Rückfall in die Vergangenheit Ernüchterung statt Euphorie in Gladbach
Nach der kurzen Euphorie zum Saisonauftakt ist am Niederrhein schon wieder Ernüchterung zurückgekehrt. Auch der Trainer steht schwer in der Kritik.
Am frühen Montagnachmittag (07.10.2024) sah sich Roland Virkus genötigt, der an Borussia Mönchengladbach interessierten Öffentlichkeit etwas mitzuteilen. Auf der Vereinshomepage ließ er sich der Sportdirektor von der eigenen Presseabteilung interviewen, in seinem "Standpunkt" sagte er unter anderem: "Ich stehe zu meiner aus der Emotionalität heraus geübten Kritik. Doch jetzt gilt es, die Diskussion zu versachlichen und nicht nur diese 90 Minuten zu betrachten. Fakt ist, die Leistung in Augsburg war unterm Strich nicht gut. Aber wegen dieses Spiels die Gesamtentwicklung in Frage zu stellen, geht mir angesichts der angesprochenen Verbesserungen zu weit."
Angst, Harmlosigkeit und Pseudo-Dominanz
Am Freitagabend hatten seine Gladbacher in Augsburg nach einer wirklich miserablen Leistung mit 1:2 verloren, und kurz nach dem Schlusspfiff war der Manager richtig sauer gewesen. Er bemängelte mit klaren Worten das ängstliche und völlig ungefährliche Auftreten seiner Mannschaft, die einen harmlosen Gegner aufgebaut und durch hanebüchene Einzelfehler ein Spiel mit sehr viel Ballbesitz ohne jede Not noch aus der Hand gegeben hatte.
Den vielen Ballbesitz hatte Virkus zuletzt noch gelobt und als Zeichen der neuen Stärke in dieser Saison ausgemacht. Doch auch Mittelstürmer Tim Kleindienst kritisierte jetzt, dass es sich um "reine Pseudo-Dominanz" handelt, wenn der Ball am Ende des ganzen Besitzes nicht in den Strafraum transportiert wird. Klartext von Kleindienst: "Wir haben die Räume vor uns, aber dann drehen wir viel zu oft ab, statt mal bis zur Grundlinie durchzugehen. Wir spielen so lange hinten rum, bis sich die Abwehr wieder komplett formiert hat. Ich weiß nicht, warum wir so mutlos agieren."
Seoane: "Sind keine Bedrohung für den Gegner"
Da ist er nicht allein. Auch Gerardo Seoane weiß das nicht. Auf Nachfrage der Sportschau, ob seine Spieler aus Angst vor Fehlern die Flanken, Dribblings und tiefen Läufe verweigern und stattdessen lieber Sicherheitspässe nach hinten spielen, zeigte sich der Borussia-Trainer aber selbstkritisch: "Es stimmt, dass wir unser Offensivspiel komplett überdenken müssen. Ohne Mut zum Risiko im richtigen Moment sind wir einfach keine Bedrohung für den Gegner."
Weil das Probleme sind, die es auch beim Fast-Abstieg der Vorsaison schon gab (Gladbach wurde 14. mit einem Punkt Vorsprung auf den Relegationsrang), rückt nun automatisch der Job des Trainers in den Blickpunkt. Vier Niederlagen nach sechs Spielen stehen aktuell zu Buche, ein historisch schlechter Punkteschnitt von 1,0 in 40 Spielen unter Seoane - 40 Punkte, das gab es in Mönchengladbach seit Michael Frontzeck 2010/11 nicht mehr, der auf Platz 18 entlassen wurde, ehe Lucien Favre den Verein rettete.
Fans rufen wieder nach Favre
Rufe nach Favre werden in der Fanszene und im Umfeld des Klubs auch jetzt wieder laut. Doch eigentlich hatte sich die Gladbacher Führungsetage ganz fest vorgenommen, nach Adi Hütter und Daniel Farke nicht schon wieder einen Trainer mit Dreijahres-Vertrag nach nur einer Saison vor die Tür zu setzen. Seoane sollte und soll auch immer noch die Chance bekommen, mit neuen Wunschspielern wie Kevin Stöger oder dem nun erstmals für Deutschland nominierten Kleindienst seine Vorstellungen vom aggressiven Umschaltfußball umzusetzen.
Aber die Zeit drängt, und im Moment sieht der Gladbacher Fußball eher nach Rückschritt als nach Fortschritt aus. Die nächsten Gegner nach der Länderspielpause heißen nun Heidenheim, Mainz und Bremen. Dabei ist klar, dass weitere Auftritte wie der in Augsburg die Treue der Bosse auf eine sehr harte Probe stellen würden. Seoane hat versprochen, an den Defiziten zu arbeiten, er will seiner Mannschaft nach eigenen Worten vermitteln, dass "in Momenten, wo die Tür beim Gegner aufgeht, auch mal der Pass in die Tiefe kommen muss".
Zehn Länderspielabstellungen - Aufarbeitung schwierig
Das Problem für Seoane ist jetzt aber, dass die Aufarbeitung der gerade wieder so deutlich gewordenen Probleme erstmal unmöglich ist: Profis wie Kleindienst und Stöger oder auch die Flügelspieler Luca Netz und Joe Scally sind mit ihren Nationalteams unterwegs, insgesamt stellt Gladbach zehn Akteure ab.
Viel Zeit, sein Team in voller Sollstärke auf die drei wegweisenden nächsten Bundesligapartien und das Zweitrunden-Pokalspiel am 30. Oktober bei Eintracht Frankfurt einzustellen, bleibt Seoane danach nicht mehr.