Vierschanzentournee Granerud auf dem Sprung zum ersehnten Triumph
Nach dominanten zwei Tagen in Oberstdorf ist Halvor Egner Granerud bei der Vierschanzentournee der Gejagte. Favorit war der Norweger schon oft, auf den ganz großen Erfolg wartet er aber noch.
Halvor Egner Granerud hat am Freitag (29.12.2022) zu einer Skisprung-Legende aufgeschlossen. Der Erfolg in Oberstdorf zum Auftakt der Vierschanzentournee war der 15. Sieg seiner Karriere im Weltcup, damit hat er nun genauso viele wie Kazuyoshi Funaki und ist in der Liste der Springer mit den meisten Siegen in die Top 20 geflogen.
Dennoch trennen Granerud und Funaki nach wie vor Welten. Der Norweger gilt zwar schon seit Jahren zu den Besten, doch bei den Höhepunkten der Saison hat er bislang noch nie liefern können. Funaki dagegen hat gerade dann brilliert, wenn es drauf ankam. Der heute 47-jährige Japaner gewann unter anderem zweimal Gold bei den Olympischen Spielen 1998 in Nagano, wurde zweimal Weltmeister im Einzel und Gesamtsieger bei der Vierschanzentournee 1997/1998.
Granerud erfüllt sich ersten "Traum"
Granerud hat zwar genauso viele Weltcupsiege, aber noch keinen dieser Erfolge vorzuweisen. Immerhin stand er schon bei der WM 2020 ganz oben auf dem Treppchen und holte mit der Mannschaft Gold im Skifliegen, der alleinige Coup ist ihm aber weder bei Olympischen Spielen noch bei Weltmeisterschaften und auch nicht bei einer Vierschanzentournee gelungen. Doch das könnte sich nun ändern.
In Oberstdorf hat der 26-Jährige die Konkurrenz in herausragender Weise dominiert. "Ich bin sehr zufrieden und stolz auf das, was ich hier erreicht habe. Ein Traum ist für mich wahr geworden", sagte Granerud im norwegischen Fernsehen nach seinem Triumph.
"Er springt gerade auf einem anderen Level"
Granerud hatte schon die Qualifikation deutlich gewonnen, war dann auch im Wettkampf mit Abstand der beste Springer. Sein Vorsprung auf den Zweitplatzierten Piotr Zyla beträgt schon 13,4 Punkte. "Das ist schon irre. Er springt gerade auf einem anderen Level", erkannte auch Karl Geiger, der Vierter wurde, an.
Dieses Level will Granerud, für den es auch der erste Einzelsieg bei einer Vierschanzentournee war, halten, um den Sprung zu einem Skispringer für die Geschichtsbücher zu machen. Und das trauen ihm nicht nur seine Konkurrenten um Geiger zu. Er könne es "absolut schaffen", die Vierschanzentournee zu gewinnen, sagte sein Landsmann Roar Lyokelsoy, der unter anderem 2004 und 2006 je zweimal WM-Gold holte. Granerud wäre dann der erste norwegische Tourneesieger seit Anders Jacobsen 2006/2007.
Die Konkurrenz hofft weiter
Dass der Weg dahin aber noch weit ist, haben schon viele seiner Vorgänger erlebt. Nur zwölf von 25 Oberstdorf-Gewinnern hatten auch nach dem vierten Springen in Bischofshofen die Führung in der Gesamtwertung inne - in der vergangenen Saison gelang jedoch Ryoyu Kobayashi wie schon 2018/2019 ein Start-Ziel-Sieg. "Er ist voll im Flow", sagte DSV-Trainer Stefan Horngacher über Granerud: "Er hat sich jetzt aber auch den großen Rucksack abgeholt, den muss er jetzt mitschleppen."
Die Konkurrenten hinter Granerud lauern - auch sie wissen, dass der Norweger in der Vergangenheit schon häufiger in entscheidenden Momenten gepatzt hat. "Es gibt noch drei Stationen. Ich weiß selber, wie das ist bei der Tournee: Die hat ihre eigenen Regeln", sagte Geiger, der 18,8 Punkte Rückstand auf Granerud hat. "Wenn er sich Fehler erlaubt, werden andere in den Startlöchern stehen." Doch auch beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen (14 Uhr, live bei der Sportschau) heißt der Favorit erstmal Halvor Egner Granerud.