Kroatiens Trainer Zlatko Dalic mit seinen Spieler Marcelo Brozovic, Luka Modric und Mateo Kovacic

K.o.-Spiel gegen Italien Kroatiens Trainer Dalic - ein Danksager zur falschen Zeit

Stand: 23.06.2024 22:22 Uhr

Der Glanz der "goldenen Generation" ist verblasst: Kroatiens Nationalmannschaft braucht eine Verjüngungskur und gegen Italien zwingend Punkte. Bei der Fußball-EM gerät Kroatiens Trainer Zlatko Dalic in die Kritik.

Von Sanny Stephan, Leipzig

Mal spielte er an seinen Kopfhörern, mal stützte er sein Kinn, mal lächelte er: Zlatko Dalic konnte seine Anspannung am Sonntagabend – genau 25 Stunden vor dem entscheidenden Gruppenspiel gegen Italien (Montag, 24.06.2024, Radioreportage und Liveticker) nicht immer verbergen.

Der erfolgreichste Trainer der kroatischen Nationalmannschafts-Geschichte steht vor seiner vielleicht schwierigsten Mission: Seine Mannschaft braucht in Leipzig gegen Italien einen Sieg, um aus eigener Kraft weiter im Turnier zu bleiben. Bei einer Punkteteilung könnte es als Tabellendritter ins Achtelfinale gehen - dann aber nur mit Schützenhilfe.

"Es ist ein K.o.-Spiel ohne Verlängerung", bringt es der 57-Jährige auf den Punkt und schiebt hinterher: "Es geht morgen um alles, es wird eine historische Partie für uns sein. Wir sind bereit." Für Dalic wird es eine der schwierigsten Prüfungen als Nationaltrainer.

Dalic - vom "No-Name" zum Erfolgstrainer

2017 kam er als "No-Name" und Stationen in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten und bescherte dem kleinen Land östlich der Adria einen Höhenflug. Das unbeschriebene Trainerblatt enterte die europäische Fußballbühne und formte die "goldene Generation" um Luka Modric (38), Ivan Perisic (35), Andrej Kramaric (33), Marcelo Brozovic (31) und Mateo Kovacic (30). Gemeinsam wurden sie 2018 Vize-Weltmeister und holten 2022 WM-Bronze.

Titelkandidat bisher ein Schatten seiner selbst

Es schien eine märchenhafte "never ending story" - bis zur EM in Deutschland, oder besser: bis zur Qualifikation zur EM. Schon da deutete sich nach Niederlagen gegen die Türkei und Wales an, dass Kroatiens Stern so langsam untergeht. Die Lehrvorführung beim EM-Auftakt gegen Spanien (0:3) bestätigte den Eindruck, auch gegen Albanien (2:2) konnten die Kroaten kein Ausrufezeichen setzen. "Nun", sagt Dalic, "ist der Druck groß. Wir wollen noch nicht abreisen."

Nach dem schwachen Start ist dem Nationalhelden viel Gegenwind entgegengeweht. Der Kader zu alt, das Mittelfeld zu schwach. Dalic hatte die Vorwürfe zumeist weggelächelt. Am Sonntag räumte er ein, dass die Spieler "älter geworden sind". Vor allem Perisic sei bei der WM in Katar viel aktiver und in besserer Form gewesen.

Kroatiens Ivan Perisic in Aktion

Kroatiens Ivan Perisic ist bei der EM auf Formsuche.

Kader überaltert

Die Kaderzusammenstellung muss sich der Coach ankreiden lassen. Nur acht der 26 Spieler, die das EM-Ticket buchten, sind jünger als 25. Gegen Albanien lief die älteste kroatische Mannschaft auf, die es jemals bei einer EM gab. Das Durchschnittsalter: 30 Jahre.

Es macht den Eindruck, als wolle der 57-Jährige, der in der Vergangenheit von den Fähigkeiten eines Modric, Perisic oder Kramaric profitierte, auch etwas zurückgeben. Die große Bühne als eine Form der Dankbarkeit quasi.

Oliver Soos, Sportschau, 24.06.2024 07:55 Uhr

Deutschland macht es vor

Wie es anders und erfolgreich laufen kann, zeigt die deutsche Mannschaft. Bundestrainer Julian Nagelsmann hat nicht nach Verdiensten, sondern nach Leistung nominiert und stellt auch genau so auf. Mit Maximilian Mittelstädt, Deniz Undav, Chris Führich, Maximilian Beier und Waldemar Anton berief er Nationalelf-unerfahrene Spieler - und schenkt ihnen auch Spielzeit.

Insgesamt hat die deutsche Mannschaft das höchste Durchschnittsalter des Turniers, noch vor den Kroaten. Aber: Routiniers wie Thomas Müller sind mittlerweile Ergänzungsspieler und akzeptieren die Rolle.

Kovacic: Letzter Tanz kein Thema

Womöglich ist es für Modric und die Ü30-Riege gegen Italien der letzte EM-Tanz, doch daran verschwende man keine Gedanken, versichert Mittelfeldmann Kovacic, der neben seinem Trainer auf dem Podium sitzt: "Es ist kein Thema bei uns, dass unsere Generation zu Ende geht. Wir beschäftigen uns nur mit dem Spiel morgen, mit nichts anderem."

Dass die EM aus Sicht der Kroaten noch eine erfolgreiche wird, ist nach den beiden Darbietungen schwer vorstellbar. Ein Mutmacher könnte der Blick in die Geschichtsbücher sein. Vor sage und schreibe 82 Jahren verlor Kroatien zum letzten Mal gegen Italien.

Sollte diese Serie reißen und das Dalic-Team in Leipzig gegen den Titelverteidiger stolpern, wäre das Ende der "goldenen Generation" unrühmlich - ohne Glanz und Glamour.