Außen vor in Paris und beim DFB Geld oder Neustart? Julian Draxler am Scheideweg seiner Karriere
Nach seiner misslungenen Leihe zu Benfica Lissabon ist Julian Draxler zurück bei Paris St. Germain - wo es schon lange schlecht läuft. Das einstige Mega-Talent muss eine Karriere-Entscheidung treffen.
Als im Jahr 2013 die Lkw mit seinem Konterfei durch das Ruhrgebiet fuhren und auf diese Weise verkündet wurde, dass Schalke 04 seinen Vertrag bis 2018 verlängert hatte, war es eine große Ehre für Julian Draxler. Eine mit einer Falltüre. Denn die außergewöhnliche Maßnahme - die Fahrzeuge machten auch vor den Toren der "Feindesstadt" Dortmund nicht halt - hängt ihm noch heute nach. Schalke stellte Draxler auf ein Podest und machte ihn als 19-Jährigen zum großen Helden eines Klubs mit weit über 100.000 Mitgliedern.
"Da fand ich es schön, dass sich Schalke so um mich bemüht. Aber rückblickend sehe ich das anders. Es hat letztlich eine Erwartungshaltung geschürt, der ich am Ende nicht mehr gerecht werden konnte", sagte Draxler einige Jahre später den "Wolfsburger Nachrichten". Die Lkw-Aktion sollte schließlich auch die Prophezeiung einer großen Karriere sein. Doch seit Jahren geht es beim heute 29-Jährigen nur noch bergab - und in diesem Sommer steht er am Scheideweg seiner aktiven Laufbahn.
Ein Jahr in Lissabon - große Liebe mit großer Enttäuschung
Die vergangene Saison war ein Spiegelbild der vergangenen Jahre. Für zehn Monate lieh ihn sein Arbeitgeber Paris St. Germain zum portugiesischen Spitzenklub Benfica Lissabon aus, wo Draxler nach mehreren Jahren auf der Ersatzbank wieder richtig Fuß fassen wollte. Er war dabei, als das Team die Meisterschaft feierte, aber eben doch nicht so richtig. Nur elf Ligaspiele machte der frühere deutsche Nationalspieler, vier davon in der Startelf (ein Tor). Verletzungen verhinderten mehr, erst machte der Muskel Probleme, dann musste sich Draxler am Knöchel operieren lassen.
"Ich entschuldige mich bei den Fans. Meine Verletzungen haben mich daran gehindert, mehr beizutragen", sagte der gebürtige Gladbecker nach der Saison und schwärmte: "Dieser Verein ist fantastisch, ich habe viele Meisterschaften gewonnen, aber diese ist anders und hat einen anderen Geschmack. Ich liebe Benfica. Der Verein wird in meinem Kopf bleiben."
Wenig Einsatzzeiten mit sinkender Tendenz
Das Problem für Draxler aber: Die Liebe ist recht einseitig, er blieb offenbar nicht in den Köpfen hängen. Nicht in Lissabon, nicht in Paris - und es macht den Anschein, dass es auch an vielen anderen Orten so ist. Benfica machte keine Anstalten, den Offensivspieler erneut zu verpflichten, in Paris hat er vor dem Saisonstart am Samstag (12.08.2023) gegen den FC Lorient wieder keine Aussicht auf Einsätze, war in der Vorbereitung sogar zeitweise vom Team getrennt worden. Der Klub will die Trennung - doch es fehlt noch der Ausweg.
Kein Wunder, schließlich hat Draxler in den vergangenen Jahren recht wenig Anschauungsunterricht für Interessenten liefern können. Seit der Saison 2019/20 kam er bei PSG in der Ligue 1 nur 2.286 Minuten zum Einsatz - und damit nur in etwas mehr als 20 Prozent der möglichen 10.260 Minuten. In Lissabon waren es sogar nur 15 Prozent (404 von 2.700 Ligaminuten). Acht Pflichtspieltore in vier Jahren hübschen die Bilanz auch nicht unbedingt auf.
Draxler steht für Titel - aber was will er nun?
Was jedoch Eindruck macht, ist die Titelsammlung, die Draxler trotzdem besitzt. Je viermal wurde er französischer Meister und Pokalsieger, dazu eben portugiesischer Champion in der vergangenen Saison. Ganz oben auf dieser Liste steht sogar der größtmögliche Titel: Weltmeister. 2014 war Draxler Teil des deutschen Titel-Kaders - schwamm aber auch dort eigentlich nur in der erfolgreichen Masse mit. Beim 7:1 gegen Brasilien gönnte ihm der damalige Bundestrainer Joachim Löw im Halbfinale 14 Einsatzminuten, als es um nichts mehr ging.
Draxler muss nun eine Entscheidung für seine Karriere treffen. Seine Möglichkeiten: das letzte Vertragsjahr in Paris aussitzen und vermutlich wieder Erfolge ohne Einsätze feiern, bei einem neuen, kleineren Verein neu anfangen oder dem monetären Lockruf aus Saudi-Arabien folgen. Zuletzt hatte es bereits Medienberichte gegeben, dass mehrere Klubs aus dem auf dem Transfermarkt wildernden Wüstenstaat auch an Draxler interessiert seien.
Etwas mehr Charme hatte da ein anderes Gerücht: Der einstige Held vom LKW könne nach Schalke zurückkehren, hieß es. Die Fans in Gelsenkirchen breiteten schon ihre Arme weit aus, um den verlorenen Sohn in Empfang zu nehmen und ihm wieder auf die Beine zu helfen - doch die Blase platzte recht schnell. Sportdirektor André Hechelmann bezeichnete eine mögliche Rückkehr als "schönen Traum", der nicht mal im Ansatz zu realisieren sei.
Mario Götze als Vorbild?
Und so stellt sich die Frage, wie die Realität von Draxler nun aussehen soll. Im Pariser Star-Ensemble ist kein Platz für ihn, in der Nationalmannschaft ist er schon lange kein Thema mehr. 2022 wurde Draxler zwar noch einmal nominiert, eigentlich gehört er seit Herbst 2020 aber nicht mehr zum DFB-Kader.
Welcher Klub traut ihm also noch zu, eine Verstärkung zu sein? Und was will Draxler, der schon immer recht anspruchsvoll in seiner Vereinsfindung war? Medienberichten zufolge hatte das einstige Supertalent eine Offerte der TSG Hoffenheim vorliegen und winkte sofort ab.
Mario Götze wird auch in Zukunft im Trikot von Eintracht Frankfurt zu sehen sein.
In den nächsten Wochen wird Draxler eine Grundsatzentscheidung für sich fällen. Sportlich wäre es sicherlich sinnvoll, einen Schritt zurückzugehen. So hat es auch Mario Götze gemacht, der zwischenzeitlich bei PSV Eindhoven einen neuen Anlauf nahm und dann bei Eintracht Frankfurt den Weg zurück in die Nationalmannschaft gefunden hat. Diese Bereitschaft hat Draxler bisher jedoch noch nicht gezeigt.