
Profi von Inter Mailand Bisseck und der "besondere Weg" ins DFB-Team
Yann Aurel Bisseck steht vor seinem Debüt in der deutschen A-Nationalmannschaft. Dieser Traum war zwischenzeitlich so weit weg, dass der gebürtige Kölner daran dachte, eine WG zu gründen und Medizin zu studieren.
"Wenn du reingehst, spürst du ein bisschen Geschichte", sagt Yann Aurel Bisseck, "da ist schon ein bisschen etwas passiert." Das ist zumindest ein bisschen untertrieben, denn das Stadion Giuseppe Meazza ist der Heimspielort für gleich zwei große europäische Fußballklubs. Beide haben aktuell einen deutschen Innenverteidiger im Kader. Bei der AC Mailand ist es Malick Thiaw, bei Inter ist es Bisseck. Thiaw ist gebürtiger Düsseldorfer mit drei Einsätzen in der A-Nationalmannschaft, Bisseck gebürtiger Kölner mit der Aussicht auf sein Debüt.
Debüt im "eigenen" Stadion möglich
Am Donnerstag (20.03.2025, live im Ersten und im Livestream der Sportschau) im Hinspiel des Viertelfinals der Nations League gegen Italien in eben jenem geschichtsträchtigen Stadion in Mailand könnte es soweit sein.
Thiaw, 23 Jahre alt, bestritt seine drei Länderspiele im Jahr 2023, das bisher letzte davon unter dem Bundestrainer Julian Nagelsmann. Noch unter Hansi Flick war Thiaw in den Kader berufen worden, weil Armin Bella Kotchap verletzt hatte absagen müssen, noch so ein junger Verteidiger, der mal dabei war, inzwischen aber weit weg ist von der Nationalmannschaft.
Bei Thiaw sei das anders, sagte Nagelsmann bei der Nominierung, aber den habe er halt schon gesehen. Jetzt möchte er mal Bisseck sehen. "Unter dem jetzigen Bundestrainer wird gute Form hoch angerechnet. Man muss sehen, dass jedes Spiel zählt", sagte Bisseck im Interview mit der Sportschau auf die Frage, was nötig sei, um dauerhaft zum Kader zu gehören und vielleicht sogar mal Antonio Rüdiger und Jonathan Tah, also die Stammspieler in der Innenverteidigung, anzugreifen.
Kimmich: "Bisseck ist besonderen Weg gegangen"
Als Aurel, wie er genannt werden möchte, Bisseck am Montag im Quartier der deutschen Nationalmannschaft ankam, stieg er zusammen mit Joshua Kimmich aus dem Kleinbus. Zufall sei das gewesen, sagte der Kapitän, der schon 97 Länderspiele auf dem Konto hat. So hätten sie aber schon ein bisschen über das anstehende Viertelfinale in der Champions League sprechen können, in dem sein FC Bayern auf Inter trifft.
Bisseck, so Kimmich im Interview mit der Sportschau, sei "einen besonderen Weg gegangen über einige Stationen", zu denen bei den Senioren Roda Kerkrade aus den Niederlanden und der portugiesische Erstligist Vitória Guimarães zählte, bei dem er sogar in der zweiten Mannschaft landete. "Nicht jeder muss den klassischen Weg gehen. Es führen viele Wege hierher", sagte Kimmich.
DFB-Junioren und Profi-Debüt mit nur 16 Jahren
Bis zum Übergang in die Senioren sah es bei Yann Aurel Bisseck klassisch aus. Er wurde im Nachwuchsleistungszentrum des 1. FC Köln ausgebildet, spielte für Junioren-Auswahl-Mannschaften des DFB und kam in der Profimannschaft zum Debüt, als er nicht mal 17 Jahre alt war.
Dann stockte es, und es ging per Leihe zu Holstein Kiel, per Leihe zu Kerkrade, per Leihe zu Guimarães. "Schwere Phasen" habe er auf diesen Stationen gehabt, und nicht bis wenig zu spielen, sei noch "das kleinste Problem" gewesen. "Wenn Verletzungen dazukommen, und ich war in jüngeren Jahren sehr oft verletzt, vor allen Dingen bei meinen Leihstationen, das geht dann auch irgendwann auf die Psyche", sagt Bisseck, "da wäre es angenehm gewesen, in der Nähe des Elternhauses zu spielen. Aber das war bei mir halt nicht der Fall."
Bisseck war bei Guimarães zweiter Mannschaft, im Norden Portugals, acht Monate lang verletzt. Da sei er ins Grübeln gekommen, habe "an andere Optionen" als Fußball gedacht: "Ich wollte immer Medizin studieren. Dann wären wir nach Berlin gezogen und hätten eine Wohngemeinschaft aufgemacht." Zwei deutsche Teamkollegen hatte Bisseck in Guimarães, das sei ein "Riesenglück" gewesen, "die haben mich aufgefangen".
Es ging weiter mit Fußball. Aber San Siro, Inter Mailand, die Champions League, die deutsche Nationalmannschaft, das war weit entfernt. Bisseck wechselte nach Dänemark, zu Aarhus GF, dieses Mal nicht per Leihe, der 1. FC Köln verkaufte ihn. An zwei Händen könne er die Leute abzählen, die stets an ihn glaubten. Bei denen, die davon nicht zu seiner Familie gehörten, nannte er zuerst Markus Daun.
FC-Nachwuchstrainer: "Gewisse Erhabenheit"
Daun arbeitet heute für Bayer Leverkusen, früher war er Trainer im Nachwuchsbereich der Kölner. Daher kannte er Bisseck und die Vorbehalte, die Kollegen gegen den inzwischen 1,96 Meter großen Innenverteidiger hatten. "Eine gewisse Erhabenheit" hätte Bisseck wegen seiner Statur und Spielweise gehabt, das hätte auf manche "negativ arrogant" gewirkt.
Bisseck würde sich nicht quälen wollen, habe es geheißen, er lebe in einer Komfortzone. "Ist doch super, wenn er ohne Anstrengung gute Leistungen bringt", habe Daun gesagt. Um ihn zu fordern und zu fördern, habe er ihn dann im zentralen Mittelfeld statt in der Innenverteidigung spielen lassen. Das habe Bisseck mit 16 Jahren zu den Profis gebracht, aber irgendwann war dann beim größten Klub in seiner Heimatstadt Schluss. "Ich freue mich sehr für Aurel, dass er jetzt in der Nationalmannschaft ist", sagt Daun im Telefonat mit der Sportschau, "er hat ein super Elternhaus und ist sehr intelligent. Ich habe ihn immer weiter beobachtet".
Mit 16 Abitur, Medizinstudium noch immer möglich
Yann Aurel Bisseck kam mit fünf Jahren in die Schule und machte mit 16 das Abitur, weil er eine Klasse übersprang. Ein Studium der Medizin kann er sich weiter vorstellen, aber später wolle er auf jeden Fall Kinder haben, und "ob das dann mit der Zeit so passt" ist fraglich. In den "schweren Phasen", unter anderem in Portugal, habe Bisseck gedacht, dass "mein Körper vielleicht nicht für Leistungssport gemacht" worden sei. Könne ja sein, habe sich bei anderen Talenten ja auch schon gezeigt.
Diese Zweifel sind inzwischen verflogen. Yann Aurel Bisseck ist 24 Jahre alt, im Kader der A-Nationalmannschaft, mit Inter Mailand Meister geworden, und er spüre im San Siro, dass die Fans von Inter die Deutschen besonders mögen. Jürgen Klinsmann, Andreas Brehme und Lothar Matthäus spielten unter anderem für Inter. Der "Herr Klinsmann", so Bisseck, sei letztens sogar zu Besuch gewesen.