DFL-Präsidiumsmitglied Hellmann korrigiert: "Weiß nicht, wie Kind abgestimmt hat"
Axel Hellmann hat eine Aussage korrigiert, aus der geschlossen werden konnte, Martin Kind habe bei der Abstimmung über einen Investor mit "Ja" votiert. Die Stimme des Geschäftsführers von Hannover 96 sorgt seit Monaten für Diskussionen und ist Gegenstand der aktuell massiven Fanproteste.
"Ich weiß nicht, wie Herr Kind abgestimmt hat. Sprachlich präzise hätte ich also den Konjunktiv verwenden müssen", teilte Hellmann als Mitglied des Präsidiums der Deutschen Fußball Liga (DFL) am Montag (12.02.2024) auf Anfrage der Sportschau mit.
Am Tag zuvor hatte Hellmann in der bei "Welt TV" ausgestrahlten Sendung "Bild Sport" gesagt: "Wir haben eine gültige Stimmrechtsvertretung von Martin Kind gehabt. Das war die 24. Stimme."
Diese Äußerung legte den Schluss nahe, Hellmann kenne das Abstimmungsverhalten des Geschäftsführers von Zweitligist Hannover 96.
Kind schweigt zu Verhalten bei geheimer Abstimmung
Seit der Abstimmung am 11. Dezember 2023, als exakt die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit von 24 Klubs für den Einstieg eines Investors zustande kam, gibt es Diskussionen um Kinds Stimmverhalten. Hannovers Mehrheitsgesellschafter schweigt seitdem dazu mit Verweis auf die geheime Abstimmung.
Kinds bekannte Haltung für einen Investor, öffentliche Bekenntnisse von elf Klubs zu "Nein"-Stimmen und Enthaltungen sowie Informationen der Sportschau und anderer Medien, dass auch der 1. FC Kaiserslautern gegen den Deal gestimmt hat, legen die Vermutung nahe, dass aus Hannover ein "Ja" kam.
Der Hannover 96 e.V. hatte Kind jedoch zuvor die Weisung erteilt, mit "Nein" zu stimmen und dies öffentlich kommuniziert.
Kinds Stimme und die 50+1-Regel
Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, ob Martin Kind mit einer "Ja"-Stimme gegen die 50+1-Regel verstoßen hätte, einem integralen Bestandteil des deutschen Profifußballs. Die Regel besagt, dass die Mehrheit der Stimmen beim Stammverein liegen muss, auch wenn die Kapitalgesellschaft des Klubs einer von 36 Gesellschaftern bei der DFL ist.
Zwischen dem Stammverein Hannover 96 e.V. und der von Kind vertretenen Kapitalseite gibt es seit Jahren Streit. Der e.V. würde den Geschäftsführer gerne absetzen, hat aber trotz der 50+1- Regel dafür keine ausreichende Mehrheit im zuständigen Gremium.
Hellmann: Kinds Stimme auf jeden Fall "rechtsgültig"
"Mir ging es um folgende Klarstellung: Es wird vielfach unterstellt, dass die Stimme von Herrn Kind die 24. Ja-Stimme war. Aber selbst wenn dies so gewesen wäre, dann wäre diese Stimme rechtsgültig“, heißt es weiter in Axel Hellmanns Antwort auf die Anfrage der Sportschau.
Er folgte damit der Argumentation der DFL-Geschäftsführer Marc Lenz und Steffen Merkel, die schon direkt im Anschluss an die Versammlung im Dezember gesagt hatten, das Weisungsrecht in Hannover sei eine vereinsinterne Angelegenheit, wirke sich aber nicht auf ein Stimmverhalten Kinds beim Ligaverbund aus.
Fans protestieren in vielen Stadien - auch wegen 50+1
In vielen Stadien der Bundesliga und der 2. Bundesliga kommt es seit Wochen zu massiven Fanprotesten gegen den möglichen Einstieg eines Investors, der entweder "CVC" oder "Blackstone" heißen würde, beides Private-Equity-Unternehmen. Mit geworfenen Tennisbällen, Schokomünzen und weiteren Aktionen erzwangen einige organisierte Fanszenen am 21. Spieltag der beiden höchsten Ligen erhebliche Spielunterbrechungen, etwa bei den Partien 1. FC Union Berlin gegen den VfL Wolfsburg und Hamburger SV gegen Hannover 96.
Ein entscheidender Teil der Kritik bezieht sich auf die geheime Abstimmung. Kritisiert wird dabei neben der Intransparenz auch eine angenommene Aushöhlung der 50+1-Regel durch Martin Kind.
Forderung nach weiterer Abstimmung von Funktionären
Um die Zweifel auszuräumen, forderten inzwischen außer Fans auch Klubfunktionäre eine weitere, dieses Mal offene Abstimmung. Dirk Zingler, Präsident des 1. FC Union Berlin, sagte der Sportschau: "Leider ist es uns nicht gelungen, den Anschein zu vermeiden, dass es einen Verstoß gegen 50+1 gibt." Er plädiert deshalb dafür, dass das final ausverhandelte Angebot zur Abstimmung gestellt wird. "Was spricht dagegen?"
Laut Hellmann sei diese Abstimmung gar nicht möglich, weil das Ergebnis vom 11. Dezember "rechtswirksam" und niemand in der vorgeschriebenen Frist dagegen juristisch vorgegangen sei.
Damals war dem DFL-Präsidium das Mandat erteilt worden, die Verhandlungen mit einem Investor zu Ende zu führen, ohne nochmals eine Zwei-Drittel-Mehrheit aller Klubs einzuholen.
Claus Vogt bringt Stein ins Rollen
Wie Zingler, sprechen sich auch führende Vertreter der Zweitligisten VfL Osnabrück, Hertha BSC, Eintracht Braunschweig, Karlsruher SC und Hansa Rostock sowie Claus Vogt vom Bundesligisten VfB Stuttgart für ein weiteres Votum aus. Vogt hatte die öffentliche Diskussion am Mittwoch (07.02.2024) mit einem Post in sozialen Medien ins Rollen gebracht.
Andere Klubs schließen sich Axel Hellmann an. "Wir sehen aktuell keinen Anlass, einem demokratischen Votum ein weiteres folgen zu lassen", teilte Borussia Dortmund auf eine Anfrage des Magazins "11 Freunde" mit, das alle 36 Klubs befragte. Dem Bericht zufolge sehen auch Mainz 05, der SC Paderborn, RB Leipzig und der 1. FC Heidenheim keine Notwendigkeit für eine weitere Abstimmung.
Eine weitere Abstimmung ohnehin vorgesehen
Mindestens eine weitere Abstimmung ist ohnehin vorgesehen: Als strukturelle Voraussetzung für den Einstieg eines Partners ist eine entsprechenden Satzungsänderung nötig, für die es einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedarf. Die DFL sieht die Klubs satzungsgemäß in der Pflicht, nach dem generellen Votum auch strukturell den Weg für den Einstieg freizumachen, ein Vereinsrechtler äußerte hieran Zweifel.
Warum die DFL einen Partner haben will
Die 36 Klubs sind sich weitgehend einig, dass sich die DFL weiterentwickeln muss. Mehr Digitalisierung, bessere Übertragungstechnik, ein Angebot für jüngere Zielgruppen und ein Wachstum im Ausland sind das Ziel. Uneinigkeit herrschte im Vorfeld der Abstimmung im Dezember darüber, wie die nötigen Maßnahmen finanziert werden sollen.
Die Rahmenbedingungen des im Dezember abgesegneten Modells sehen vor, dass der Investor 20 Jahre lange mit maximal acht Prozent an den Vermarktungseinnahmen beteiligt wird. Dafür soll die DFL im Gegenzug eine Milliarde Euro erhalten. Die Hoffnung der DFL: Die Einnahmen steigen insgesamt und das Geschäft lohnt sich für beide Seiten.
Die DFL versicherte immer wieder, dass der Investor keinen Einfluss auf Bereiche wie Anstoßzeiten oder Ansetzungen im Ausland haben werde. Das Modell biete stattdessen die Chance, den Verbund der 36 Klubs dauerhaft zusammenzuhalten.