Form, lediglich dem gehandicapten Mbappé gelang bislang ein Treffer - und das per Elfmeter.
Fazit
In das Duell zweier großer Fußballnationen geht Spanien als Favorit. Dabei hat Frankreich Vorteile im Tor, im Abwehrzentrum und auf den defensiven Außenbahnen. Spanien ist im Mittelfeldzentrum besser besetzt. Im Angriff teilen sich die Teams den Punkt. Während Yamal und Williams auf den Flügeln wirbeln und Spanien dadurch dort Vorteile hat, ist Frankreich im Zentrum stärker - zumindest auf dem Papier.
Wenn beide Teams ihre Leistungen bestätigen, kann es mit Spanien eigentlich nur einen logischen Finalisten geben. Allerdings sollten die Südeuropäer nicht sorglos in das Spiel gehen, denn das Potenzial, Spanien zu schlagen, ist bei Frankreich zweifelsfrei vorhanden. Die Frage lautet nur, ob es endlich abgerufen werden kann.