
Italien gegen Deutschland Spallettis Taktik-Reform mit Lieblingsschüler Di Lorenzo
Luciano Spalletti hat nach dem frühen EM-Aus das System der italienischen Fußballnationalmannschaft umgestellt und will nun das DFB-Team in der Nations League bezwingen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei seinem "Lieblingsschüler" zu.
Es ist nicht überliefert, ob Giovanno Di Lorenzo seinem Nationaltrainer Luciano Spalletti jeden Morgen einen Apfel auf den Schreibtisch legt. Es ist sogar ziemlich unwahrscheinlich. Trotzdem ist der Defensivmann so etwas wie der Lieblingsschüler des 66 Jahre alten Übungsleiters. Gemeinsam treten beide am Donnerstag (20.03., live im Ersten, im Audiostream und im Ticker) und am Sonntag (23.03., live im Audiostream und im Ticker) nun gegen Deutschland an und wollen das Halbfinale der Nations League erreichen.
Di Lorenzo ist mit 31 Jahren der Routinier in Spallettis Team, das ansonsten aus Mitt- und End-Zwanzigern wie Federico Dimarco, Gianluigi Donnarumma, Nicolo Barella und einigen jungen Talenten besteht. Nach dem enttäuschenden Achtelfinal-Aus gegen die Schweiz bei der Europameisterschaft im vergangenen Sommer mussten einige erfahrene Akteure ihren Platz räumen. Matteo Darmian, Stephan El-Sharaaway oder Bryan Cristante wurden allesamt seither nicht mehr für die "Squadra Azzurra" nominiert.
Erfolgreiche Systemumstellung von Spalletti
Nicht nur personell leitete Spalletti, der 2023 das Amt von Roberto Mancini übernommen hatte, zumindest einen kleinen Umbruch ein. Auch in Sachen Formation verbannte er die Viererkette und sein geliebtes 4-3-3 seitdem aus dem Repertoire. Statdessen: Dreier-, respektive Fünferkette.
Kuriose Randnotiz: Schon bei der EM hatte Spalletti im wichtigen Gruppenspiel gegen Kroatien auf dieses System gesetzt und sich in einer Pressekonferenz nach dem Spiel in Rage geredet, weil die Idee der Systemänderung offenbar zuvor an die Medien durchgegeben worden war und diese die Kommunikation mit der Mannschaft über die taktische Ausrichtung teilweise kritisiert hatten.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Nur das sportlich bedeutungsarme letzte Gruppenspiel in der Nations League gegen Frankreich, bei dem beide Mannschaften schon vor dem Anstoß sicher im Viertelfinale standen, wurde verloren. Das Hinspiel gegen Frankreich klar gewonnen, gegen Belgien gab es einen Sieg und ein Remis, Israel wurde zweimal besiegt.
Di Lorenzo - Spallettis Vertrauter
Ein wichtiger Faktor in der neuen Formation ist eben Di Lorenzo. Gemeinsam mit Spalletti holte er als Kapitän 2023 mit der SSC Neapel die italienische Meisterschaft. Dass diese Zusammenarbeit das Potenzial hat, erfolgreich zu werden, ist also hinreichend bekannt.
Spalletti hat in seiner Laufbahn mittlerweile weit über 800 Partien als Cheftrainer bestritten und trotzdem ist Di Lorenzo bereits in den Top 25 der am häufigsten von ihm aufgestellten Spieler vertreten. Die beiden sprechen auf dem Platz offenbar eine ähnliche Sprache und kommen auch aus der gleichen Ecke Italiens: Ihre Geburtsorte trennen nur etwa 80 Kilometer Luftlinie, sportlich vereint haben sie sich allerdings erst gut 500 Kilometer weiter südostlich in Neapel.
Neu ist aber die Position, die Di Lorenzo seit dem Sommer im Nationalteam einnimmt. Im Klub unter Spalletti und auch heute noch fast immer auf der rechten Defensivbahn unterwegs, gibt der 1,83 Meter große Verteidiger nun den rechten Part in der Dreierkette.
Nicht mehr auf dem Flügel und trotzdem gefährlich wie nie
Spalletti nutzt dabei die ihm wohlbekannte Flexibilität des 44-fachen Nationalspielers. In der Spieleröffnung ist er technisch stark genug, um auch mal den ein oder anderen Ball in die Spitze zu spielen, er kann aber gleichzeitig als "Ballschlepper" fungieren, wenn im Aufbau die Anspielstationen zugestellt sind. In der Absicherung ist seine für einen Innenverteidiger hervorragende Schnelligkeit ebenso Gold wert wie seine Physis, die zwar gegen die Erling Haalands dieser Welt nicht ausreicht, aber doch gegen die meisten Angreifer robust genug daherkommt, um nicht einfach "herumgeschubst" zu werden.
Mit Alessandro Bastoni, Alessandro Buongiorno oder Federico Gatti bekommt Di Lorenzo aber sicherheitshalber auch meistens von Spalletti zwei echte "Türme" an die Seite gestellt, die der Dreierkette dann noch mal die nötige Extraportion Körperlichkeit verleihen können.

Italiens Nationaltrainer Luciano Spalletti mit seinem Spieler Giovanni Di Lorenzo, damals bei der SSC Neapel
Dabei wird Di Lorenzo aber keineswegs seiner eigenen Stärken in der gegnerischen Hälfte komplett beraubt: im Gegenteil. Immer wieder darf er in Ballbesitzphasen dynamisch nach vorne stoßen, um die gegnerische Defensive auf der rechten Angriffsseite vor Zuordnungsprobleme zu stellen, oder aus dem Rückraum abzuschließen. Zwei Tore und eine Vorlage stehen in den fünf Einsätzen in der neuen Rolle auf seinem Konto - das sind fast so viele Torbeteiligungen wie in seinen 39 Länderspielen zuvor insgesamt (fünf).
Gegen Deutschland hat Di Lorenzo übrigens noch nie gespielt. Bei beiden Duellen in der Nations League im Jahr 2022 kam er nicht zum Einsatz. Unter Spalletti dürfte es das diesmal wohl kaum geben. Julian Nagelsmann, der ja wie viele DFB-Verantwortliche jüngst betonte, dass man die Nations League als Wettbewerb ernst nehmen wolle, wird sich die Rolle des Giovanni Di Lorenzo also wohl ganz genau anschauen.