Champions-League-Finale Kroos bei Real Madrid - zum Abschied die ganz große Bühne
Das letzte Vereinsspiel in der Karriere von Toni Kroos ist ein Champions-League-Finale (Heute ab 21 Uhr live in der Radio-Reportage und im Ticker bei der bei Sportschau). Wie passend. Über einen, bei dem das Schwere leicht aussieht - und der doch manchmal missverstanden wird.
Vor einigen Tagen hat der Bundestrainer Julian Nagelsmann über ein Bild gesprochen, das ihn beeindruckt hat. Er meinte kein Gemälde von Claude Monet und kein Graffiti von Banksy. Er sprach über ein Foto, das Real Madrid kürzlich gepostet hat. Im Hintergrund war ein Teil des Stadions zu sehen, auf dem Rasen war ein Podest aufgebaut, darauf standen all die Pokale, die Toni Kroos mit dem Klub gewonnen hat. Kroos war natürlich auch da. Er hatte einen Arm um den Präsidenten Florentino Pérez gelegt.
Das Bild, sagte Nagelsmann, sei ihm in Erinnerung geblieben. Wie Kroos da stand, mit den "48.000 Pokalen, die er gewonnen hat", das habe ihn schon beeindruckt. Kroos, 34, hat zehn Jahre für Real Madrid gespielt, er hat in dieser Zeit einige Titel gewonnen. Es waren nicht ganz 48.000, aber immerhin 22.
Kroos geht als "Leyenda", als Legende
Viermal haben Kroos und Real zusammen die Champions League gewonnen, das waren die ganz großen Erfolge. Ein fünfter Titel in der "Königsklasse" könnte hinzukommen, wenn Madrid am Samstag (01.06.2024, ab 20.50 Uhr in der Radio-Reportage und im Live-Ticker) gegen Borussia Dortmund spielt. Kroos wird dann zum 465. Mal in einem Pflichtspiel für Real auflaufen. Es wird auch ein Abschied.
Kroos wird im Sommer seine Karriere beenden. Nach dem Champions-League-Finale steht für ihn noch die Europameisterschaft an. Dann ist Schluss. Real Madrids Trainer Carlo Ancelotti hat noch versucht, ihn umzustimmen, aber keine Chance. "Er ist Deutscher", sagte Ancelotti. "Es ist nicht so einfach, ihn zu überzeugen, seine Meinung zu ändern."
Am Wochenende hat Kroos in La Liga ein letztes Mal in Madrid gespielt, die Fans würdigten ihn als "Leyenda", als Legende. Ancelotti nannte ihn einen "der besten Mittelfeldspieler in der Geschichte des Fußballs".
Kroos kann Sachen, die andere nicht können
Kroos also hört auf, für Real ist das ein Verlust. Er ist im Mittelfeld die zentrale Figur - nicht nur wegen seiner Position. Keiner ist bei Real öfter am Ball als er, seine Passquote liegt seit vielen Jahren konstant bei über 90 Prozent. Er spielt viele kurze Pässe, auch die langen landen eigentlich immer bei einem Mitspieler. Manchmal überbrückt er so das halbe Spielfeld. Das ist eine seiner Stärken, ein Alleinstellungsmerkmal ist es nicht. Fußballer auf allerhöchstem Niveau können sowas. Doch Kroos kann Sachen, die andere nicht können.
"Er gibt das Tempo vor"
Hinter Kroos spielt in ziemlicher Regelmäßigkeit Antonio Rüdiger als einer von zwei Innenverteidigern. Rüdiger, 31, hat von dort aus beobachten können, welchen Einfluss Kroos auf den Fußball seiner Mannschaft hat. Real Madrid, so sieht Rüdiger das, sei wie ein Orchester. Es gebe viele Menschen, die es beim Spielen eines Instruments zu einiger Finesse gebracht hätten. Aber es gebe nur einen Dirigenten. Das sei Kroos, er leite das Orchester. "Er gibt das Tempo vor."
So wie Rüdiger sehen das viele in Spanien. Der Brasilianer Casemiro war im Mittelfeld von Real Madrid viele Jahre der Mann an der Seite von Luka Modric und Kroos. Er hielt den Strategen den Rücken frei. Er hat einmal gesagt: "Spiele von Real Madrid folgen immer dem Rhythmus von Toni Kroos."
Was Casemiro und Rüdiger meinen, sind die Dinge, bei denen man genau hinschauen muss. Sie machen den Unterschied. Kroos erkennt Räume, wo andere nur Gegenspieler sehen. Fehler macht er selten. Er nimmt das Tempo heraus, wenn das notwendig ist. Er zieht das Tempo an, wenn sich dadurch Vorteile ergeben. Das sieht so einfach aus - und ist doch so schwer. Nicht alle haben das verstanden.
"Querpass-Toni": Kroos ist manchmal missverstanden worden
In Deutschland nannten sie Kroos manchmal "Querpass-Toni", weil ihm die Risikoabwägung ein Anliegen war. Im Zweifel schlug Kroos den Ball nicht lang nach vorne, dann spielte er eben quer. Auch Uli Hoeneß störte sich daran. Einmal, als Deutschland bei der EM 2020 im Achtelfinale ausgeschieden war, sagte Hoeneß im "Sport1-Doppelpass", Kroos habe immer nur Querpässe gespielt und nie auch nur einen Gegner ausgedribbelt. "Er hat in diesem Fußball nichts mehr verloren."
Der Traum vom "perfekten Ende"
Es war tatsächlich nicht das beste Spiel in der Karriere von Toni Kroos, überhaupt war es nicht sein Turnier. Doch in einer Mannschaft voller Spieler, die unter ihren Möglichkeiten blieben, war er sicher nicht die einzige Enttäuschung. Später trat Kroos aus der Nationalmannschaft zurück - ehe ihn Nagelsmann von einer Rückkehr überzeugte.
Nun ist Kroos zurück in der Nationalmannschaft und ein Hoffnungsträger für die Europameisterschaft in Deutschland. Er ist Weltmeister geworden, das war 2014. Eine EM hat er noch nicht gewonnen. Doch noch ist Kroos nicht bei der Nationalmannschaft, er bereitet sich auf sein letztes Spiel für Real Madrid vor: das Champions-League-Finale gegen den BVB. "Wir spielen nicht weniger als das wichtigste Spiel im Klubfußball in ein paar Tagen", sagte Kroos. Es gehe jetzt nur darum, "ein Fußballspiel zu gewinnen".
In Madrid hofft derweil nicht nur der Trainer Ancelotti, dass noch einmal alles wie immer sein wird. Dass Kroos den Rhythmus vorgeben wird, dass er kurze Pässe spielt und manchmal lange. Dass andere bei Real Tore erzielen, vielleicht Vinicius Junior oder auch Jude Bellingham. Dann hätten sie eine gute Chance, ihren Dirigenten Toni Kroos mit einem Sieg auf ganz großer Bühne zu verabschieden. Ancelotti sagt: "Das wäre ein perfektes Ende."