DFB-Pokal-Finale gegen Bayern Wolfsburgs Triumph für Stadt, Verein und Standort
Der VfL Wolfsburg setzt mit dem zehnten DFB-Pokalsieg in Serie ein Ausrufezeichen. Das hat viel mit einem angekratzten Selbstverständnis zu tun.
Im Grunde war schon die Aufschrift des Sieger-T-Shirts ein dezenter Hinweis darauf, was alle beim VfL Wolfsburg an diesem so besonderen Tag angetrieben hatte. "Oops", stand in weißer Schrift auf schwarzem Grund. Abgebildet vorne zehn Trophäen in grün - und in Versalien: "We did it again".
Ja, die Fußballerinnen aus dem Werksverein - deren Männer seit Jahren schon keine Erfolgsstorys mehr produzieren - haben es wieder getan: Sie vereinnahmen den DFB-Pokal der Frauen im Akkord. Ein Titel, der wie am Fließband in die Autostadt geht.
"Wachablösung" als Reizwort
Und doch stand vor dem diesjährigen Finale gegen den FC Bayern, das der Seriensieger am Ende hochverdient mit 2:0 gewinnen sollte, der Begriff von der Wachablösung im Raum. Drei Mal in den vergangenen vier Jahren ist die Meisterschaft nach München gegangen. Trotzdem gehört aus Wolfsburger Sicht mehr dazu, gleich die Machtverschiebung mit diesem Begriff zu beschreiben.
Anführerin Alexandra Popp hatte das "Wolfsburger Unwort des Jahres" gar als "respektlos" bezeichnet. Daher war der insgesamt elfte Pokalsieg eine Genugtuung für Stadt, Verein und Standort. Nicht umsonst trommelte die Nationalmannschaftskapitänin mit Schlusspfiff kräftig mit beiden Fäusten auf den Rasen.
Seit 2012 keine titellose Saison für VfL Wolfsburg
Als wolle die "Leitwölfin" mit ihrer spontanen Reaktion noch einmal klarmachen, was ihr dieser Titel bedeutete. "Das ist eine extrem große Erleichterung", sagte die Anführerin und merkte selbstkritisch an: "Wir wissen, dass wir die Qualität haben. Es ist fraglich, warum wir das in der Liga nicht auf den Platz gebracht haben." Umso wichtiger sei das Ausrufezeichen: "Der VfL Wolfsburg ist nicht weg." Seit 2012 hat es keine titellose Saison mehr gegeben. Auch diese Serie hat ganz nebenbei für Popp und Co. Bestand.
Schon in den Trainingseinheiten, verriet die 33-Jährige, sei es die letzten Tage extrem giftig zugegangen. Sogar der sonst so besonnene Trainer Tommy Stroot bat vorsorglich die Bewohner der Domstadt darum, "zwei Augen zuzudrücken". An all jene, die in der Nacht lärmbedingt nicht schlafen könnten richtete er vorsorglich die Worte: "Wir waren es! Wir werden das genießen. Es gibt keine Bremse."
Dieser Sieg sei derjenige, versicherte der 35-Jährige in der Pressekonferenz, "der sich am besten anfühlt". Stroot hat es geschafft, seiner Mannschaft seit zwei Wochen den vollen Fokus auf dieses Finale zu vermitteln, alle Kräfte zu bündeln, gleichzeitig aber den Kopf nicht zu verlieren: Heraus kam eine kämpferische Glanzleistung, mit der sich die "Wölfinnen" in diese Aufgabe verbissen.
Erste Bayern-Niederlage seit Dezember
Die Spielerinnen des FC Bayern haben hingegen nicht ohne Grund das Double verpasst. Als Mittelfeldspielerin Sarah Zadrazil in die Mixed Zone kam, sah ihr Blick leer aus: "Wolfsburg war aggressiver, bissiger. Es ist echt schade, wir müssen daraus lernen. Als wir alles nach vorne geworfen haben, hätten wir das 1:2 machen müssen."
Doch ohne Anschlusstreffer verlief der Showdown fast spannungsarm - anders als die Mehrzahl der Frauen-Endspiele in Köln-Müngersdorf. Stroot wollte trotzdem "Champions-League-Qualität" gesehen haben.
Sein Gegenüber Alexander Straus wirkte schwer getroffen: "Es kommt am Ende auch darauf an: Willst du agieren oder reagieren." Der Norweger hielt einen minutenlangen Monolog über die Unwägbarkeiten, haderte mit den Ballverlusten und erinnerte sein Team daran, "dass man gegen Wolfsburg nicht zehn klare Chancen" bekommt.
Den 48-Jährigen hatte die erste Hälfte an die unrunden Bayern-Wochen kurz vor Weihnachten erinnert - die erste Niederlage seit einem 0:1 gegen Ajax Amsterdam am 20. Dezember vergangenen Jahres ereilte den Deutschen Meister insofern folgerichtig.
Bayern mit Handbremse, Wolfsburg auf dem Gaspedal
In den feuerroten Trikots standen einige Leistungsträgerinnen neben sich: hinten die fahrige Giulia Gwinn, vorne die wirkungslose Pernille Harder oder die abgemeldete Lea Schüller. Das bunt gemischte Publikum, das sich beim Fan- und Familienfest auf den sonnenüberfluteten Stadionvorwiesen in Stimmung gebracht hatte, wunderte sich, dass allein der Seriensieger aus der Autostadt auf dem Gaspedal stand.
Die Bayern hatten die Handbremse drin - und konnten sie nie wirklich lösen. "Wir haben ein bisschen leer gewirkt", sagte Straus, "wir werden es nächstes Jahr wieder probieren." Seiner Mannschaft fehlte Finalerfahrung, "vielleicht gibt uns das einen Profit für nächste Saison."
Fokus auf Wechslerin Oberdorf
Dann spielt ja auch eine Lena Oberdorf auf dem Bayern-Campus. Die im Sommer bekanntlich gegen eine Rekordablöse nach München wechselnde Mittelfeldspielerin trieb ihr Team unentwegt an, beherrschte das Mittelfeld und drängte immer wieder selbst auf einen Abschluss.
"In so einem Spiel unter dem Fokus, das zeigt etwas", lobte Stroot: "Sie ist weltklasse." Die 22-Jährige wirkte nachvollziehbar extrem erleichtert: "Mir war es umso wichtiger heute zu zeigen, dass ich für den VfL Wolfsburg spiele und da wirklich auch mein letztes Hemd lasse."
Grohs-Fehler bei erstem Tor
Mit dem von ihr verkörperten dominanten, druckvollen und robusten Auftritt des Pokalseriensiegers kam der Liga-Primus vor allem erste Halbzeit überhaupt nicht zurecht. Allerdings half beim 1:0 von Jule Brand Bayern-Torhüterin Maria Luisa Grohs mit. "Ich habe ihn zu spät gesehen. Das war ein blöder Aufsetzer - es ist besser, wenn ich so einen Ball halte", gab Grohs zu.
Brand wunderte sich: "Das war nicht der schönste Schuss, aber irgendwie ist er reingekullert." Straus glaubte hinterher sogar, dass seine Torhüterin "99 von 100 solchen Bällen" parieren würde.
Janssen mit Abschiedsgeschenk
Das 2:0 köpfte nach einer Ecke die freistehende Dominique Janssen und schrie ihre Freude heraus, weil die niederländische Abwehrspielerin sich kein besseres Abschiedsgeschenk vor ihrem Wechsel nach England hätte vorstellen können. "Zieht den Bayern die Lederhosen aus", trällerte die Wolfsburger Fankurve auf der Südtribüne.
Und weil Merle Frohms einen Schüller-Kopfball (58.) stark parierte, hatte auch die VfL-Nationaltorhüterin ihren Anteil, das 50. Pokalspiel in Serie zu gewinnen. Sie erklärte danach: "Wir haben unser Herz in beide Hände genommen." Und deshalb verdient den Pokal in Dauerbesitz.