Extrem erleichtert: Lena Oberdorf und Jule Brand

DFB-Pokalfinale der Frauen Vom Sorgenkind zum Siegertyp

Stand: 10.05.2024 10:32 Uhr

Lena Oberdorf und Jule Brand haben schwierige Zeiten hinter sich. Gehässige Attacken oder interne Kritik haben beide Nationalspielerinnen weggesteckt - und den VfL Wolfsburg zum nächsten Titel geführt.

Gehupe und Getöse mitten in Köln: Vornedran eine Lena Oberdorf, die neben der Sonnenbrille auch ein Bierglas trug. Mittendrin eine Jule Brand, die über beide Backen grinste. Als Beleg der überbordenden Freude nach dem zehnten DFB-Pokalsieg in Serie stellte der VfL Wolfsburg jene Sequenz in den Sozialen Medien ein, bei der die Fußballerinnen singend und tanzend für eine weitere Ehrenrunde aus dem Bus stiegen.

Locker und gelöst wirkten die zwei Nationalspielerinnen, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten einem besonderen Druck ausgesetzt sahen. Frühere Sorgenkinder präsentierten sich vor der stimmungsvollsten Kulisse des Frauen-Endspiels in der Domstadt als Siegertypen: Brand sorgte mit ihrem Aufsetzer zum 1:0 für den Türöffner beim Finale gegen den FC Bayern (2:0), Oberdorf prägte diese für sie ganz besondere Konstellation allein mit ihrer Präsenz.

VfL-Trainer Tommy Stroot spricht von Weltklasse

Wie sich die kampfstarke Mittelfeldspielerin zur überragenden Protagonistin aufschwang, wo sie doch bald beim Gegner spielt, sei "Weltklasse" gewesen, betonte VfL-Trainer Tommy Stroot. "In so einem Spiel unter dem Fokus" derart voranzugehen, spreche für eine besondere Persönlichkeit: "Lena Oberdorf kann in jedem großen Verein der Welt spielen."

Gegenüber Alexander Straus freut sich kommende Saison auf eine Spielerin, die im Finale "fantastisch" war, wie der Bayern-Coach zugab. Doch auch Brand imponierte beim Seriensieger. "Es tut ihr richtig gut, solche Spiele mitzuentscheiden", lobte Stroot: "Sie hat wahnsinnig viel investiert. Das ist der größte Unterschied zum vergangenen Jahr."

Wolfsburgs Oberdorf - "Am liebsten den Moment einfrieren"

Sportschau

Erstmals sprach Oberdorf darüber, was in jüngerer Vergangenheit auf sie eingeprasselt war. Kaum hatte die jüngste deutsche WM-Spielerin aller Zeiten ihren Wechsel nach München verkündet, flog ihr eine Aussage in Anlehnung an den Toten-Hosen-Klassiker um die Ohren. 2022 hatte sie nämlich bekundet, auch sie würde nicht zum FC Bayern gehen, schließlich sei sie selbst als Schalke-Fan für Dortmund gewesen, wenn die Männer gegen Bayern gespielt hätten.

Darauf bezogen sich viele gehässige Kommentaren in den Sozialen Netzwerken. Die 22-Jährige verriet, sie sei auf eine "echt eklige Art und Weise" beschimpft worden. "Heute bin ich reif, gewachsen, würde so eine Aussage nicht wieder tätigen", sagt sie.

Der Umgang mit Social Media will gelernt sein

Die Causa demonstriert, wie der Umgang mit steigender Aufmerksamkeit rauer wird. Die negativen Begleiterscheinungen der Männer strahlen offenbar unweigerlich auch in den Fußball der Frauen ab. "Es war sehr speziell. Ich habe medial viel abbekommen", befand Oberdorf, die wochenlang keine Interviews mehr gab.

Gerade die bodenständige Frohnatur aus Gevelsberg, deren Bruder Tim Oberdorf mit Fortuna Düsseldorf in die Bundesliga aufsteigen möchte, wirkte in Köln extrem erleichtert und möchte die letzten Bundesligaspiele bei Werder Bremen (Sonntag 18.30 Uhr) und gegen ihren Ausbildungsverein SGS Essen (20.05.2024) in vollen Zügen genießen - sportlich geht's um nichts mehr. Alles läuft auf ein harmonisches Ende ihrer insgesamt vier Jahre bei den Niedersachsen hinaus.

Beim Champions-League-Finale 2023 gar nicht eingesetzt

Auch die 2022 von der TSG Hoffenheim verpflichtete Brand galt noch bis in den Herbst vergangenen Jahres beim damals in den Champions-League-Playoffs gescheiterten Vizemeister als Problemfall. War da eine vorschnell öffentlich zum "Golden Girl" hochgejazzt und von ihrem Umfeld falsch beraten worden?

Beim Champions-League-Finale des VfL Wolfsburg gegen den FC Barcelona (2:3) vor einem Jahr in Eindhoven hatte Stroot seine Außenstürmerin nicht mal eingewechselt. Auch bei der WM 2023 gehörte Brand prompt zu einer der Schwächsten, die ständig die Bälle verlor.

Die Kritik von Ralf Kellermann hat offenbar gewirkt

Im Verein fing sie sich bald öffentlich einen Rüffel von Wolfsburgs Sportdirektor Ralf Kellermann ein, der im Fachmagazin "Kicker" das nicht abgerufene Potenzial bemängelte: "Wenn Jule eine Top-Spielerin werden will, muss sie hart an sich arbeiten und zu einhundert Prozent für den Fußball leben."

Die Kopfwäsche hat anscheinend gewirkt: Seit einigen Woche ist die 21-Jährige eine der stärksten Wolfsburgerinnen. Auch wenn ihr gegen die Bayern nicht alles gelang, gab sie den tückischen Aufsetzer zum Führungstreffer ab. "Ich konnte es gar nicht glauben, es war ja nicht der schönste Schuss", sagte sie danach.

Für die besondere Motivation im Cup-Wettbewerb hatte die wieder mit einer gewissen Leichtigkeit spielende Angreiferin eine simple Erklärung: "Wir haben die Meisterschaft verkackt, deshalb wollten wir unbedingt den Pokal holen."

Auch Horst Hrubesch hat sich in Köln gefreut

Über die Leistungen der beiden Nationalspielerinnen hat sich auch Horst Hrubesch auf der Tribüne gefreut: Der Bundestrainer hatte beiden bereits in der EM-Qualifikation gegen Österreich (3:2) und Island (3:1) wieder Stammplätze zugewiesen. Nun untermauerten zwei Hauptdarstellerinnen aus der Doku "Born for this", die beide die EM in England als auch das WM-Desaster in Australien miterlebt hatten , dass sie fest in sein Olympia-Aufgebot gehören.

Der 73-Jährige will ja zum Abschied unbedingt auch mit den Frauen eine Medaille gewinnen - was angesichts der Gruppe mit dem WM-Vierten Australien (Gegner am 25. Juli in Marseille) und dem Rekordweltmeister USA (28. Juli in Marseille) schwierig genug wird.

Hrubesch muss nur noch abwägen, ob er die beiden Wolfsburgerinnen für die nächsten EM-Qualifikationsspiele gegen Polen (31. Mai in Rostock, 4. Juni in Gdynia) beruft oder ihnen nach einer Saison mit solchen Extremen eine längere Sommerpause gönnt.