Kim Kulig übernimmt den FC Basel Immer mehr Trainerinnen im Schweizer Frauenfußball
Kim Kulig übernimmt den FC Basel - in der höchsten Schweizer Frauen-Fußballiga ist jetzt schon die Hälfte der verantwortlichen Coaches weiblich besetzt. Ein Vorbild auch für Deutschland?
Sie ist 33-fache deutsche Nationalspielerin, derzeit Co-Trainerin der Frauen des VfL Wolfsburg und wird ab kommender Saison an der Seitenlinie der FCB-Frauen stehen: Die 33-jährige Kim Kulig wird neue Cheftrainerin beim FC Basel und unterschrieb einen Zweijahresvertrag.
So lautete die Pressemeldung des Topklubs aus der Schweiz, der einen Trend im Schweizer und vor allem auch im deutschen Frauenfußball noch einmal untermauert: Deutsche Trainerinnen gehen über das kleine Nachbarland, wenn sie ihre Karriere an der Seitenlinie vorantreiben wollen. Dort finden sie Jobs in verantwortlicher Position. Viel eher als in ihrem Heimatland.
Co-Trainerin in Wolfsburg - weiter ging es nicht
Nachdem Kulig 2015 ihre Karriere verletzungsbedingt beenden musste, wurde sie Co-Trainerin und anschließend Cheftrainerin der zweiten Equipe des 1. FFC Frankfurt. Sie trainierte dort ein noch sehr junges Team und konnte vielen Nachwuchstalenten beim Schritt zum Profiniveau und in höhere Ligen helfen.
Weiter ging es aber nicht in der ersten Position: 2021 wurde Kulig Assistenztrainerin des deutschen Spitzenklubs und derzeitigen Champions-League-Finalisten VfL Wolfsburg. Mit den "Wölfinnen" schaffte sie es, vergangenes Jahr das Double zu holen. Und nun? Weil sich in Deutschland kein Cheftrainerposten bot, macht Kim Kulig, die über die UEFA-Pro-Lizenz verfügt, im Sommer den Schritt als Headcoach ans Rheinknie.
Schweizer Frauenfußball genießt gestiegene Aufmerksamkeit
Im Schweizer Frauenfußball machten in den vergangenen Jahren stets Servette, der FC Zürich und der FC Basel den Meistertitel unter sich aus. Wer es dieses Jahr schafft, ist noch völlig unklar. In der Schweiz wird nach einer Liga-Hauptrunde ein K.o.-System gespielt: Die besten acht Teams spielen ab einem Viertelfinale in Hin- und Rückspielen die beiden Endspielteilnehmer aus, die in einem reinen Finalspiel den Schweizer Frauenmeister ermitteln.
Der FC Basel - kommender Klub von Kulig - trifft als Sechstplatzierter der Hauptrunde im Viertelfinale auf Grasshopper Zürich. Dort ist seit vergangenem Sommer ebenfalls eine erfahrene deutsche Trainerin am Ruder: Anne Pochert. Neben den mittlerweile in der Schweiz ausgezeichneten Rahmenbedingungen genießt die Deutsche vor allem die gestiegene Aufmerksamkeit an ihrer Arbeit.
Anne Pochert - vom Schatten in Jena ins Rampenlicht von Zürich
Nachdem sie mit Jena in der vergangenen Saison quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus der Bundesliga abgestiegen war, steht sie bei GC im Blickpunkt. Man erwartet von der deutschen Fachfrau in Zürich zumindest mittelfristig nicht weniger als die Schweizer Meisterschaft und den Einzug in die Champions League.
Das ist vor allem deswegen eine aufregende Aufgabe, weil sich der Schweizer Frauenfußball aufgemacht hat, die Nische der Quasi-Bedeutungslosigkeit zu verlassen. Zwar fahren nahezu alle Spielerinnen der ersten Liga noch zweigleisig zwischen Sport und Arbeit, Vollprofis gibt es kaum.
Quantensprünge der Schweizer Liga
Aber die 1. Liga hat sich zuletzt enorm entwickelt: Es gibt mit einem Versicherungskonzern einen Hauptsponsor, zudem überträgt der Schweizer TV-Sender SRG SSR alle Partien entweder im Livestream oder im linearen TV. Tatjana Haenni, bis Dezember vergangenen Jahres Direktorin Frauenfussball im Schweizer Fußballverband (Sfv) findet: "Die Elite-Liga hat in den letzten Jahren Quantensprünge gemacht. Es gibt in den Klubs so viele Spielerinnen mit Nicht-Amateur-Verträgen wie noch nie und es gab so viele Spiele wie noch nie in den Stadien der Super League Klubs.“
Pochert spricht es nicht direkt aus, aber es ist deutlich zu spüren, dass sie sich und ihre Expertise in ihrer Heimat nicht genügend gewürdigt sah. Ganze zwei Cheftrainerposten sind bei den zwölf Frauen-Bundesligisten in Deutschland von Frauen besetzt. In der Schweiz haben bei fünf der zehn Erstligateams Frauen das Sagen auf der Trainerbank. "Das ist schön für den Schweizer Frauenfußball", sagt Pochert im Interview mit dem Bund Deutscher Fußballlehrer (BDFL).
Schweiz - "die Zeichen der Zeit erkannt"
Sie findet aber auch, dass diese Diskrepanz nicht unbedingt für den deutschen Frauenfußball spricht. "Ich denke, dass in der Schweiz im Gegensatz zu Deutschland die Zeichen der Zeit schon erkannt worden sind. Es ist ein wichtiger Schritt, den Mut zu haben, einer Frau auf dieser Position eine Chance zu geben."
Aktuell nutzen neben Pochert drei weitere deutsche Trainerinnen die Aufbruchsstimmung in der Schweiz, um die dortige Topliga sozusagen als Sprungbrett für noch höhere Aufgaben zu nutzen.
Grings führt Schweizer Nationalteam zur WM
Beim aktuellen Tabellenzweiten FC Zürich sitzt die ehemalige Leverkusener Co-Trainerin Jaqueline Dünker auf der Trainerbank, die Frauen des FC Basel werden im Moment noch von der Leipzigerin Katja Greulich trainiert und Young Boys Bern setzt auf die Expertise von Imke Wübbenhorst, die beim BV Cloppenburg 2018 als erste weibliche Trainerin eines männlichen Oberligateams bekannt wurde. Nicht zu vergessen: Mit Inka Grings betreut eine deutsche Ex-Nationalspielerin die Schweizer Frauen-Nationalmannschaft, die im Sommer bei der WM-Endrunde in Neuseeland und Australien dabei ist.
Schweiz-Trainerin Inka Grings
Für Pochert bringt die weibliche Besetzung eines Trainerpostens neben der fachlichen Expertise einen entscheidenden Vorteil mit sich: "Man sieht nicht nur die Qualität der Arbeit, sondern auch, dass Frauen in der Arbeit mit Spielerinnen und jungen Talenten noch mal eine andere Empathie mitbringen." Mit ihrer Arbeit bei den Grasshoppers will sie das beweisen. Kim Kulig hat mit ihrem Team vom FC Basel dann bald ähnliches vor.