Offener Brief an die FIS Athleten fordern mehr Klimaschutz vom Ski-Weltverband
Mikaela Shiffrin, Alexander Aamodt Kilde und rund 150 weitere Athleten halten die Klimaschutz-Bemühungen des Ski-Weltverbandes für unzureichend - und stellen Forderungen.
"Unser Sport ist existenziell und akut bedroht." Dieser Satz ist dick gedruckt in dem offenen Brief, mit dem sich rund 150 Athletinnen und Athleten am Sonntag (12.02.2023) an den internationalen Ski- und Snowboardverband FIS gewendet haben. Es ist ein Aufschrei von Sportlerinnen und Sportlern, der so im Weltsport selten ist.
FIS-Präsident Johan Eliasch betont zwar immer wieder, dass Klimaschutz wichtig sei. Er verwies schon in seiner Bewerbung um das Präsidentenamt 2021 auf seine Rolle als ehemaliger Berater der britischen Regierung in Umwelt-Belangen. Doch seine bisher eingeleiteten Schritte überzeugen die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner nicht. "Wir kennen die derzeitigen Nachhaltigkeitsbemühungen der FIS und bewerten sie als unzureichend", heißt es in dem Brief.
CO2-Ausstoß halbieren - aber wie?
Zum einen hat sich die FIS vorgenommen, den eigenen direkten und indirekten CO2-Ausstoß bis 2030 zu halbieren. Wie sie das schaffen will, bleibt unklar - Fragen der Sportschau dazu beantwortete die FIS nicht. Und: Beispielsweise der alpine Renn-Kalender erfordert in dieser Saison sogar noch mehr Langstreckenflüge als zuvor.
Der 24 Jahre alte Alpin-Skifahrer Julian Schütter hat den offenen Brief initiiert und verfasst. Für den Weg zur Halbierung solle die FIS eine Strategie veröffentlichen, sagt der Österreicher im Sportschau-Interview. Dies ist eine der zentralen Forderungen im offenen Brief. Zwei weitere: "Die FIS sollte eine Abteilung für Nachhaltigkeit einrichten und volle Transparenz zeigen bei diesem Thema."
Julian Schütter
Eigentlich müssten Wintersportler durch die Bank die größten Klimaschützer sein.
"Net-zero" bis 2035
Der vierte zentrale Punkt im Brief: Der Weltverband solle sich zum Ziel bekennen, bis 2035 oder früher mit allen Aktivitäten und Events "net-zero" zu werden, was man mit "klimaneutral" übersetzen kann. Zwar nennt sich die FIS sogar schon stolz "klimapositiv", dahinter steckt aber eine nebulösen "FIS-Regenwald-Initiative", die in Peru Abholzung verhindern soll.
Beraten lässt sich der Verband durch eine Organisation, die Eliasch selbst mitgegründet hat und deren Vorsitzender er ist: Cool Earth. Auf deren Webseite steht: "Der Schutz des Regenwaldes mit Cool Earth schafft keinen CO2-Ausgleich." Das hält die FIS aber nicht davon ab, ihre eigene Regenwald-Initiative dafür zu nutzen, ihre Emissionen zu kompensieren.
"Es ist nicht transparent"
Wie genau diese Rechnung funktioniert, bleibt unklar - das bemängelt auch Schütter. "Es ist nichts öffentlich, es ist nicht transparent. Man findet keine Angaben dazu, wie viel Regenwald geschützt wird, wie viel sie da investieren, wie viel CO2 die FIS überhaupt ausstößt als Organisation. Anscheinend haben sie ja ein internes Audit gemacht und das findet man auch nicht. Ich habe probiert, die FIS zu kontaktieren und darüber mehr zu erfahren und habe gar keine Antworten bekommen."
"Dann macht man sich nur unglaubwürdiger"
Auch mehrere Sportschau-Anfragen zu diesem Thema hatte die FIS zuletzt nicht beantwortet. "Das muss transparent sein, denn sonst schießen sie sich nur selbst ins Knie", sagt Schütter. "Wenn man so agiert, dann macht man sich nur unglaubwürdiger und unbeliebter bei Menschen, die sich Sorgen um das Klima machen. Und das hilft dem Sport in keinster Weise."
Zudem solle ein CO2-Ausgleich, so eine weitere Forderung in dem offenen Brief, nur angewandt werden für "übrig bleibende, unvermeidbare Emissionen". Zuvor müsse die Halbierung der Emissionen dadurch geschehen, klimaschädliche Aktivitäten zu vermeiden und zu reduzieren. "Die Priorität muss sein, die fossilen Brennstoffe im Boden zu halten."
Expansion und Klimaschutz gleichzeitig?
Allerdings dürften die aktuellen Bemühungen des FIS-Präsidenten dieses Ziel erschweren. Eliasch will den Skisport deutlich globaler aufzustellen, mit mehr Rennen etwa in China und Amerika - und sogar auf der arabischen Halbinsel.
Im zweiten Jahr in Folge liefen in einem Einkaufszentrum in Dubai unterklassige FIS-Wettbewerbe, weitere Skihallen in der Region sollen als Austragungsorte folgen. In einer Meldung dazu träumte der Weltverband von einer möglichen Tournee mit Snowboard- und Freeski-Events, "die zur Krönung des Königs und der Königin des Wüstenschnees führen könnte".
Viele Weltcups fallen aus
In der aktuellen Saison sind wegen zu hoher Temperaturen schon viele Weltcups ausgefallen, unter anderem die Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen. Dieser und andere Orte mit langer Skisport-Tradition werden wissenschaftlichen Berechnungen zufolge immer mehr Probleme bekommen, ihre Pisten mit Natur- oder Kunstschnee wettkampftauglich zu bekommen.
Erst im November hatte das IOC bekannt gegeben, die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2030 um ein Jahr auf 2024 zu verschieben - mit Blick auf den Klimawandel und die Herausforderungen für den Wintersport. Die Auswahlkommission solle mehr Zeit für die Prüfung aller Faktoren haben.
"Wintersportler müssten die größten Klimaaktivisten sein"
"Wenn man Wintersport weiter betreiben will, dann muss man das Klima schützen, fertig", sagt Schütter. "Von daher müssten eigentlich Wintersportler durch die Bank die größten Klimaaktivisten sein. Das ist in meiner Wahrnehmung aber nicht so."
Bei seinem offenen Brief hatte Schütter Unterstüzung durch die Initiative "Protect our Winters", die mit Fachwissen und Kontakten geholfen habe. US-Alpin-Fahrer Travis Ganon war einer der ersten Mitstreiter und Unterzeichner, auch Jessica Diggins (Skilanglauf, USA), Marie-Michele Gagnon (Ski alpin, Kanada) sowie die frisch gekürte Kombinations-Weltmeisterin Federica Brignone (Ski alpin, Italien) haben unterschrieben.
Nur eine Unterzeichnerin aus Deutschland
Aushängeschilder des offenen Briefs sind Shiffrin, die erfolgreichste Skifahrerin der Weltcupgeschichte, und ihr Partner Kilde. Der Alpin-Fahrer aus Norwegen hat 2019/20 den Gesamtweltcup gewonnen und jüngst bei der WM in Courchevel/Méribel Silber im Super-G gewonnen.
Aus Deutschland ist die Freestylerin Sabrina Cakmakli die einzige Unterzeichnerin.