Ski Alpin Loic Meillard - die ewige Schweizer Nummer zwei
Der Schweizer Loic Meillard zählt zu den konstantesten und technisch feinsten Skifahrern der Welt. Aus dem Schatten seines Teamkollegen Marco Odermatt schafft er es aber auch in Adelboden nicht.
Als Loic Meillard die Ziellinie überquerte, mal wieder die rote 2 aufleuchtete, sein Name mal wieder hinter den von Marco Odermatt rutschte, da unterdrückte selbst der Sieger des Tages seinen Jubel. Dabei hatte Marco Odermatt gerade seinen 42. Weltcupsieg eingefahren, das vierte Mal in Folge den prestigeträchtigen Klassiker in Adelboden gewonnen - vor 15.000 Schweizer Fans, die ihn mit "Odi, Odi, Odi"-Sprechchören hochleben ließen.
Doch aus Respekt vor seinem Teamkollegen Loic Meillard unterließ er es, vorerst zu jubeln. Stand erstmal reglos da, verzog das Gesicht und ging dann zu Meillard. Um ihm zum zweiten Platz zu gratulieren und ihn gleichzeitig zu trösten. Weil Meillard mal wieder das Duell gegen Odermatt verloren hatte und es mal wieder nicht aus seinem Schatten schaffte. Im Ziel ärgerte er sich über den knappen Rückstand, sagte aber: "Ich kann trotzdem zufrieden sein."
Was Odermatt nach dem Rennen im SRF-Interview sagte, spricht Bände: "Er hat es nicht immer einfach, diesen Sieg wollte er absolut." Auf die Frage des SRF-Reporters, ob er ein schlechtes Gewissen habe, sagte Odermatt: "Ja, wirklich fast ein bisschen."
Vier Weltcupsiege für Meillard, 42 für Odermatt
Loic Meillard ist der ewige Zweite im Schweizer Skiteam. Er ist einer der technisch saubersten Rennfahrer im Weltcup-Zirkus, einer der konstantesten Athleten. Der 28-Jährige hat vier Weltcup-Siege auf dem Konto, zwölf zweite Plätze, neun Dritte. Er hat Silber im Riesenslalom bei der Ski-WM in Courchevel/Méribel gewonnen, Bronze in der Kombination. Und trotzdem steht der 28-Jährige im ewigen Schatten seines überragenden Teamkollegen.
Marco Odermatt ist immerhin ein Jahrhundert-Talent, einer der wieder und wieder Rekorde bricht. Von den zehn Riesenslaloms in der vergangenen Saison gewann er neun. Lange galt: Wenn Odermatt fährt, dann gewinnt Odermatt. Er ist ein Jahr jünger als Meillard, aber er hat schon alles erreicht, was es zu erreichen gibt: eine Olympia-Goldmedaille (Riesenslalom, 2022 Peking), zwei WM-Goldene in der Abfahrt und im Riesenslalom (Courchevel), 42 Weltcup-Siege in drei Disziplinen, den Gesamtweltcupsieg im vergangenen Jahr. Mit seinen Erfolgen zieht er den Großteil der medialen Aufmerksamkeit auf sich, er angelte sich den begehrtesten Sponsor im Spitzensport, er wurde dieses Jahr zum vierten Mal "Sportler des Jahres" in der Schweiz.
Meillard - zwischen Premierensiegern und Seriengewinnern
Die Schweizer sind ohnehin die Übermacht im Skiweltcup: Die bewährten Athleten wie Odermatt, Meillard, Lara Gut-Behrami liefern in einer Tour. Die weniger Arrivierten holen sich aktuell ihre ersten Weltcupsiege (Camille Rast, Alexis Monney, Franjo von Allmen, Thomas Tumler) und positionieren sich an der internationalen Spitze.
Irgendwo zwischen den helvetischen Sensationspremierensiegern und dem Seriengewinner liegt Loic Meillard. Konstant gut, aber selten ganz vorne. In jedem anderen Skiteam - im deutschen, im österreichischen, im italienischen - wäre er Topfahrer und Aushängeschild, bei den Schweizern ist er "der hinter Odi". In anderen Zeiten wäre er die klare Schweizer Speerspitze gewesen. In der Ära Odermatt ist er "nur" Loic Meillard.
Bei der anstehenden Ski-WM in Saalbach-Hinterglemm hat er die Chance, aus dem Schatten des Dominators herauszutreten. Am Sonntag grinste er am Fuße des "Chuenisbärgli" breit über seinen zweiten Platz, die traditionelle Kuhglocken-Trophäe hing über der Schulter des 28-Jährigen. Dass er enttäuscht war über seinen zweiten Platz, sah man ihm nicht an.