Profis treffen auf Amateure Regionalliga - Deutschlands unlogischste Fußball-Spielklasse
Die Fußball-Regionalliga ist in Deutschland in fünf Staffeln unterteilt. Nord, Nordost, West, Südwest und Bayern. In dieser hochdefizitären Spielklasse ist nur eines schwerer als das Überleben: der Aufstieg. Eine Umfrage unter den 90 Vereinen der 4. Liga zeigt: Die Vereine verfolgen zum Teil völlig unterschiedliche Ziele.
Es war ein trüber Spätherbst-Tag, als die DJK Vilzing am 2. November den FV Illertissen am 18. Spieltag der Regionalliga Bayern empfing. Ganze 549 Unentwegte waren ins beschauliche Manfred-Zollner-Stadion gekommen. Diejenigen, die keinen Platz auf der kleinen Tribüne gefunden hatten, saßen auf den klammen Rasenhügeln rund ums Geläuf und sahen eine 0:1-Niederlage der Gastgeber.
Tags drauf empfing ebenfalls in der 4. Liga, aber in der West-Staffel, der MSV Duisburg die Zweitvertretung Borussia Mönchengladbachs. Der Großteil der 15.511 Zuschauer in der großen Duisburger Arena bejubelte den 3:1-Erfolg der "Zebras".
Deutsche Regionalligen - Gegensätze pur
Gegensätze pur. Bei den fünf deutschen Regionalligen von einer heterogenen Situation zu sprechen, ist zweifelsfrei maßlos untertrieben. Es stehen sich regelrecht Fußballwelten gegenüber. Großvereine mit rundum professionellen Strukturen wie der MSV treten auf Augenhöhe an gegen Dorfvereine, wo sich die Spieler im Nebenraum der Vereinsgaststätte umziehen.
MSV Duisburg - Profis in der 4. Liga
Dazwischen stecken noch etliche Zweitvertretungen von Bundesligaklubs, welche die 4. Liga als Ausbildungs- und Verletzten-Reha-Liga betrachten. Sie sind die unbeliebtesten Gegner: Starke Teams, die aber wenig Fans anziehen und selbst eigentlich gar keine mitbringen.
Feierabend-Fußballer spielen gegen Profis
Zum Vergleich: Während Amateurverein Vilzing laut eigener Aussage mit einem Jahresetat von etwa 650.000 Euro für seine Feierabend-Fußballer auskommt, läuft beim MSV Duisburg, bei dem der Etat mindestens fünfmal so hoch liegen dürfte, auf der Geschäftsstelle täglich professioneller Betrieb. Es wird zudem ein Jugend-NLZ unterhalten und die Profis trainieren mitunter zweimal täglich.
Die DJK Vilzing steckt Ende 2024 im Tabellenkeller der Liga, es droht der Abstieg. Und das, nachdem man in der Vorsaison ganz oben mit dabei gewesen war. Es "drohte" im Sommer sogar der Aufstieg in die 3. Liga. Den die DJK allerdings niemals wahrgenommen hätte. "Wir wollen ein Amateurverein bleiben, haben keinerlei Ambitionen, in den Profifußball zu kommen", sagte Sepp Beller, der sportliche Leiter des Klubs. Verständlich. Vilzing, ein Gemeindeteil der Kreisstadt Cham in Ostbayern, hat knapp 500 Einwohner.
RL West | Zuschauer im Schnitt pro Spiel | |
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1. MSV Duisburg | 15.359 | |
18. Eintracht Hohkeppel | 319 | |
RL Südwest | ||
1. Kickers Offenbach | 6.940 | |
18. TSG Hoffenheim II | 221 | |
RL Nord | ||
1. SV Meppen | 5.941 | |
18. Holstein Kiel II | 169 | |
RL Nordost | ||
1. CZ Jena | 7.207 | |
18. SV Eilenburg | 381 | |
RL Bayern | ||
1. SpVg Bayreuth | 2.718 | |
18. Greuther Fürth II | 314 |
Bayern-Viertligisten wollen gar nicht aufsteigen
Die Regionalliga Bayern ist das höchste der Gefühle für den Klub. Mehr will man gar nicht. So geht es einem großen Teil der 18 Vereine in der Bayern-Liga. Vilzing, Illertissen, Hankofen-Hailing, Ansbach, Aubstadt oder Buchbach - Amateurvereine aus der Provinz, die gar nicht nach oben wollen.
Wenn Franz Gerber, Geschäftsführer des FC Rot-Weiß Erfurt, derlei hört, dröhnt ihm der Kopf. Er tritt mit seinem Verein ebenfalls in der 4. Liga an, spielt aber in der Nordost-Staffel. Und die ist mit ostdeutschen Großklubs regelrecht vollgestopft. Neben Erfurt starten dort der Hallesche FC, Lok Leipzig, FSV Zwickau, Carl-Zeiss Jena, Dynamo Berlin, der Chemnitzer FC und, und, und... .
Hauen und Stechen in der Regionalliga Nordost
Sie alle spielen Woche für Woche vor durchschnittlich über 5.000 Zuschauern und hoffen wie ihre große Fangemeinde auf nichts anderes als einen baldigen Sprung heraus aus der Viertklassigkeit. So ist das auch in den Regionalligen West (mit dem MSV Duisburg, RW Oberhausen, Fortuna Köln, Wuppertaler SV und KFC Uerdingen) und Südwest (Kickers Offenbach, Stuttgarter Kickers, Hessen Kassel, FSV Frankfurt, Eintracht Trier).
RW Erfurt - bloß raus aus der 4. Liga...
Die Flucht nach oben ist auch so etwas wie eine Existenzfrage. Denn die 4. Liga ist für die Klubs ein höchst defizitäres Geschäft. Die Spieler trainieren und leben teils wie Profis und werden auch so bezahlt. TV-Gelder aber, die zum Beispiel einen Großteil der Klubetats in 2. Und 3. Liga abdecken, gibt es nicht. "Kein Verein der 4. Liga kann ohne externe Mäzene auskommen", sagt Hajo Sommers, Präsident von Rot-Weiß Oberhausen im Interview mit sportschau.de.
"4. Liga ist ein reines Zuschussgeschäft"
Sommers macht das Ganze schon seit zwölf Jahren mit - so lange krebst sein Klub schon in der ungeliebten Viertklassigkeit herum. "Die 4. Liga ist ein reines Zuschussgeschäft. Die Ausgaben für die Spieler und die Verbandsvorgaben sind immens, Einnahmen gibt es so gut wie keine“, sagt der 66-Jährige.
Verein | Gesamtetat | Spielergehälter |
---|---|---|
RW Oberhausen | 2,4 Mio | 1,15 Mio |
FC Gütersloh | 2,0 Mio | 1,3 Mio |
SV Meppen | 1,7 Mio | 1,0 Mio |
RW Erfurt | 1,2 Mio | 900.000 |
DJK Vilzing | 650.000 | 400.000 |
SC Wiedenbrück | 300.000 | 210.000 |
Lösungsvorschlag: Eine zweigeteilte 3. Liga
Für Franz Gerber aus Erfurt ist die Durchfinanzierung einer Spielzeit Saison für Saison Nervensache: "Man hat schlaflose Nächte. Die Finanzierung des Spielbetriebs ist Jahr für Jahr ein Kraftakt", stöhnt der Ex-Profi, der in den 70ern selbst als Torjäger Fans von St. Pauli, Wuppertal und 1860 München in Stimmung brachte.
Wie könnte eine Lösung aussehen? Gerber würde schon eine Änderung für die 3. Liga anstoßen: "Eine zweigeteilte 3. Liga, die dazu führt, dass Vereine wie wir bundesweit vertreten sind und man so im Bundesgebiet mehr wahrgenommen wird, wäre sinnvoll." Unter dieser zweigeteilten 3. Liga könnte sich das Ligensystem, wie bislang, auf fünf Regionalligen aufteilen. Auch für Sommers wäre das eine Lösung - er findet aber auch: "Die zweiten Mannschaften der Profiklubs müssten aus der Liga verschwinden."
Schlaflose Nächte bei den Vereins-Verantwortlichen
Es ist eine müßige Frage, wie viele der 90 Regionalligisten permanent sogar von der Insolvenz bedroht sind. Die meisten Klubs hielten sich bei der Sportschau-Umfrage bedeckt, was ihre Einnahmen und Ausgaben betrifft. Offen sprach Nord-Ligist VfB Lübeck, der im Sommer eine Insolvenz so gerade eben noch hatte abwenden können. "Schlaflose Nächte ist ein ganz gutes Stichwort“, sagt Klub-Sprecher Max Lübeck. "Nur aufgrund einer beeindruckenden Wucht der Solidarität unserem Verein gegenüber, die mit zahlreichen Spenden auf den unterschiedlichsten Wegen und aus verschiedensten Ländern verbunden war, konnten wir eine Liquiditätslücke schließen und unseren Spielbetrieb sichern."
VfB Lübeck - knapp der Insolvenz entronnen
Felix Koppe vom Nordost-Ligisten VfC Plauen drückt den Traum von einem soliden finanziellen Fundament so aus: "Wir wissen, dass wir für eine sportliche Wettbewerbsfähigkeit und Struktur noch mindestens 100.000 Euro mehr ausgeben müssten. Dementsprechend rattern bei uns die Köpfe, wie wir finanzielle Mittel besorgen können, um diese Bedingungen irgendwann bieten zu können."
Aufstieg: Vier Aufsteiger aus fünf Ligen
Ein Ausweg wäre natürlich: Aufstieg in Liga drei. Und damit verbunden 1,3 Millionen Euro TV-Einnahmen. Aber genau dies ist das Problem: Es kann eben nur einer aufsteigen pro Spielzeit. Und das stimmt noch nicht einmal wirklich. Aus den insgesamt fünf Regionalligen in Deutschland können nur vier Teams letztlich hoch in die 3. Liga.
Die Aufstiegsregelung hat es in sich: Seit der Saison 2020/21 erhalten die Regionalligen West und Südwest jeweils einen festen Direktaufsteiger. Ein weiterer direkter Aufstiegsplatz wird nach einem Rotationsprinzip zwischen den Regionalligen Nord, Nordost und Bayern vergeben. Die Vertreter der beiden jeweils verbleibenden Regionalligen ermitteln in Playoffs mit Hin- und Rückspiel den vierten Aufsteiger. Eine Regelung, die bei eigentlich allen beteiligten Vereinen für Kopfschütteln sorgt.