Kylian Mbappe (L) und Ronald Koeman
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Erste Nullnummer der EM Noch kein EM-Tor - Frankreich genervt von der Ladehemmung

Stand: 22.06.2024 07:56 Uhr

Dieser EM-Knaller hielt nicht das, was er versprach. Das Topduell zwischen den Niederlanden und Frankreich endete am Freitagabend (21.06.2024) ohne Tore und kann kurz und knackig zusammengefasst werden: Stark begonnen, stark nachgelassen.

Von Sanny Stephan, Leipzig

Ronald Koeman steuerte nach dem Abpfiff im Leipzig Stadium schnurstracks auf Kylian Mbappé zu. Der Bondscoach lächelte und tätschelte die "Nase der Nation". Er war sichtlich zufrieden - über das 0:0 und wohl auch über die Tatsache, dass der Schlüsselspieler der "Equipe Tricolore" nach seinem Nasenbeinbruch nicht mitmischen und den Niederlanden die Laune verderben konnte. Das war dem "Holland-Albtraum" Mbappé in den beiden Qualifikationsspielen mit vier Toren noch glänzend gelungen.

17 Versuche, null Treffer

Doch bei der EM klemmt es in der Offensive der Franzosen. Wie schon gegen Österreich (1:0-Sieg durch ein Eigentor von Maximilian Wöber) haperte es an der Effizienz. Diesmal reichten 17 Torabschlüsse nicht für einen Treffer. Was auch an der Qualität der Chancen lag: Nur drei der abgegebenen Torschüsse kamen wirklich auf das Tor. 

Schlaflose Nächte bereitet Trainer Didier Deschamps die Ladehemmung nicht. "Nein, ich mache mir keine Sorgen", winkte er kurz vor Mitternacht auf dem Podium während der Pressekonferenz ab. "Schlimmer", sagte Deschamps, "wäre es, wenn wir keine Chancen gehabt hätten."

Griezmann mit den besten Möglichkeiten

Dennoch ist das Problem der Chancenverwertung unübersehbar. Es war haarsträubend, wie viele gute Tormöglichkeiten fahrlässig verdaddelt worden. Kapitän Antoine Griezmann spielte sich in dieser Hinsicht besonders in den Vordergrund. Zweimal bekam er den Ball fünf Meter vor dem Tor serviert, beide Male erwischte er den ersten Kontakt nicht sauber und verstolperte. "Ich hatte zwei Superchancen, die bleiben in den Füßen hängen. Wir waren defensiv gut, wir waren taktisch gut, jetzt fehlt nur das verdammte Tor für die Angreifer", ärgerte sich der Stürmer.

Niederlande gegen Frankreich - die Analyse

Sportschau UEFA EURO 2024

Leipziger Xavi im Wechselbad der Gefühle

Dass die "Les Bleus" noch ohne eigenen Treffer dasteht, schmeckt auch dem Trainer nicht. "Wir haben Luft nach oben", machte er deutlich. Es waren die einzigen kritischen Worte an diesem Abend. Ob Monsieur Deschamps die Torflaute so weggelächelt hätte, wenn das vermeintliche Tor des Abends durch Xavi Simons nicht vom Video-Schiedsrichter einkassiert worden wäre, ist schwer vorstellbar (72.).

Der 21-Jährige traf aus dem Hinterhalt. Blitzsauber und unhaltbar. Ein Tor in seinem Wohnzimmer - der Offensivmann von RB Leipzig flippte vor Freude aus und landete innerhalb von drei Minuten vom siebten Himmel in der Hölle. Ein Pfiff von Anthony Taylor aus England bremste den Torjubel von Xavi und den tausenden Oranje-Fans. Nach langer Überprüfung folgte die Bestätigung: kein Tor, weil Denzel Dumfries beim Schuss im Abseits stand und den Torwart behindert haben soll. Eine Entscheidung, die bei Koeman für Entsetzen sorgte. "Ich denke, das Tor war korrekt", sagte der Bondscoach, der dennoch "mit dem Ergebnis gut leben konnte".

Koeman: "Nicht so gut wie Frankreich"

Seine Mannschaft sei nicht immer auf der Höhe gewesen, habe bei Ballbesitz unter Niveau gespielt. Zu selten waren die Pressing-Phasen, die die Franzosen durchaus stressten. "Wir müssen immer noch wachsen und sind nicht so gut wie Frankreich", befand der frühere Weltklasse-Abwehrspieler. Dieses Fazit spiegelte sich in den Zahlen wider. Mit Ausnahme der gewonnenen Zweikämpfe in der Luft waren die Niederlande in allen Statistiken unterlegen, aber punktetechnisch genauso gut wie Frankreich.

Das heißt auch, dass die Koeman-Elf die schwierige Gruppe D sogar noch als Tabellenerster abschließen könnte. Dafür müsste das letzte Gruppenspiel (25.06.2024, 18 Uhr) gegen Österreich gewonnen werden und Frankreich dürfte zeitgleich gegen die bereits ausgeschiedenen Polen nicht höher als die Niederlande triumphieren.

Mbappé-Stopp Vorsichtsmaßnahme

Hält die Torflaute an, ist das gar nicht abwegig. Nach der Nullnummer dürfte die Rückkehr von Ausnahme-Stürmer Mbappé befeuert werden. Wenn nichts Außergewöhnliches passiert, wird der Kapitän zurückkehren - mit UEFA-konformer schwarzer Maske. Das plauderte Mbappé-Freund Xavi am Sportschau-Mikrofon schon mal aus. "Er hat noch ein bisschen Schmerzen, aber es wird gut sein beim nächsten Spiel."

Dass Mbappé gegen die Niederlande nicht spielte, war eine reine Vorsichtsmaßnahme: "Wenn es ein entscheidendes Spiel gewesen wäre, hätte ich vielleicht zwei Mal nachgedacht, ob ich ihn bringe", sagte Deschamps. Mit vier Punkten ist der aktuelle Vize-Weltmeister voll im Soll.

"Player of the Match", N'Golo Kanté, ließ ohnehin keinen Zweifel am Gruppensieg aufkommen und dachte sich: In der Kürze liegt die Würze. 110 Sekunden dauerte sein Auftritt, der gute Chancen auf die kürzeste Pressekonferenz aller Zeiten hat. Das Fazit: "Wir haben das Spiel dominiert, sind ein bisschen traurig, dass wir nicht gewonnen haben, aber es sieht gut aus für die Zukunft. Wir wollen Erster werden. Das war kurz, aber wir müssen jetzt los." Sprach's und verschwand in der Leipziger Nacht.