Champions-League-Halbfinale Kroos bei Real Madrid - Dirigent eines königlichen Orchesters
"Er gibt das Tempo vor": Toni Kroos ist bei Real Madrid gesetzt, immer noch. Im Halbfinal-Hinspiel der Champions League gegen den FC Bayern wird es auch auf ihn ankommen, auf seine Pässe und Ideen. Und auf seine Ruhe am Ball.
In den Tagen vor dem Halbfinal-Hinspiel in der Champions League gegen den FC Bayern München (Dienstag, 30.04.2024, ab 21 Uhr im Live-Ticker und im Audio-Livestream) hat Antonio Rüdiger dem Sender "Sky" ein Interview gegeben. Er sprach darin über Harry Kane, der sehr wahrscheinlich sein Gegenspieler sein wird. Er sagte: "Ich lebe für diese Duelle." Rüdiger sprach auch über einen Fußballer, der einst in München spielte und heute das Spiel von Rüdigers Arbeitgeber Real Madrid ordnet. Er sprach über Toni Kroos.
Real Madrid, so sieht Rüdiger das, sei wie ein Orchester. Es gebe viele Menschen, die es beim Spielen eines Instruments zu einiger Finesse gebracht hätten. Aber es gebe nur einen Dirigenten. Das sei Kroos, er leite das Orchester. "Er gibt das Tempo vor."
Zum Abschied nur sechs dürre Zeilen
Kroos, 34, spielt schon so lange für Real Madrid, dass die Geschichten über seine Zeit in der Bundesliga fast ein wenig in Vergessenheit geraten sind. Wie Kroos mit 17 für den FC Bayern debütierte und in 18 Minuten gegen Energie Cottbus gleich mal zwei Tore vorbereitete. Wie er mit 19 nach Leverkusen ausgeliehen wurde und dort nicht nur mit Toren und Vorlagen überzeugte. Wie er mit 20 zu den Bayern zurückkehrte und Stammspieler wurde.
Nur das Ende seiner Zeit in München war kein schönes. Über einen neuen Vertrag wurden sich Kroos und die Bayern nicht einig. Trainer war damals Pep Guardiola, er soll überhaupt nicht einverstanden gewesen sein, als der Klub Kroos deshalb im Sommer 2014 an Real Madrid verkaufte. Zum Abschied verschickte der FC Bayern eine Pressemitteilung, sie war nur sechs Zeilen lang.
Von einem "Titanic-Signal" spricht heute keiner mehr
Für Real Madrid hat Kroos in bald zehn Jahren 459 Pflichtspiele bestritten, in denen er 28 Tore erzielte und 96 Treffer vorbereitete. Mit den "Königlichen" hat er 21 Titel gewonnen. Sie wurden dreimal gemeinsam Meister und holten viermal die Champions League. Ein fünfter Champions-League-Titel mit Real ist möglich, doch der Weg zum Endspiel nach London führt Kroos zunächst zurück nach München.
Womöglich wird es am Rande des Spiels zum Wiedersehen mit Uli Hoeneß kommen. Als Kroos die Bayern verließ, hatte er zuvor auch mit Hoeneß verhandelt, damals Präsident. Heute ist Hoeneß, 72, nur noch Ehrenpräsident, aber Einfluss hat er noch immer. Als vor einigen Monaten Gerüchte über eine mögliche Rückkehr von Kroos in die Nationalmannschaft aufkamen, nannte Hoeneß das ein "Titanic-Signal". Er ist mit diesen Worten oft zitiert worden.
Kroos spielt nun tatsächlich wieder für Deutschland, der Bundestrainer Julian Nagelsmann hat ihn vor der EM von einem Rücktritt vom Rücktritt überzeugt. Im März hat er Kroos bei den Testspiel-Erfolgen gegen Frankreich und die Niederlande im defensiven Mittelfeld eingesetzt. Kroos bereitete in beiden Spielen jeweils ein Tor vor, und auch sonst war er oft am Ball. Er verlor ihn selten, oft hatte er kluge Einfälle. Von einem "Titanic-Signal" spricht heute keiner mehr.
Madrids Trainer Ancelotti sagt: Kroos ist einer wie keiner
In Madrid wird das niemanden verwundern. Der Trainer Carlo Ancelotti verzichtet ungern auf Kroos, er tut das höchstens in Ausnahmefällen und nur dann, wenn das Ergebnis nicht entscheidend ist für den Ausgang einer ganzen Saison. Am Wochenende saß Kroos gegen Real San Sebastian tatsächlich auf der Bank. Die Meisterschaft ist Madrid kaum noch zu nehmen, also gönnte Ancelotti ihm eine Pause. Das Orchester Real Madrid hatte Mühe ohne den Dirigenten, gewann aber knapp.
Gegen die Bayern wird Kroos sehr wahrscheinlich wieder von Beginn an spielen, es geht schließlich um den Einzug in das Finale. Es wird dabei auch auf ihn ankommen, auf seine Pässe und Ideen. Und auf seine Ruhe am Ball. Kroos sei "einzigartig", sagt Trainer Ancelotti. Er spiele "keinen Fehlpass" und entscheide sich "immer für die beste Lösung".
Von Antonio Rüdiger ist kein Widerspruch zu erwarten. Er sagt, alle bei Real Madrid wüssten, dass sie Kroos auch dann anspielen könnten, auch wenn um ihn herum mehrere Gegner stünden. "Er strahlt immer Ruhe aus, Puls 20."
Am Ende dieser Saison läuft der Vertrag von Kroos aus. Schon im vergangenen Sommer hatte er sich mit einer Verlängerung Zeit gelassen. Und diesmal? "Ich denke, er wird weitermachen", sagte Ancelotti Ende Februar. "Er möchte an dem Tag aufhören, an dem er sich nicht mehr in der Lage sieht, auf dem höchsten Niveau mitzuhalten." Wenn Ancelotti recht behält, müssen sich alle, die es mit Real Madrid halten, keine Sorgen machen. Dann wird Kroos auch in der Saison 2024/25 für Madrid spielen.