Bayern-Krise macht EM-Sorgen Stützen des DFB-Teams müssen selbst gestützt werden
Der FC Bayern München und die deutsche Nationalmannschaft wollen in diesem Jahr große Erfolge feiern. Aber die Spieler, die dazu beitragen sollen, stecken im Formtief.
Jamal Musiala konnte einem eigentlich nur noch leidtun. Als die deutsche Nationalmannschaft bei der Winter-WM 2022 in Katar bereits in der Gruppenphase scheiterte, war er der überragende Spieler im DFB-Team, aber auch die tragische Figur. Er war der Dreh- und Angelpunkt der Offensive, hatte die meisten Abschlüsse, scheiterte aber immer wieder an den gegnerischen Torhütern oder auch mehrfach am Aluminium. "Ich werde in den kommenden Wochen diese Erfahrung verarbeiten und sie nutzen, um daraus zu lernen", kündigte er danach an.
Musiala galt schon vor dem Turnier als eines der größten Talente der Welt, hinterher noch viel mehr. Aber seitdem stockt sein bis dahin rasanter Aufstieg. In den 13 Monaten nach der schmerzhaften Katar-Erfahrung kam der 20-Jährige beim FC Bayern München nur noch auf 19 Torbeteiligungen - in der verkürzten Hinrunde vor der WM waren es in deutlich weniger als der Hälfte der Pflichtspiele noch 22. Doch mit dieser persönlichen Schaffenskrise ist Musiala beim FC Bayern längst nicht allein. Und das dürfte auch dem DFB große Sorge bereiten.
Bayerns Kreative harmlos wie noch nie
Denn beim 0:1 bei Lazio Rom in der Champions League zeigte sich erneut, dass die Form der Münchner aktuell weit von ihrer normalen entfernt ist. In der Bundesliga war der Rekordmeister zuvor schon bei Bayer Leverkusen (0:3) chancenlos und hatte den wohl niedrigsten Expected-Goals-Wert (0,27) seit der Erfassung dieser Statistik vorzuweisen. In Rom schossen die Bayern dann sogar kein einziges Mal aufs Tor. Das eindeutige Fazit: Die Kreativzentrale des Teams von Thomas Tuchel ist aktuell keine.
Und damit gilt das auch für die deutsche Nationalmannschaft. Denn in Rom standen mit Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Leroy Sané, Musiala und Thomas Müller fünf Spieler in der Startelf, die auch entscheidend für das Abschneiden bei der Heim-EM sein werden. Doch nach aktuellem Stand müsste Bundestrainer Julian Nagelsmann eher eine Stütze für diese Spieler sein, ehe sie das DFB-Team stützen könnten.
Musiala trägt "eine sehr wichtige Rolle" im DFB-Team
Gerade Musiala ist für den ehemaligen Bayern-Coach, dessen Vertrag bei der Nationalmannschaft nur bis zum Ende der EM läuft, der große EURO-Hoffnungsträger. "Er weiß, dass er eine sehr wichtige Rolle hat. Die Hoffnungen, die Deutschland in ihn setzt, sollen ihn nicht erdrücken, sondern stolz machen", sagte Nagelsmann schon im September. Unter dem 36-Jährigen war Musiala ein Jahr vorher im Klub aufgeblüht, brachte mit seinen Dribblings die Verteidiger reihenweise zur Verzweiflung. Unter Tuchel hat sich das in München geändert.
Jamal Musiala
"Unser Spiel ist so verkopft", sagte Müller nach der Pleite in Leverkusen. Und Musiala ist dafür das beste Beispiel. Es fehlt bei ihm und seinen Bayern-Kollegen die Leichtigkeit - auch zum Leid von Nagelsmann. Denn er weiß: Das DFB-Team kann nur erfolgreich sein, wenn die Nationalspieler des FC Bayern Topleistung zeigen.
Kimmich und Goretzka im Tuchel-Tief
Dass der Kopf aktuell aber auch bei Kimmich eine Rolle spielt, ist nicht zu bestreiten. Bestes Beispiel: Vor dem Bundesliga-Topspiel in Leverkusen war er verletzt, schaffte es aber, rechtzeitig wieder fit zu werden - um dann auf der Bank zu sitzen. "Ich habe in den letzten zwei Wochen alles dafür getan, damit ich schnell und gesund zurückkomme und um heute natürlich von Anfang an zu spielen. Am Ende Tages trifft der Trainer Entscheidungen, die wir Spieler akzeptieren müssen", sagte der enttäuschte Kimmich.
Wie der 29-Jährige, der in dieser Saison immer wieder in der Kritik steht, hat auch Leon Goretzka oft Probleme beim FC Bayern unter Tuchel. Zum Jahresbeginn musste der Mittelfeldspieler, den Nagelsmann einst als einen "der besten Box-to-Box-Player" bezeichnet hatte, ebenfalls mit einer Jokerrolle vorliebnehmen. Jetzt ist Goretzka zwar wieder Stammspieler, aber offenbar ohne Rhythmus und Selbstvertrauen - und so wie Kimmich auch nicht in Form.
Sané-Rätsel und Müller mehr Radio als Leistungsträger
Das gilt auch bei Sané, wobei an seiner Stelle die Erklärung dafür deutlich schwerer fällt. In der Hinrunde überragte der Rechtsaußen, er schoss in der Liga acht Tore und bereitete ebenso viele vor. Im neuen Jahr sind es in sechs Spielen nur drei Assists - und dazu ein enttäuschender Auftritt in Rom. Wie sehr die aktuelle Phase an ihm nagt, zeigte sich nach dem dritten Gegentreffer in Leverkusen, als Sané eine Torkamera mit voller Wucht umstieß.
Musiala ohne Leichtigkeit, Kimmich und Goretzka ohne Rhythmus, Sané im Leistungsloch - und Müller? Der Routinier geht aktuell vor allem verbal voran, sagte nach der Rom-Niederlage: "Die zweite Halbzeit war von Verunsicherung geprägt. Das war fast schon Slapstick, wie wir uns von einem Fehler in den nächsten gerettet haben." Aber: Auch Müller bringt aktuell nicht die Leistungen, die ein Team stützen können. Weder den FC Bayern noch das DFB-Team.