Nationalmannschaft Ter Stegen hat es selbst in Hand und Fuß
Marc-André ter Stegen hat schon häufiger darauf spekuliert, die Nummer eins im Tor der Nationalmannschaft zu werden. Die aktuelle Chance ist anders: Er hat es selbst in Hand und Fuß, aus dem Schatten zu kommen. So wie am Samstag, wenn das DFB-Team auf Peru trifft.
Die Zeitung "Sport" erscheint in Barcelona. Sie ist dem großen Fußballklub der Stadt sehr zugetan und widmet ihm in der Regel viele der vorderen Seiten. Vor dem Clásico am Sonntag (19.03.2023) suchte das Blatt nach Gründen, warum der FC Barcelona das Duell mit Real Madrid gewinnen und dann auch bestimmt Meister in Spanien werden würde.
Die hervorragende Ausgangssituation sei "zu einem großen Teil der Leistung des Deutschen zu verdanken", schrieb "Sport". Die Zeitung nannte ter Stegen den besten Torwart Europas, und dies sei "keine Meinung", sondern mit Daten zu belegen.
Der besetzte Thron
Mit Zahlen können viele Thesen gestützt und auch entkräftet werden. Das Gesamtbild von Statistiken und Beobachtungen dürfte aber selbst bei Zeitungen, die Real Madrid wohlgesonnen sind, zu dem Urteil führen, dass ter Stegen eine herausragende Saison spielt. Wäre ein Feldspieler mit deutschem Pass beim FC Barcelona prägend, gäbe es keinen Zweifel daran, dass ihm auch in der deutschen Nationalmannschaft ein Platz in der ersten Elf sicher wäre.
Bei Torhütern war es aber seit mehr als einem Jahrzehnt und bis vor einigen Wochen speziell, denn dieser Platz ist bei der Eliteauswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ein Thron gewesen, und auf dem saß Manuel Neuer. Musste er mal hinabsteigen, um sich in Behandlung zu begeben oder eine Pause zu machen, bestimmte er selbst, wann er zurückkehrte. Der Bundestrainer billigte dies, wie ein Kanzler einem Monarchen die Wünsche erfüllt.
Selbst vor der WM 2018, nachdem Neuer wegen eines Mittelfußbruchs monatelang ausgefallen war, sorgte dessen Rückkehr ins Tor der Nationalmannschaft nur für dezente Diskussionen. Das wird vor der EM 2024 anders sein. Selbst wenn Neuer nach seinem Bruch des Unterschenkels wieder vollständig gesund wird und zu Form kommt, dürfte sein Nimbus verloren sein.
Jahrelang Konkurrenten nur auf dem Papier: Manuel Neuer (l.) und Marc-André ter Stegen
Ein gutes Jahr vor dem Turnier in Deutschland deutet alles darauf hin, dass Marc-André ter Stegen darüber entscheidet, ob er zum ersten Mal in seiner Karriere die Nummer eins bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft sein wird. Der gebürtige Mönchengladbacher, der am 30. April 31 Jahre alt wird, hat es erstmals selbst in Hand und Fuß.
Die Pflicht eines lange Wartenden
"Ich möchte die Nummer eins sein, beim FC Barcelona wie auch in der Nationalmannschaft", sagte ter Stegen der "Bild am Sonntag" vor dem Clásico. Das war nicht das erste Mal, aber es war in den vergangenen Jahren mehr Pflichterfüllung eines ehrgeizigen, aber zurückhaltenden Profis denn die streitlustige Ansage eines schon so lange Wartenden. "Durch die Verletzung von Manu, der gerade nicht da ist, ist die Situation so wie sie ist. Ich werde versuchen, meine Chance zu nutzen - absolut", sagte ter Stegen bei einer Pressekonferenz des DFB in Frankfurt.
Ter Stegen, der bereits seit 2014 für den FC Barcelona spielt, kam im März 2012 zu seinem ersten Länderspiel. Es verlief grausam für ihn, Deutschland verlor in der Schweiz mit 3:5. Dann gab es mit ihm ein 1:3 gegen Argentinien, dann ein 3:4 in den USA. Es war eine schwierige Beziehung zwischen ter Stegen und der Nationalmannschaft. Das änderte sich erst mit dem Gewinn des Confederation Cups 2017, als Neuer einen langen Urlaub erhielt und ter Stegen die Nummer eins war.
Neuer schwächelt bei der WM in Katar
Die wäre er auch bei der WM ein Jahr darauf in Russland gewesen, doch Neuer schaffte es so gerade noch, fit zu werden und auch ein akzeptables Turnier zu spielen. Das war in Katar anders, denn da war auch Neuer schwach. Einem der besten Torhüter der Geschichte fehlen nun damit die Argumente, auch wenn die Zahlen im Vergleich zu ter Stegen weiter für Manuel Neuer sprechen.
Die Quote abgewehrter Bälle im Nationaltor liegt für den Münchner bei 72 Prozent, ter Stegen kommt auf nur schwache 65 Prozent. Mit ter Stegen kassierte die Auswahl des DFB knapp alle 73 Minuten ein Tor, bei Neuer sind es gut 92 Minuten. Aber das sind historische Zahlen. Für Marc-André ter Stegen beginnt nach mehr als zehn Jahren in der Nationalmannschaft eine neue Zeitrechnung.
Neuer | Kategorie | ter Stegen |
---|---|---|
117 | Einsätze | 30 |
48 | Zu-Null-Spiele | 10 |
10.440 | Minuten gespielt | 2.398 |
92,4 | Minuten für ein Gegentor | 72,7 |
409 | gegn. Schüsse aufs Tor | 94 |
72,4 | abgewehrt (in Prozent) | 64,9 |
55,4 | gefangen (in Prozent) | 45,9 |
113 | gegn. Großchancen | 27 |
25,7 | davon vereitelt (in Prozent) | 29,6 |
11 | Gegentore durch Weitschuss | 6 |
Daten: Sportec Solutions
Einsätze gegen Peru und Belgien
Bundestrainer Hansi Flick kündigte an, dass ter Stegen am Samstag (25.03.2023, ab 20.44 Uhr live in der Radioreportage bei sportschau.de) in Mainz gegen Peru und wohl auch drei Tage später (Dienstag, ab 20.44 Uhr live in der Radioreportage bei sportschau.de) in Köln gegen Belgien im Tor stehen wird. Es liegt dann nur noch an ihm.