Vierschanzentournee Skispringen - Die schwierige Suche nach der Topform
In der einen Saison Überflieger, in der nächsten nur noch Mittelmaß: So erging es schon einigen Top-Athleten - denn Skispringen ist komplex.
Der Japaner Ryoyu Kobayashi flog in der vergangenen Saison noch allen davon: Vierschanzentournee-Sieger, Olympiasieger, Gewinner des Gesamt-Weltcups. In dieser Saison tut sich der 26-Jährige schwer, stand noch bei keinem Weltcup-Springen auf dem Podest.
"Die Form im Skispringen ist das größte Rätsel“, erklärt Sportschau-Experte Sven Hannawald. Viele Faktoren beeinflussen die Form. Das geht hin bis zu Regeländerungen, die dem einen Skispringer mehr zusagen als dem anderen.
Fitness nicht der alles entscheidende Faktor für die Form
Skispringen ist enorm komplex. Innerhalb von wenigen Sekunden entscheidet sich, ob es für einen Sprung nach ganz vorne gereicht hat. Fehler dürfen im Wettbewerb nicht passieren, es gibt keine Chance auf eine Wiederholung – nur bestenfalls auf eine Wiedergutmachung im zweiten Durchgang.
In schlechten Phasen ist manchmal schwer erkennbar, was eigentlich nicht läuft. Das zeigt sich auch beim deutschen Team, das die eigenen Erwartungen bei der Tournee nicht erfüllt. "Die Jungs waren von der Trainingssteuerung her wirklich fit. Aber es müssen andere Dinge ins Spiel gekommen sein, die nicht so messbar sind“, sagt Horst Hüttel, sportlicher Leiter beim DSV, im Sportschau-Interview.
Alles muss passen
Fitness, Technik, Material - all das muss zusammenpassen, damit die Form stimmt. "Dann ist es am Ende eine mentale Sache, dass man ordentlich springt“, erklärt Pius Paschke. Die Suche nach der Top-Form ist auch eine Suche nach Konstanz.
Wer sich in einen sogenannten Flow springt, scheint es leichter zu haben – so wie zurzeit Philipp Raimund. Er springt bei der Tournee von einer Top 15 Platzierung zur nächsten, ist die positive Überraschung im deutschen Team. Er spricht aber ungern davon, im Flow zu sein: "Es steckt sehr viel Arbeit dahinter. Daher mag ich dieses Wort nicht so sehr.“
Ein regelkonformer Anzug, gut präparierte Skier, motivierender Team-Spirit, gute Technik für einen weiten Flug, passende Ernährung – die Liste an Faktoren für die Top-Form eines Skispringers ist lang. Viele Zahnrädchen müssen ineinandergreifen, ideal aufeinander abgestimmt sein. Sobald eines nicht mehr ins andere greift, kann das komplette System nicht mehr funktionieren.
So wie bei Karl Geiger in Innsbruck: Der Gesamt-Weltcup-Zweite der vergangenen Saison verpasste die Qualifikation für das dritte Tournee-Springen. Gerade in solchen Situationen, in denen man selbst geneigt sei, alles infrage zu stellen, helfe nur Geduld, erklärt er. "Da muss man ruhig bleiben, ganz banal und stumpf immer weitermachen.“
Davon spricht auch Bundestrainer Stefan Horngacher. Es seien Details, die verbessert werden müssten. Die Suche nach der Top-Form erfordert Durchhaltevermögen und den Glauben an sich selbst.
Das zeigt auch Halvor Egner Granerud. Der Norweger hatte schon immer Talent, von allein ging aber nichts. Es ist noch nicht lange her, da lief nicht viel zusammen. In der Saison 2019/2020 bekam er kaum Einsatzseiten im Weltcup. Ein Jahr später dann der Wendepunkt: Er gewann den Gesamt-Weltcup – dank harter, akribischer Arbeit in allen Bereichen. Jetzt fliegt er bei der Tournee (fast) allen davon.
Überflieger haben keine Garantie für weitere Erfolge
Wer diese Saison vorne dabei ist, muss in der nächsten aber noch lange nicht allen davonspringen. Verletzungen, verändertes Training, neue Regularien – all das sind Faktoren, die ein stabiles Flugsystem ins Wanken bringen können.
Außerdem tüftelt auch die Konkurrenz an der Top-Form. "Die anderen Nationen schauen genau hin: Was macht er anders, dass er weiter springt als die anderen?“, erklärt Pius Paschke. Akribisch wird in allen Teams analysiert, der Vorteil des Überfliegers wird so immer kleiner. "Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum manche, die jahrelang dominieren, von anderen wieder überholt werden.“ Überflieger haben für die kommende Saison also keine Erfolgsgarantie.