Südafrika, Nigeria und Marokko ausgeschieden Historische Erfolge und großer Ärger für Teams aus Afrika
Mit dem Achtelfinal-Einzug haben Nigeria, Südafrika und Marokko aufblitzen lassen, welches Potenzial im afrikanischen Fußball liegt. Doch das bleibt oft ungenutzt. Aus dem Südosten Afrikas drängt unterdessen ein neuer Player auf die Bühne.
So viel afrikanische Power gab es noch nie: Mit Nigeria, Südafrika und Marokko schafften es bei der WM in Australien und Neuseeland drei afrikanische Teams in die K.o.-Runde. Zwar scheiterten alle drei Teams, Nigeria dramatisch im Elfmeterschießen gegen England, Südafrika umkämpft gegen die Niederlande und Marokko deutlich gegen Frankreich – doch Patrice Motsepe, Präsident des afrikanischen Fußballverbandes, war sich bereits vor den Achtelfinals sicher: "Die Zukunft des afrikanischen Fußballs ist glänzend."
Viel Potenzial bleibt ungenutzt
Um präzise zu sein, müsste Milliardär Motsepe wohl sagen: "könnte glänzend sein". Denn die WM-Teams aus Afrika schöpfen ihr großes Potenzial nach wie vor nicht aus. Das liegt zum einen an internen Querelen und mutmaßlich an Korruption und zum anderen daran, dass hoffnungsvolle Förderprogramme erst langsam zu greifen beginnen.
Südafrika: Spielerinnen streiken kurz vor dem Turnier
Wie groß die Diskrepanz zwischen eigenen Möglichkeiten und der Realität ist, dürfte Motsepe sehr gut wissen. Denn der südafrikanische Geschäftsmann selbst entschärfte einen Streit zwischen Südafrikas Fußballerinnen und dem eigenen Verband, der sich vor der WM zu einem handfesten Skandal hätte entwickeln können.
Die Spielerinnen gingen vor den Titelkämpfen kollektiv in den Streik: Weil der Verband das letzte Testspiel vor der WM in einem kleinen Stadion außerhalb Johannesburgs spielen ließ, das nicht gut genug für Liga-Spiele der Männer ist.
Und vor allem, weil der Verband, der sich für die Frauen-WM 2027 bewirbt, Prämienforderungen des WM-Teams ablehnte. Das Testspiel gegen Botswana wurde so ausschließlich mit Nicht-WM-Spielerinnen gespielt und 0:5 verloren. Den Streik beendete schließlich Motsepe mit einer Zahlung von 320.000 Dollar aus seiner privaten Stiftung an das gesamte 23-köpfige Team.
Coach Ellis: "Das ist nicht akzeptabel"
Die knapp 14.000 Dollar für jede Spielerin können die größeren Probleme aber nicht verdecken: Der amtierende Afrikameister Südafrika spielt mit einer halb-professionellen Liga. "Einige unserer Spielerinnen haben einen 9-to-5-Job und gehen dann zum Training. Das ist nicht akzeptabel", schimpfte Südafrika-Trainerin Desiree Ellis nach dem Ausscheiden gegen die Niederlande und wandte sich an Verband und potenzielle Sponsoren: "Ich weiß nicht, wie ihr uns ignorieren könnt. Ich weiß nicht, wie ihr uns nicht unterstützen könnt, die Leiter weiter zu erklimmen."
Marokko: Förderung vom König
Anders als Südafrika investiert Marokko sehr viel in den Frauen-Fußball. König Mohammed VI. persönlich steht hinter einem speziellen Förderprogramm für den Frauen-Fußball, das allein in den vergangenen vier Jahren 20 Millionen Dollar in die Entwicklung des Frauenfußballs gesteckt hat.
Frauen und Männer sollen gleichberechtigt gefördert werden und Trainingseinrichtungen nutzen dürfen. Als Ausrichter des Afrikacups 2022 sahen mehr als 50.000 Zuschauer das Finale zwischen Marokko und Südafrika.
"Marokko ist die nächste Superkraft aus Afrika", äußerte sich Südafrikas Stürmerstar Thembi Kgatlana bereits vor dem Turnier mit viel Respekt. Die ersten großen Erfolge waren der Finaleinzug im Afrika-Cup 2022, die WM-Qualifikation 2023 und dann gleich der Achtelfinal-Einzug als einziger der acht WM-Debütanten. Von Platz 72 in der Weltrangliste wird Marokko nach der WM einen gewaltigen Sprung nach vorn machen.
"Das war erst der Anfang"
"Ich hoffe, wir haben Marokko und die gesamte arabische Welt stolz gemacht", sagte Teamkapitänin Ghizlane Chebback nach dem Ausscheiden gegen Frankreich. Die in der Schweiz spielende Elodie Nakkach blickt bereits in die Zukunft: "Das ist nur der Anfang für Frauenfußball. Wir hoffen auch, dass sich die Mentalität ändert und, dass noch viel mehr Frauen den Zugang zum Fußball und anderen Sportarten finden werden."
Nigeria: Viele Talente - viele Fehler
Das größte Potenzial aller afrikanischen Teams dürfte Nigeria haben. Die Spielerinnen des 230-Millionen-Staates aus Westafrika schockten Mit-Gastgeber Australien erst mit einem 3:2 Sieg und eroberten dann viele Herzen durch ihren couragierten Auftritt im Achtelfinale gegen England.
Fast das gesamte Team um Barcelona-Star Asisat Oshoala spielt in internationalen Top-Ligen in Spanien, Frankreich oder England. Jungen Spielerinnen wie Angreiferin Rasheedat Ajibade (23), Mittelfeldspielerin Christy Ucheibe (22) oder Abwehrspielerin Blessing Demehin (21) wird eine große Zukunft vorhergesagt.
Doch auch hier trüben allerlei Randgeräusche die Freude über das Spiel der Nigerianerinnen. Eine gemeinsame Vorbereitung auf die WM setzte der Verband NFF gar nicht erst an, jede Spielerin sollte sich individuell auf das Turnier vorbereiten. Sehr öffentlichkeitswirksam ausgetragen wurde vor den Titelkämpfen ein Disput zwischen Nationaltrainer Randy Waldrum und dem Verband.
Der US-amerikanische Coach hatte sich über schlechte Reiseorganisation, ausstehende Prämienzahlungen und generell kaum wahrnehmbare Unterstützung durch die NFF beklagt. Vom Medienchef des Verbandes, Ademola Olajire, wurde Waldrum daraufhin als "inkompetentes Großmaul" bezeichnet.
Co-Trainerin darf nicht zu WM
Waldrums Co-Trainerin Lauren Gregg durfte gar nicht erst nach Australien reisen. Die langjährige frühere Assistentin von Team USA wertete dies als Ausdruck des Dissens zwischen Fußballverband und Trainerteam und als Sanktion. Ob Waldrum und Gregg auch über die WM hinaus als Trainer für Nigeria arbeiten dürfen, ist unklar.
Spielergewerkschaft unterstützt Nigerianerinnen
Die nigerianischen Spielerinnen bekommen aber Unterstützung durch die Spielergewerkschaft. Die Fifpro teilte am Dienstag (08.08.2023) mit, man unterstütze die Fußballerinnen bei der Forderung nach Zahlung ausstehender Gehälter und Prämien. Diese sollen teilweise seit 2021 nicht vollständig gezahlt worden sein. Ruhe wird im nigerianischen Team also vermutlich erst einmal nicht einziehen.
Tansania: Neuer Stern am Frauen-Himmel?
Und mit Tansania drängt ein neuer Player im Frauenfußball auf die Bühne. Im vergangenen Jahr qualifizierte sich die U17 des Landes erstmals für die Weltmeisterschaft, und schaffte es bis ins Viertelfinale. "Wir haben einen strategischen Plan", erklärte Tansania-Coach Bakari Shime nach dem Ausscheiden der britischen BBC: "In den kommenden Jahren sollen alle unsere Nationalteams an allen wichtigen afrikanischen und internationalen Wettbewerben teilnehmen." Denn, so der 53-Jährige: "Der Frauenfußball bietet uns die Möglichkeit, auf höchstem Niveau zu spielen. Daher verlagern wir unsere Prioritäten auf ihn."
"Fußball ist jetzt ein Job für Frauen"
Im fünfgrößten Land Afrikas wurde eine eigene Liga etabliert, ein Sponsor gibt seit 2018 Geld, mit den "Simba Queens" schaffte es 2022 erstmals ein Team aus Tansania in die afrikanische Champions League. Die heimische Liga soll vor allem Profis aus der Region anziehen. "Fußball ist jetzt ein Job für Frauen und Spielerinnen können damit ihre Familien unterstützen. Das ist etwas, das es früher nie gab", sagt Edna Lema, die für Tansanias Women's Premier League arbeitet, der BBC.
"Jedes Mädchen wird an Fußball denken"
Auf einige Erfolge können Tansanias Fußballerinnen bereits zurückblicken: 2021 gewann das Frauen-Team die COSAFA Championship, eine Meisterschaft für Teams aus dem Süden Afrikas. Im Jahr 2022 wurde das Nationalteam Dritter. "Wir sind an einem Wendepunkt. Wenn man erstmal Erfolg hatte, möchte man immer mehr", erklärte Shime nach der WM-Teilnahme seines U17-Teams. "Jedes Mädchen in Tansania wird jetzt daran denken, Fußball zu spielen".
Nächste Ziele seien die Olympischen Spiele und die Qualifikation für die Frauen-WM. Möglich, dass 2027 noch ein weiteres afrikanisches Team für Überraschungen sorgt.