FIFA WM 2022 Iran - Kritische Fans bedrängt, Spieler unter Druck gesetzt
Irans Spieler haben vor dem Spiel gegen die USA bei der WM in Katar die Hymne des Landes mitgesungen. Den Familien der Spieler soll mit Folter und Haft gedroht worden sein. Kritische Fans wurden im Umfeld des Spiels bedrängt.
Haft und Folter gegen Angehörige der Spieler stünden im Raum, wenn diese sich bei der WM nicht "benehmen" würden, berichtet der amerikanische Sender "CNN" unter Berufung auf Sicherheitskreise im Umfeld der WM-Spiele. Sollten sich die Spieler einem politischen Protest gegen das Regime anschließen oder erneut die Hymne nicht mitsingen, müssten Angehörige solche Konsequenzen fürchten.
Nachdem die Spieler beim 2:6 gegen England kollektiv stumm blieben, sangen sie im zweiten Spiel beim 2:0-Sieg gegen Wales und auch in der Partie gegen die USA geschlossen mit. Irans Kapitän solidarisierte sich bei einer Pressekonferenz vor dem ersten Spiel mit den landesweiten Protesten gegen das Regime im Iran. Das Spiel am Dienstagabend gegen die USA war ohnehin politisch aufgeladen.
5.000 regimetreue Iraner in Katar
ARD-Korrespondentin Katharina Willinger berichtete im Mittagsmagazin, dass in Katar angeblich 5.000 dem Regime nahestehende Personen in Katar vor Ort sind, um kritische Fans - beispielsweise im Ausland lebende Menschen aus dem Iran - zu beobachten und zu beeinflussen. Und sie sollen Listen mit Namen von Fans erstellen, die Kritik äußern.
Mann von vermeintlichen iranischen Fans bedrängt
Nach dem Spiel gegen die USA wollte ein Fan einem TV-Sender ein Interview geben. Der Mann trug ein T-Shirt mit der Aufschrift "Women! Life! Freedom!" ("Frauen, Leben, Freiheit!") und kam nicht dazu, zu sprechen. Er wurde massiv von umstehenden vermeintlichen iranischen Fans, die die Landesflaggen trugen, bedrängt und angegriffen.
Zuvor gab es im Stadion kleine Zeichen des Protests: Ein Fan hielt eine iranische Flagge mit herausgeschnittenem National-Emblem hoch. Ein Fan soll daran gehindert worden sein, ein Plakat mit dem Namen Mahsa Amini hochzuhalten. Ein anderer Fan trug ein Trikot mit dem Namen Mahsa. Schon vor dem Spiel war es zu Auseinandersetzungen gekommen, ein Fan sollte Bilder von Amini abgeben - bei katarischen Sicherheitskräften.
Kritische Fans aus dem Stadion entfernt
Katarische Behörden sollen vielen Berichten zufolge ohnehin eingreifen: Bei einem der beiden anderen Spiele wurden kritische Fans aus dem Stadion entfernt. Einige Fans berichten demnach von Befragungen durch katarische Behörden. Korrespondentin Willinger berichtete in der Sportschau außerdem, dass das Regime den Sieg gegen Wales für Siegesfeiern nutzte und gleichzeitig Demonstrierende an anderen Orten erschießen ließ.
Ein Mann hält Iran-Flagge mit herausgeschnittenem Nationalemblem hoch
Proteste seit dem Tod einer Frau nach Polizeigewahrsam
Seit die Kurdin Mahsa Amini am 16. September wegen eines falsch getragenen Kopftuchs ("Hijab") von der sogenannten Sittenpolizei festgenommen worden war und später im Krankenhaus starb, wird in vielen Städten des Iran protestiert, die Einsatzkräfte des Regimes gehen mit großer Härte gegen die Menschen vor.
Die Nichtregierungsorganisation Iran Human Rights zählte bis zum 19. November 448 Tote, darunter 60 Kinder und 29 Frauen, dabei geht die Organisation davon aus, dass die tatsächliche Zahl höher ist.
Frau trägt Iran-Trikot in Andenken an Mahsa Amini
"Zan, zendegi, azadi" - "Frau, Leben, Freiheit!"
Der Sport spielt bei den Protesten im Iran eine große Rolle. Zahlreiche Sportlerinnen entledigten sich ihres Hijabs, ein Kopftuch, das im Iran vorgeschrieben ist - mit teils drastischen Folgen wie bei der Kletterin Elnaz Rekabi. Viele männliche Sportler zeigten Gesten der Solidarität mit den Frauen, die für mehr Rechte kämpfen. Der Slogan der Protestierenden wie bei einigen Fans im Stadion: "Zan, zendegi, azadi" ("Frau, Leben, Freiheit!").
FIFA lässt angeblich Protest-Unterstützung zu
Der Nachrichtenagentur AFP zufolge soll diese Praxis beendet werden. Nach eigenen Angaben lässt die FIFA nun bestimmte Zeichen der Unterstützung für die Proteste im Iran zu. "Die FIFA erlaubt Botschaften zur Förderung der Menschenrechte, und die Position der FIFA ist, dass 'Frau, Leben, Freiheit' oder der Name oder das Porträt von Mahsa Amini in den Stadien zugelassen sind", heißt es in einer Antwort auf eine Meldung über die Beschwerdeplattform der FIFA.
Fan mit Regenbogenbinde und Journalist festgehalten
Erneut kam es zu einem Zwischenfall für einen Fan, der das Regenbogensymbol auf einer Armbinde in Unterstützung der LGBTQIA+-Community zeigen wollte. Er wurde von Polizeikräften festgehalten, konnte aber später das Spiel sehen.
Der dänische Journalist Rasmus Tantholdt, der den Vorfall gefilmt hatte, meldete sich nach dem Spiel bei Twitter: Er sei wegen des Filmens von der katarischen Polizei in Gewahrsam genommen worden. Wenig später habe man ihn wieder gehen lassen. Er sei gebeten worden, die Bilder zu löschen, was er verweigert habe.