EM-Titel als Spieler und Trainer? Koeman und Deschamps - Weltstars auf der Trainerbank
Das Topduell in der "Todesgruppe" D zwischen den Niederlanden und Frankreich am Freitag in Leipzig ist auch das Duell zweier Weltstars auf der Trainerbank: Ronald Koeman und Didier Deschamps. Als Spieler waren beide schon Europameister, jetzt wollen sie als Trainer auf den EM-Thron.
Europameister als Spieler und als Trainer - dieses Kunststück hat in der langen Fußball-Historie bisher nur einer vollbracht. Wer jetzt auf Franz Beckenbauer tippt, liegt falsch. Berti Vogts wäre die richtige Antwort.
Der "Terrier" von Borussia Mönchengladbach ist bisher der Einzige, der als Spieler und Trainer bei einer EM triumphierte. 1972 gewann der Abwehrspieler den Titel als Ergänzungsspieler: Er kam zwar nicht zum Einsatz, gehörte aber zum Kader. 1996 führte Vogts das deutsche Team dann als Nationaltrainer zum EM-Sieg.
Weltmeister und Europameister auf der Trainerbank
Vogts' Erfolge als Trainer waren deutlich größer als die, die er als Spieler feierte. Das gilt für die beiden Weltstars, die am am Freitag (21.06.2024, Livestream, Radioreportage und Liveticker) auf der Bank der Niederlande und Frankreich sitzen, (noch) nicht.
"Les Bleus"-Trainer Deschamps war einer der Protagonisten der größten Ära des französischen Fußballs und wurde als Kapitän Weltmeister 1998 und Europameister 2000. Als die "Elftal" 1988 bei der EM in Deutschland ihren bislang einzigen großen Titel gewann, brillierte Koeman als Abwehr-Boss. Beide waren außergewöhnlich als Spieler, einer von ihnen ist es bereits auch als Trainer.
Deschamps ist "ein Siegertyp"
So galant wie Deschamps einst als Kapitän das Mittelfeld der "Équipe Tricolore" dirigierte und den Laden zusammenhielt, so souverän schwingt er seit zwölf Jahren den Taktstock als Chefcoach. Der 55-Jährige formte aus Einzelkönnern ein homogenes Team und wurde 2018 mit Frankreich Weltmeister.
Frankreichs Antoine Griezmann neben Trainer Didier Deschamps
"Sein Erfolg ist der Kader, den er zusammenstellt. Er sieht das kleine taktische Detail, er irrt sich sehr selten und ist ein Siegertyp. Das spüren wir in der Kabine", schwärmte Offensivkünstler Antoine Griezmann am Donnerstag von seinem Trainer.
Leipzig kein gutes Pflaster für Frankreich
Der asketische Monsieur Deschamps gibt sich am Tag vor dem Knaller des zweiten Gruppenspieltags während der Pressekonferenz gesprächig, lässig und überzeugend. "Ich habe immer recht", sagte er mit einem Augenzwinkern und warnte vorm Gegner, den Frankreich in der EM-Quali gleich zwei Mal besiegt hatte. "Es wird kein Vergleich zu diesen Spielen sein. Beide wollen sich qualifizieren. Es wird ein sehr schweres Spiel", prophezeite der Coach.
Einfach war es für Frankreich bei großen Spielen in Leipzig nicht. Bei der WM 2006 kamen die Franzosen in dem Stadion, in dem seit 2009 RB Leipzig zu Hause ist, nicht über ein 1:1 gegen Südkorea hinaus. Zinédine Zidane trat vor Wut die Kabinentür ein. Sein Fußabdruck ist heute ein Erinnerungsstück in den Katakomben der Arena.
1988 - der Koeman-Skandal um ein deutsches Trikot
Ein Heißsporn war auch Koeman - das hatte allerdings weniger mit Leipzig und mehr mit der deutsch-niederländischen Fußballrivalität zu tun. Die Älteren werden nie vergessen, was Koeman nicht mehr sehen und hören mag. EM-Halbfinale 1988, Hamburg. Die Niederlande gewinnen ein hochemotionales Spiel mit 2:1 gegen Deutschland. Nach dem Abpfiff tauscht Koeman das Trikot mit Olaf Thon und wischt sich damit symbolisch den Hintern ab.
Nach dem Sieg über Deutschland wischt sich Hollands Ronald Koeman mit dem Nationaltrikot von Olaf Thon symbolisch den Hintern ab
Wenn man Koeman jetzt auf dem Podium sieht, ist es schwer vorstellbar, dass er einst derart den Verstand verlor. Er lächelt, wenn er spricht. Antwortet ruhig und ausschweifend, lobt die Franzosen ("Wir müssen auf die Geschwindigkeit aufpassen") und fordert "90 Minuten auf höchstem Niveau und nicht nur 60 wie gegen Polen".
Koeman ohne Erfolgserlebnis gegen Deschamps
Vom Abwehrrambo Koeman, der als Spieler gern mal provozierte, ist nichts zu spüren. Der 61-Jährige genießt das Turnier und seine Rolle sichtlich. Nach dem geglückten Start und dem 2:1-Sieg gegen Polen ist er überzeugt, dass sich seine Mannschaft anders als in den vergangenen Spielen gegen die Franzosen präsentieren werde und er seine persönliche Bilanz aufpolieren kann. Im direkten Duell mit Deschamps zog Koeman bisher den Kürzeren - als Spieler und Trainer.
"Das darf gern so weitergehen", schmunzelte Deschamps am Donnerstag, nur beim Thema Kylian Mbappé gab er sich reserviert. Er sei auf dem "richtigen Weg". Man werde alles tun, damit er spielen könne.
Kein Wunder: Der Torjäger, der sich beim Auftaktsieg gegen Österreich (1:0) die Nase brach, ist der Albtraum der Niederlande, traf in fünf Länderspielen sechs Mal. Die "Nase der Nation" wird genau beobachtet - nicht nur von den beiden früheren Weltstars auf der Trainerbank.