Cristian Romero (l.) im Zweikampf mit Nathaniel Brown
analyse

Verdientes Remis in Tottenham Frankfurter Grünschnäbel reifen auf der großen Bühne

Stand: 11.04.2025 09:48 Uhr

Eintracht Frankfurt schafft bei Tottenham Hotspur einen weiteren Entwicklungsschritt und geht als leichter Favorit ins Viertelfinal-Rückspiel. Vor dem Highlight-Spiel wartet aber erst einmal viel Arbeit für den Kopf.

Von Mark Weidenfeller aus London

Wer wissen will, wie sich Fußball als Highend-Event anfühlt, sollte ein Heimspiel von Tottenham Hotspur besuchen. Die Beschallung und die Lichter-Show in der eine Milliarde Pfund teuren Arena erinnert an große Konzerthallen. Sobald die Fans vor Anpfiff die Hymne "When the Spurs go marching in" singen, zücken selbst die größten Nostalgiker ihre Smartphones und filmen mit. Die insgesamt vier überdimensional großen Leinwände in jeder Stadionecke vervielfachen die ohnehin markanten Eindrücke zusätzlich. Alles in allem: eine sehr beeindruckende Kulisse.

Eintracht bietet Tottenham die Stirn

Warum das alles wichtig ist? Weil die immer noch sehr junge Mannschaft von Eintracht Frankfurt diese Begleitumstände am Donnerstagabend (fast) komplett ausblendete und sich völlig verdient eine sehr gute Ausgangslage für das Viertelfinal-Rückspiel in der kommenden Woche in Frankfurt erarbeitete. Die Eintracht, die durch Hugo Ekitiké früh in Führung gegangen war, wackelte zwischendurch zwar bedenklich und kassierte den folgerichtigen Ausgleich durch Pedro Porro (26.). Dass die Hessen das wütende Anrennen der Gastgeber überstanden und sich das 1:1 redlich verdienten, ist ihnen aber hoch anzurechnen.

"Wir haben wenig Erfahrung mit solchen Spielen, ich bin sehr stolz", sagte Trainer Dino Toppmöller völlig zu Recht. Für Profis wie Jean-Matteo Bahoya (19 Jahre), Hugo Larsson (20), Nathaniel Brown (21) oder Torhüter Kaua Santos (21) war das Duell mit den Spurs definitiv das bisherige Karriere-Highlight. Dass selbst Kapitän und Haudegen Robin Koch noch nie in einem internationalen Viertelfinale stand, verdeutlicht die Grünschnäbeligkeit der Eintracht zusätzlich. "Wir wachsen mit unseren Aufgaben" so Toppmöller. Die Eintracht wird zunehmend erwachsen.

Glück, Geschick, Kaua Santos

Zwar war vor allem Bahoya, der den verletzten Ansgar Knauff auf der rechten Seite mehr schlecht als recht vertrat, der Druck durchaus anzumerken. Auch gegen die Spurs wurde zudem wieder einmal sehr deutlich, dass die Frankfurter Offensive ohne Omar Marmoush zwei Klassen harmloser und viel einfacher auszurechnen ist. Und angesichts von zwei Lattentreffern (55./57.) und zahlreichen Santos-Glanzparaden ist auch eine gehörige Portion Dusel nicht von der Hand zu weisen. "Mit Glück, Geschick und Kaua Santos haben wir das gut überstanden", fasste Toppmöller ehrlich zusammen.

Klar ist: Das Spiel hätte mit Sicherheit auch anders ausgehen können, der Druck der Londoner wuchs vor allem im zweiten Durchgang extrem an. Insgesamt zeigte die Eintracht fünf Tage nach dem kollektiven Aussetzer bei Werder Bremen aber eine sehr reife Leistung, wies Tottenham in den entscheidenden Aktionen in die Schranken und unterstrich so ihre Final-Ambitionen. "Solche Spiele geben dir Selbstvertrauen, so erreichst du die nächste Stufe", betonte Toppmöller. Die Entwicklung der Eintracht geht immer weiter.

Hellmann erinnert ans Kerngeschäft

Ein Punkt, den Vorstandssprecher Axel Hellmann am Donnerstag schon weit vor der Partie in einer Medienrunde hervorgehoben und richtig prognostiziert hatte. Im Gegensatz zu den Jahren 2019 oder 2022, in denen die Eintracht in Europa für Furore sorgte, dabei aber völlig das Alltags-Geschäft in der Liga vernachlässigte, habe die Mannschaft inzwischen das Zeug für gleichzeitige Erfolge in mehreren Wettbewerben. "Wir sind in der Lage, auf zwei Hochzeiten zu tanzen", so Hellmann. Die Frankfurter Wunsch-Musik läuft in der Europa League und der Bundesliga weiter auf voller Lautstärke.

Damit das so bleibt, muss nicht nur im "sehr aufregenden Spiel gegen Tottenham am kommenden Donnerstag" (Arthur Theate) eine ähnliche Leistung wie an der White Hart Lane her. Die vor allem für den Kopf viel kompliziertere Aufgabe wartet für die Eintracht bereits am Sonntag (17.30 Uhr) im Heimspiel gegen den 1. FC Heidenheim. Die Hessen, die noch immer Dritter sind, können sich einen weiteren Ausrutscher nicht mehr erlauben und stehen unter Druck. Dass Trainer Toppmöller auf der Pressekonferenz am späten Donnerstagabend gleich dreimal ungefragt selbst an das Frankfurter Kontrastprogramm gegen Heidenheim erinnerte, ist ein klares Zeichen. Die Eintracht-Verantwortlichen meinen es ernst.

So schön die Europa League und der Traum von einem erneuten Endspiel in Spanien auch sind, nach der Reifeprüfung in Tottenham wartet nun die Reifeprüfung gegen die Mannschaft von der Ostalb. Viel kleinerer Name, viel unattraktiverer Gegner, unglaublich große Fallhöhe. "Ich weiß genau, was das für ein Spiel wird, da gibt es keinen Platz für Naivität", unterstrich Hellmann. "Wir haben die Chance auf die Champions League, diese Chance wollen wir nutzen." Ausrutschen ist gegen Heidenheim also strengstens verboten.

Krösche: "Jetzt haben wir alle Möglichkeiten"

Gefeiert wird später

Und so blieb auch Trainer Toppmöller nach dem aufregenden und teilweise sehr wilden Abend bei den Spurs am Donnerstagabend nichts anderes übrig, als direkt wieder in den Bundesliga-Modus zu switchen. Noch in der Nacht startete die intensive Analyse des kommenden Bundesliga-Gegners, nach der Rückkehr nach Frankfurt am Freitag dann auch die sportliche Vorbereitung.

"Wir machen jetzt das Buch hier erstmal zu, am Sonntag steht Heidenheim an", schloss Toppmöller seine Ausführungen ab. Eine größere Diskrepanz kann es wohl nicht geben, Zeit zum Genießen bleibt ohnehin nicht. Auf die junge Eintracht wartet direkt die nächste große Herausforderung, dieses Mal mit etwas weniger Brimborium.