Vor dem Weltcup-Start Eisschnelllaufen - Steiniger Weg zurück in die Spitze
Das deutsche Eisschnelllaufen hing in den letzten Jahren in den Seilen, doch der angeschlagene Boxer erholt sich, schüttelt immer mehr Wehwehchen ab und scheint auf dem richtigen Weg zu sein.
Die Schritte sind klein. Aber sie gehen "in die richtige Richtung", sagt die Sportdirektorin der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack Gemeinschaft, Nadine Seidenglanz. Die 41-Jährige steht seit vier Jahren an der sportlichen Spitze der DESG und spricht klar von einem Aufwärtstrend. "Es geht schrittweise voran. Man muss sich den Weg nach oben hart erkämpfen", erklärt die gebürtige Chemnitzerin kurz vor dem Start der Weltcup-Saison am kommenden Wochenende (23./24. November 2024) im japanischen Nagano im Sportschau-Interview.
Viele Bestleistungen bei der Deutschen Meisterschaft
Die Leistungen kürzlich bei den deutschen Meisterschaften geben Rückenwind. Im Eisoval in Inzell purzelten einige persönliche Bestzeiten. Vor allem in der Frauen-Konkurrenz sei eine deutliche Steigerung erkennbar gewesen, lobt Seidenglanz. Auch die Erfurter Sprintergruppe um Moritz Klein und Stefan Emele hat Platzierungen in den Top Ten im Visier. Um Plätze auf dem Podium werden die deutschen Kufenflitzer aber auch in dieser Saison nicht regelmäßig laufen können. Dazu ist die internationale Konkurrenz zu stark, weiß Seidenglanz.
Nadine Seidenglanz - Sportdirektorin der Deutschen Eislauf-Union.
Teams im Mittelpunkt
Der Fokus liege auf den Team-Wettbewerben und den Olympischen Spielen 2026 in Italien. Dort will die DESG mit einem Frauen- und Männer-Team an den Start gehen. Dafür müssen die Mannschaften im Weltcup in die Top 8 laufen. Gelingt das, hätte Deutschland acht Startplätze bei den Winterspielen sicher. Die drei Teammitglieder sowie die Reserve wären bei Olympia auch für die Einzelstrecken startberechtigt.
Für einige Küken würde sich in Mailand so die Chance bieten, erstmals Olympia-Luft zu schnuppern. 2030 - so die Hoffnung - glänzt es dann nicht nur in der Führungsriege des DESG seiden. Dann könnten die Talente so flott unterwegs sein, dass es nach 2010 in Vancouver endlich wieder Olympia-Gold gibt.
Jasch vor Weltcup-Debüt
Bis vor 15 Jahren war das deutsche Eisschnelllaufen durch Topläuferinnen erfolgsverwöhnt, erlebt seitdem aber eine medaillenarme Epoche. Jetzt macht der Nachwuchs allerdings Hoffnung. Mit Maira Jasch - Tochter von DESG-Teamleiter Helge Jasch - hat der Verband ein vielversprechendes Talent in seinen Reihen. Die 19-Jährige, deren Schokoladenstrecke die 3.000-m-Distanz ist - steht vor ihrer ersten Weltcup-Saison.
Für Jasch und die anderen jungen Sportler gehe es vordergründig darum, sich an den Weltcup-Rummel inklusive Reisestress zu gewöhnen. "Sie sollen die Erfahrungen mitnehmen und im Weltcup an die Leistungen der Deutschen Meisterschaft anknüpfen. Riesensprünge kann und darf man nicht erwarten", mahnt Seidenglanz zu Geduld.
Top-Talent Sonnekalb hat Olympia 2026 schon im Visier
Finn Sonnekalb
Geduldig muss auch Deutschlands größte Eisschnelllauf-Hoffnung sein. Der erst 17-jährige Finn Sonnekalb läuft Jahr für Jahr Bestzeiten in seiner jeweiligen Altersklasse. Bei den Olympischen Jugendwinterspielen von Gangwon Anfang des Jahres gewann der 1,93 m große Modellathlet drei Goldmedaillen. Bei den "Großen" wird er in diesem Jahr trotzdem noch nicht starten, stattdessen erneut bei den Junioren laufen. "Finn blinzelt schon Richtung Olympia im nächsten Jahr", verrät Seidenglanz, die dem Talent eine große Zukunft prophezeit.
Pechstein: Weltcup-Rückkehr ungewiss
Während Sonnekalb am Beginn seiner Laufbahn steht, scheint die lange Ära von Claudia Pechstein zu Ende zu gehen. Die mittlerweile 52 Jahre alte Berlinerin gehört erstmals seit 2011 nicht zum Weltcup-Team. Ob sie in dieser Saison überhaupt auf die Weltcup-Bühne zurückkehrt, ist offen. Auf die nationalen Meisterschaften hatte die ehemalige Olympiasiegerin wegen der Belastungen durch ihren Millionen-Prozess vor dem Oberlandesgericht München gegen den Eislauf-Weltverband verzichtet.
Und mittlerweile scheint es auch so, als blühe sie als Trainerin auf. Pechstein trainiert am Stützpunkt in Inzell Nachwuchstalente. Wer am vergangenen Wochenende beim Deutschland-Cup in Berlin dabei war, konnte spüren, welche Leidenschaft der Trainer-Job in ihr entfacht. Ihre Erfahrungen und großen Erfolge, so die Hoffnung der DESG, können helfen, dass vielleicht eine Sportlerin oder ein Sportler in Ihre großen Fußstapfen tritt und an die goldenen Zeiten des deutschen Eisschnelllaufens anknüpft.
Das Aufgebot für Nagano
- Frauen: Anna Ostlender, Lea Sophie Scholz, Victoria Stirnemann, Maira Jasch, Josie Hofmann, Michelle Uhrig, Josephine Schlörb
- Männer: Hendrik Dombek, Moritz Klein, Stefan Emele, Tom Rudolph, Patrick Beckert, Fridtjof Petzold, Felix Maly