Sieben mögliche Herbstmeister "Spitzenmasse" - Warum die 2. Liga so spannend ist
Vier Punkte trennen Platz eins und zehn, sieben Teams haben realistische Chancen auf die Herbstmeisterschaft. Zweifach-Aufstiegstrainer Mike Büskens erklärt die engste 2. Liga der Welt.
Hand aufs Herz: Hätten Sie im Sommer auch nur einen Cent darauf gesetzt, dass die SV Elversberg drauf und dran ist, nach der Hälfte der Saison an der Spitze der 2. Liga zu stehen? Wer jetzt ganz selbstbewusst nickend den Finger hebt, ist entweder ein derartiger Fußballexperte, dass er sich ganz schnell dort bewerben soll, wo Einschätzungen von Personen, die wirklich Ahnung haben, gefragt sind - oder diese Person lügt vermutlich.
Das soll in keinster Weise schmälern, was seit Jahren in Elversberg unter Trainer Horst Steffen für herausragende Arbeit geleistet wird. Von 2021 bis 2023 sind die Saarländer von der Regionalliga in die Zweitklassigkeit durchmarschiert, wo sie nach einem starken Start zwar ein paar Probleme hatten, insgesamt als Elfter eine nicht gerade erwartbar gute Rolle spielten. Was seitdem passiert, ist dann aber schon sehr erstaunlich.
Die SVE kann gegen Schalke Herbstmeister werden
Mit einem Etat von angeblich etwa neun Millionen Euro ist Elversberg finanziell weit weg von der Spitzengruppe, dazu gingen mit Jannik Rochelt (Hannover 96) und Paul Wanner (vom FC Bayern München ausgeliehen und jetzt beim 1. FC Heidenheim) die wichtigsten Offensivspieler. Doch die SVE, die den großen Vorteil hat, im beschaulichen Elversberg (rund 13.000 Einwohner) fernab des medialen Trubels arbeiten zu können, machte aus ihren Möglichkeiten wieder das Beste.
Und das ist aktuell zu gut für alle Konkurrenten in der Liga. Nach 16 Spieltagen ist Elversberg Tabellenführer und kann mit einem Sieg am Freitag (20.12.2024) gegen Schalke 04 Herbstmeister werden. Neben dem Team um Topstürmer Fisnik Asllani (mit 15 Torbeteiligungen bester Scorer der Liga) haben aber noch sechs weitere Mannschaften realistische Chancen auf den Halbzeittitel. Etwas größer geschaut: Darmstadt 98 hat als Zehnter nur vier Punkte Rückstand auf Elversberg.
Aufstiegstrainer Büskens über den engen Aufstiegskampf
Aber warum ist die Liga derart eng? "Bis auf den 1. FC Köln (aktuell Zweiter, d. Red.) sind viele vermeintliche Favoriten, die man vor der Saison auf dem Zettel hatte, bislang unter ihren Erwartungen geblieben. Generell gibt es keine Mannschaft, die durchweg konstant war, deswegen ist Elversberg auch vom Punkteschnitt her der schwächste Tabellenführer aller Zeiten", erklärt Mike Büskens im Sportschau-Gespräch.
Der 56-Jährige kennt die 2. Liga bestens. 2012 schaffte Büskens dort den Aufstieg mit Greuther Fürth, außerdem führte er Schalke 2022 noch als Interimstrainer in die Bundesliga, als er in den abschließenden acht Spielen 21 von 24 möglichen Punkte holte. Doch auch Büskens kann sich nicht so recht entscheiden, ob die riesige Spitzengruppe - oder auch "Spitzenmasse" - ein Zeichen von Klasse oder Schwäche ist.
Mike Büskens stieg mit Schalke 2022 in die Bundesliga auf.
Köln als Favorit - doch die Aufsteiger haben es schwer
"Die Spannung bringt der Liga viel Aufmerksamkeit, daher würde ich das eher als Qualitätsmerkmal sehen. Aber wir haben in den letzten Jahren auch feststellen müssen, dass es die Aufsteiger dann sehr schwer haben in der Bundesliga - das deutet dann schon darauf, dass der Unterschied ziemlich groß ist", so Büskens.
Der Ex-Coach hat trotz der aktuell eher unübersichtlichen Situationen einen klaren Favoriten. "Wenn Köln (16 Punkte aus den vergangenen sechs Spielen, d. Red.) auf dieser Welle weiterreitet, werden sie kaum aufzuhalten sein", sagt Büskens, er warnt aber vor dem Winter: "Es wird spannend sein, wie sie auf dem Transfermarkt agieren werden. Sie wollen die Mannschaft weiter verstärken, aber es besteht dann auch immer die Gefahr, dass das für Unruhe sorgt."
Büskens: Gespannt auf Elversberg, begeistert von Fortuna
Und was kommt nach Köln? "Es gab zuletzt immer mindestens eine Mannschaft, die bis zum Ende oben dabei war und die man vorher nicht auf dem Zettel hatte. Vielleicht ist das jetzt Elversberg, es ist total spannend, was da passiert, die Entwicklung ist sensationell", so Büskens. Er sei allerdings gespannt, was passiert, "wenn sie um den 26. oder 27. Spieltag noch dabei sind und das Gefühl bekommen, etwas verlieren zu können. Dann wächst der Druck und es zeigt sich, wie stabil der Verein schon ist."
Von der Stabilität eines Ex-Klubs ist der ehemalige Trainer bereits beeindruckt. "Ich habe allergrößten Respekt vor dem, was Fortuna Düsseldorf in dieser Saison leistet. Wenn einem der sicher geglaubte Aufstieg in der Relegation so entrissen wird, man wichtige Spieler verliert, und es trotzdem schafft, als Vierter oben dabei zu sein, spricht das für die handelnden Personen. Wenn sie ihren Weg weitergehen, glaube ich, dass die Fortuna nachholen kann, was sie im Sommer verpasst hat", so Büskens, der 2013 fünf Monate lang Düsseldorf-Coach war.
Der Düsseldorfer Trainer Daniel Thioune (l) gratuliert dem Doppeltorschützen Dawid Kownacki
Schalke sollte nicht "anfangen zu spinnen"
Deutlich mehr Zeit hat der "Eurofighter" (UEFA-Cup-Sieger von 1997) auf Schalke verbracht, wo er bis Ende der vergangenen Saison noch Co-Trainer war. Was traut Büskens S04 (als 14. elf Punkte Rückstand auf die Aufstiegsplätze) noch zu?
"Vor zweieinhalb Jahren hat man gesehen, was passieren kann, als ich nochmal auf Schalke übernehmen durfte - da waren wir acht Spiele vor Schluss als Sechster oder Siebter auch sieben Punkte weg. Dann braucht es aber eine richtig gute Serie, und du musst jetzt noch mehr Mannschaften überholen", so Büskens.
Und weiter: "Daher glaube ich, dass das Team mehr Potenzial hätte, aber es nicht der richtige Weg wäre, jetzt davon zu sprechen. Das Ziel sollte nun sein, sich schnellstmöglich aus dieser misslichen Lage zu befreien und möglichst noch einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen. Keiner sollte nun anfangen zu spinnen." Das Aufstiegsrennen verspricht auch ohne Schalke extrem viel Spannung.