Wieder Hamburg, wieder spätes 2:1 Niederlande feiern gegen Polen "historischen Sieg"
Die Niederlande bei der EM in Hamburg? Da war doch was! Wie vor 36 Jahren im Halbfinale gegen Deutschland gewann die "Elftal" am Sonntag (16.06.2024) spät mit 2:1 gegen Polen. Diesmal war es zwar nur das Auftaktspiel - aber dieser Sieg könnte das Team von Trainer Ronald Koeman durch das Turnier tragen.
Die Fans wussten ganz genau, wem sie den Sieg zu verdanken hatten. Nachdem die Mannschaft vor der Südtribüne in Hamburg gefeiert worden war, bekam Wout Weghorst noch mal eine große Portion Extra-Applaus. Der 31-Jährige hatte einmal mehr seinem Ruf als Super-Joker Ehre gemacht - und keine zwei Minuten nach seiner Einwechslung den lange überfälligen zweiten Treffer gegen die Polen erzielt. Er strahlte ob der Sonderbehandlung von Tausenden niederländischen Fans über das ganze Gesicht.
Und auch Koeman war sehr zufrieden. "Als ich Wout vor dem Spiel gesagt habe, dass er nicht in der Startelf stehen wird, war er verärgert. Und dass er weiter viel dafür macht, dass er von Beginn an spielt, ist gut", sagte der Bondscoach mit einem Augenzwinkern.
Fans lassen Sieg gegen Deutschland 1988 auferstehen
Dank Weghorst hat sich für Koeman und die Niederlande in Hamburg ein Kreis geschlossen. Dass es nicht irgendein EM-Spiel war, hatten die Fans schon vor dem Anpfiff deutlich gemacht. Mit sechs großen Fotos auf riesigen Doppelstockhaltern hatten sie die Geschehnisse von 1988 wieder auferstehen lassen. Nach der deutschen 1:0-Führung von Matthäus hatte zunächst Koeman höchstpersönlich ebenfalls vom Punkt ausgeglichen. Stürmerstar Marco van Basten hatte in der Schlussphase zum 2:1-Sieg für "Oranje" getroffen.
Niederländische Fans erinnern an den EM-Sieg 1988
Passend zur Choreo waren Replika der damaligen Trikots 36 Jahre später in Hamburg sehr weit verbreitet. Dazu Locken-Perücken und aufgeklebte dicke Schnauzbärte. Und so lagen sich auf der Tribüne Ruud Gullit, Frank Rijkaard und Marco van Basten in den Armen - jedenfalls stand das auf ihren Jerseys.
Wie 1988: In Hamburg waren Schnurrbärte und Perücken hoch im Kurs.
Drei Männer hatten sich die Trikots mit je einem Treffer aus der Torfolge von damals beflockt - zusammen bildeten sie den Halbfinal-Sieg der Niederlande gegen die DFB-Auswahl von Franz Beckenbauer ab.
Koeman zwischen Kontrolle und Risiko
Die Stars von heute heißen Virgil van Dijk und Memphis Depay, aber auch Ausgleichstorschütze Cody Gakpo und Nathan Aké, der beide Treffer sehenswert vorbereitet hatte. "Wir waren nach Polens 1:0 nervös. Aber wir hatten die Kontrolle", betonte Gakpo, der zum offiziellen Spieler des Spiels gewählt wurde. Der Außenseiter war mit der ersten Torchance durch einen Kopfball von Lewandowski-Vertreter Adam Buksa überraschend in Führung gegangen.
Die Mannschaft hat sehr gut gespielt, aber es hätten einfach mehr Tore sein müssen.
4:1 hätte sein Team nach 60 Minuten führen müssen, ärgerte sich Koeman: "Die Mannschaft hat sehr gut gespielt, aber es hätten einfach mehr Tore sein müssen." Nach 60 Minuten drehten die Polen auf, das Spiel drohte zu kippen. "Das war eine gefährliche Phase", erklärte Gakpo. Und Koeman, der schnell mit zwei Wechseln reagierte und auch am Ende das goldene Händchen hatte, fügte hinzu: "Wir hatten Vertrauen in uns und sind Risiko gegangen. Glücklicherweise haben wir am Ende noch das zweite Tor geschossen."
Niederländische Fans haben Hamburg fest im Griff
Großen Anteil an der Energieleistung der Niederländer hatten rund 30.000 Fans in Orange. "It's massive", hatte Kapitän van Dijk schon am Vortag zur Unterstützung der eigenen Anhänger gesagt. Die Polizei hatte am Samstagabend die Reeperbahn und die angrenzenden Straßen sperren müssen, weil so viele EM-Touristen unterwegs waren. Vor allem Niederländer, aber auch viele Polen. Beim orange-farbenen Fanmarsch am Spieltag rund um das Heiligengeistfeld, wo das Fanfest stattfindet, waren bis zu 40.000 niederländische Fans mit dabei.
Auch im Stadion gab "Oranje" eindeutig den Ton an - immer wieder ohrenbetäubend. Und immer, wenn die polnische Nordtribüne versuchte, zum Beispiel durch Auspfeifen der "Elftal" Akzente zu setzen, meldete sich sofort der niederländische Chor zu Wort und übertönte die gegnerischen Anhänger.
1988 startete die "Elftal" mit einer Niederlage in die EM
"Sie haben uns so sehr unterstützt. Sie sind immer für uns da und wir können auf sie bauen", freute sich Gakpo. "Mit ihrer Hilfe schaffen wir es auch durch schwierige Zeiten."
Die sind programmiert - mit den weiteren Gruppenspielen gegen Frankreich (21.06.2024) und gegen Österreich (25.06.2024). Und auch wenn Gullit, Rijkaard und van Basten längst nicht mehr selbst kicken - am Ende kann auch ein "Youngster" wie Weghorst mit seinen 31 Jahren noch für großen Jubel sorgen. 1988, als die Niederlande den bis heute einzigen großen Titel gewann, war die "Elftal" mit einem 0:1 gegen die Sowjetunion ins Turnier in Deutschland gestartet. Der späte, aber hochverdiente 2:1-Erfolg gegen Polen soll das Team nun durch die EM 2024 tragen.