Miamis Tyreek Hill Bodycam-Aufnahmen veröffentlicht - Kritik an Festnahme von NFL-Star
Die Festnahme von NFL-Star Tyreek Hill in Miami sorgt für Kritik. Bodycam-Aufnahmen der Polizei zeigen, wie der Spieler der Dolphins im Zuge einer Verkehrskontrolle von Polizisten aus dem Auto gezogen wird. Seine Anwältin kündigte rechtliche Schritte an. Der Spieler stellte das Vorgehen der Polizei in den Zusammenhang mit der Ungleichbehandlung und dem alltäglichen Rassismus in den USA.
Es war wohl die Szene des Auftaktwochenendes in der NFL: Tyreek Hill erzielte beim 20:17-Sieg seiner Miami Dolphins im Heimspiel gegen die Jacksonville Jaguars einen Touchdown - und brachte sein Team nach einer verkorksten ersten Halbzeit ins Spiel zurück.
Den spektakulären Touchdown nach einem Pass über 80 Yards, der den Dolphins am Ende den Weg zum Sieg ebnete, feierten die Spieler mit einer besonderen Geste: Hill verschränkte die Arme hinter den Rücken und ließ sich von Mitspieler Jaylen Waddle symbolisch Handschellen anlegen.
Dolphins-Star Hill vor dem Spiel bei Verkehrskontrolle festgenommen
Damit spielten sie natürlich auf einen Vorfall an, der schon vor dem Spiel für viel Aufregung gesorgt hatte, nicht nur auf den US-Sportkanälen. Hill war in der Nähe des Stadions bei einer Verkehrskontrolle von der Polizei festgesetzt worden, wegen "rücksichtslosen Fahrverhaltens".
Schnell kursierten im Netz Videos von Fans, die den 30 Jahre alten Afro-Amerikaner in Handschellen neben seinem Sportwagen am Straßenrand liegend zeigen, umringt von vier Beamten. Medienberichten zufolge wurde Hill nach wenigen Minuten wieder entlassen und muss offenbar auch keine Strafverfolgung fürchten.
Hill sei sehr verärgert in der Kabine aufgetaucht, hieß es im Anschluss, wollte aber unbedingt spielen - und verarbeitete den Vorfall dann auf seine Weise: Mit einer persönlichen Bestmarke, es war der weiteste Touchdown-Pass den er jemals gefangen hat. Und dem passenden Jubel, bei dem er sich gleich nochmal aus Spaß festnehmen ließ, diesmal von seinem Mitspieler.
In der Pressekonferenz nach dem Spiel wurde Hill aber wieder ernst, als die Sprache auf seine Festnahme kam. Er wisse nicht, was passiert sei, noch warum er Handschellen angelegt bekam.
Bodycam-Aufnahmen der Polizei veröffentlicht
Am Montagabend (09.09.2024/Ortszeit) gab die Polizei Videoaufnahmen des Einsatzes von der Bodycam eines der Beamten frei, sie wurden von einem Bürgerrechtsanwalt auf der Plattform X veröffentlicht. Darauf ist zu sehen, dass Hill am Steuer seines Wagens nach einem Wortwechsel mit einem der Polizisten zunächst das Fenster wieder schließt. Der Polizist klopft an die Scheibe, er fordert Hill auf, das Fenster zu öffnen und aus dem Wagen zu steigen. Unmittelbar darauf kommt ein zweiter Beamter dazu, beide ziehen Hill aus dem Wagen und fixieren ihn auf dem Asphalt. Einer der Beamten hat sein Knie auf Hills Rücken gedrückt, Hill bekommt Handschellen angelegt.
Dabei ist zu hören, wie der Spieler ruft: "Drew, ich werde festgenommen". Offenbar hat er kurz zuvor seinen Agenten Drew Rosenhaus angerufen, Hills Telefon liegt neben ihm auf der Straße. Hill leistet keinen Widerstand, stellt die Beamten aber aufgebracht immer wieder zur Rede. Die Polizisten richten ihn auf, um die Befragung am Straßenrand fortzusetzen.
Im Anschluss ist ein Zusammenstoß eines Polizisten mit zwei weiteren Männern zu sehen. Dabei handelt es sich mutmaßlich um Hills Teamkollegen Calais Campbell und Jonnu Smith, die die Szene beobachtet und gestoppt hatten, um ihrem Mitspieler beizustehen. Einer der beiden telefoniert und unterrichtet den Gesprächspartner von Hills Festnahme. Ein Polizist fordert ihn mehrfach auf, ins Auto zu steigen und seine Fahrzeugpapiere zu zeigen. Campbell gab später gegenüber "ESPN" an, auch er sei kurzzeitig festgenommen worden, weil er der Anordnung des Polizisten nicht Folge geleistet habe.
Dolphins-Statement: "Unbelehrbar und niederschmetternd"
Die Aufnahmen des Einsatzes sorgten für Kritik, insbesondere an der Verhältnismäßigkeit des Verhaltens der Beamten. Die Miami Dolphins nannten das Vorgehen der Polizisten "durchgedreht und niederschmetternd" und forderten "unverzügliche und harte Maßnahmen" gegen die Beamten, deren Verhalten sei "unbelehrbar". Hills Agent Rosenhaus hatte das Verhalten der Polizei gleich nach dem Vorfall als "komplett inakzeptabel" bezeichnet und angekündigt, rechtlich dagegen vorzugehen.
Hills Anwältin sprach von "grenzüberschreitendem Verhalten" der Polizei und kündigte in einer Mitteilung weitere Schritte an: "Herr Hill ist sich im Klaren darüber, wie gefährlich die Arbeit der Polizei ist und wie wichtig die eigene Sicherheit der Beamten ist. Ungeachtet dessen stellte sein Verhalten zu keinem Zeitpunkt eine Bedrohung für die EInsatzkräfte dar."
Ein Polizeibeamter freigestellt - Polizeigewerkschaft verteidigt Einsatz
Die Polizei von Miami-Dade hatte bereits am Montag eine interne Untersuchung angekündigt. Ein Beamter sei zudem bereits freigestellt und für Verwaltungsaufgaben abgeordnet worden. Die Polizeigewerkschaft von Miami hatte das Verhalten ihrer Beamten verteidigt. Hill wurde demnach "kurzzeitig zur Sicherheit der Beamten festgehalten, nachdem er in einer Weise gefahren war, die ihn selbst und andere in große Gefahr brachte", sagte Gewerkschaftspräsident Steadman Stahl in einer Erklärung: "Als er angehalten wurde, zeigte sich Herr Hill nicht sofort kooperativ mit den Beamten vor Ort, die ihm gemäß den Vorschriften und zu ihrer unmittelbaren Sicherheit Handschellen anlegten."
Hill sei auch anschließend "immer noch nicht kooperativ", gewesen, deshalb wurde er neben seinem Sportwagen auf den Boden gedrückt. Vor allem diese Darstellung erscheint nach den veröffentlichten Bodycam-Aufnahmen zumindest zweifelhaft.
Hill hatte zuvor beteuert, sich den Beamten gegenüber nicht respektlos verhalten zu haben. "Ich habe genau das gemacht, was mein Onkel mir früh beigebracht hat, wenn ich einmal in eine solche Situation geraten sollte: Einfach die Hände am Lenkrad behalten und zuhören, was sie sagen."
"Was wäre passiert, wenn ich nicht Tyreek Hill gewesen gewesen wäre?"
Eine Handlungsanleitung, die vor allem die nicht-weiße Bevölkerung in den USA verinnerlicht hat. Nicht erst seit den Fällen von Polizeigewalt und rassistischen Übergriffen, die vor vier Jahren auch im US-Sport zu Protesten führten und zwischenzeitlich sogar den Betrieb in den großen Profiligen bedrohten.
Dolphins-Star Hill, obwohl glimpflich davongekommen, stellte auf der Pressekonferenz erneut einen Zusammenhang zum strukturellen Rassismus in der US-Gesellschaft her. Er fragte in die Runde: "Was wäre passiert, wenn ich nicht Tyreek Hill gewesen wäre?" Also kein berühmter Footballspieler, den bei einer Polizeikontrolle wohl zumindest ein Stück weit seine Reputation schützen dürfte vor möglichen Übergriffen. Er wolle seine Hautfarbe nicht zum Thema machen, sagte Hill, aber natürlich zielten seine Äußerungen genau darauf ab: "Wie wäre es weitergegangen, im schlimmsten Fall? Gott weiß, was sie sonst gemacht hätten."
Zwei weitere Dolphins-Spieler involviert - Sonderbehandlung durch die Polizei?
Berichten des amerikanischen Sportsenders "ESPN" zufolge entspannte sich die Situation erst, nachdem die beiden Teamkollegen hinzugekommen waren. Er sei sehr froh gewesen, als seine Mitspieler dazukamen, sagte Hill, er habe sich sehr alleine gefühlt. "Das hat mir gezeigt, was für ein verdammt gutes Team wir sind. Sie sind mir zu Hilfe gekommen, haben sich damit auch selbst in Gefahr gebracht."
Womöglich wurde den Polizeikräften erst in diesem Moment klar, dass sie es mit einem berühmten Football-Profi zu tun hatten. Im Anschluss ließen sie jedenfalls alle Spieler ohne Auflagen ziehen. Am Ende stand so der Verdacht, Hill wäre als NFL-Star tatsächlich von der Polizei bevorzugt behandelt worden. Dies war ja auch das Anliegen, das Hill im Anschluss gegenüber den Medienvetretern zum Thema gemacht hatte. "Ich würde diese Plattform gerne nutzen, damit sich insgesamt etwas zum Positiven ändert, für die ganze Community in Miami."