Teamcheck Niederlande
analyse

EM-Teamcheck, Gruppe D Niederlande mit einigen Fragezeichen

Stand: 13.06.2024 00:08 Uhr

Die Niederlande haben in Deutschland ihren größten Erfolg überhaupt gelandet: 1988 gewannen sie in München den EM-Titel. Jetzt gibt es ein paar Fragezeichen rund um das "Oranje"-Team.

Ohne ihren Mittelfeldstrategen Frenkie de Jong, der nun doch wegen seiner langwierigen Fußverletzung ausfällt, muss die Elftal durch die Gruppe mit Frankreich, Österreich und Polen manövrieren. Offen ist unter anderem auch, auf wen Bondscoach Ronald Koeman in der zentralen Spitze und im Tor setzen wird.

Ausgangslage

Auf das Wiedersehen mit Frankreich schon in der Gruppenphase der EURO hätten die Niederlande sicher gern verzichtet. "Oranje" qualifizierte sich nämlich hinter Frankreich nur als Zweiter der Gruppe B für die EM und holte sich im direkten Duell mit dem Turnierfavoriten zwei Niederlagen ab: 0:4 und 1:2.

Bei den Tests im März gelang zunächst ein vermeintlich glattes 4:0 gegen Schottland, allerdings stand es nach 70 ziemlich mauen Minuten nur 1:0 für die "Elftal". Anschließend folgte ein 1:2 in Deutschland mit guten und schlechten Spielphasen. Unmittelbar vor der EM gab es dann wieder souveräne 4:0-Erfolge gegen Kanada und Island - die jedoch getrübt wurden von einer weiteren Verletzung: Teun Koopmeiners verletzte sich beim Aufwärmen vor dem Island-Spiel an der Leiste und musste wie de Jong abreisen. Für sie wurden Dortmunds Ian Maatsen und am Dienstag (12.06.24) der frühere Bayernstürmer Joshua Zirkzee nachnomminiert.

Trainer

Wenn man sich seine Vita als Vereinsfußballer durchliest, müsste es eigentlich per se Spaß machen, sich die Partien von Ronald Koeman als Trainer anzuschauen: Über den FC Groningen kam der Abwehrspieler zu Ajax Amsterdam, zur PSV Eindhoven und zum FC Barcelona – der Hang zum schönen Fußball ist in Europa kaum irgendwo größer als bei diesen drei Klubs.

So richtig transportiert hat Koeman die Philosophie dieser Vereine allerdings in seine spätere berufliche Laufbahn nur selten, er interpretiert das 4-3-3-System sehr defensiv. Zuletzt setzte er sogar ganz holland-untypisch auf eine Dreier- oder Fünferkette mit noch mindestens einem, manchmal sogar zwei Abräumern davor.

Von 2018 bis 2020 war Koeman schon mal Bondscoach, von 20 Spielen gewann er elf, ehe er zurück auf die Vereinsbasis ging. Dort scheiterte er beim FC Barcelona krachend und wurde nach 14 Monaten und einer 0:1-Niederlage bei Rayo Vallecano gefeuert – auf Platz neun (!).

Zur "Elftal" zurück durfte Koeman zu Jahresbeginn 2023 dennoch, er gilt nicht gerade als großer Freund und Förderer von Spielern aus der Bundesliga, im Gegenteil: Selbst Ausnahmekönner wie Xavi Simons (Leipzig) und Jeremie Frimpong (Leverkusen) wurden erst ganz spät nominiert und fingen sich von ihm schon des Öfteren harsche öffentliche Kritik ein.

Superstar

Wenn es einen Spielertyp gibt, für den die Beschreibung "Fels in der Brandung" erfunden wurde, dann ist das diese holländische Eiche: Virgil van Dijk hat auch mit 32 immer noch eine einzigartige Austrahlung auf dem Platz, niemand sucht gegen ihn gern die Zweikämpfe, vor allem nicht in der Luft. Dass die Startgeschwindigkeit nicht die herausragende Stärke des Abwehrchefs der Niederländer ist, kompensiert der 1,95-Meter-Hüne durch ein Stellungsspiel, das im europäischen Spitzenfußball nach wie vor seinesgleichen sucht.

Was ein wenig erstaunt, ist sein etwas abhanden gekommenes Timing im Offensiv-Kopfball. Dafür, dass van Dijk in Liverpool und mit der "Elftal" bei jedem Standard mit in die Spitze geht, sind zwei Treffer in der abgelaufenen Premier-League-Saison und mittlerweile sieben Monate ohne Erfolgserlebnis für "Oranje" schon höchst erstaunlich.

Player to watch

Eigentlich ist Xavier Quentin Shay (kurz: Xavi) Simons natürlich kein Geheimtipp. Er gehört Paris St. Germain, hat für RB Leipzig eine Riesen-Saison gespielt und war an 21 Toren direkt beteiligt. Aber für die Fans der Niederländer, die die Bundesliga nicht so intensiv verfolgen, ist er eine ziemliche Wundertüte, was an ihrem Bondscoach liegt. Koeman hat den Filigran-Techniker bisher noch nicht so wirklich für sich entdeckt.

Und nach der 1:2-Niederlage zuletzt gegen Deutschland suchte er sich ausgerechnet den Spielgestalter, den er erst in der 89. Minute eingewechselt hatte, als Sündenbock heraus: Xavi müsse lernen, dass "es im Oranje-Team kein Vorteil ist, den Ball im Dribbling zu verlieren", ätzte Koeman. Die Klasse dieses Spielers sollte sich allerdings trotz seines Trainers auch in der "Elftal" durchsetzen, vielleicht sogar schon bei dieser EM.

Fußballspieler Xavi Simons im Trikot der niederländischen Nationalmannschaft

Fußballspieler Xavi Simons im Trikot der niederländischen Nationalmannschaft

Nice to know

Ein Tor des Jahrhunderts gelang den Niederlanden in Deutschland, und zwar im Finale der Europameisterschaft 1988 im Münchner Olympiastadion am 25. Juni. Beim 2:0 gegen die Sowjetunion hatte Ruud Gullit "Oranje" in der ersten Halbzeit auf Kurs gebracht, ehe Marco van Basten mit einem sensationellen Volleyschuss aus eigentlich unmöglich spitzem Winkel in der 52. Minute für die Entscheidung sorgte.

Historische Momente wie dieser helfen natürlich aktuell auch nicht mehr groß weiter. Als die Niederlande im März gegen das im Nachbarland deutlich schwächer eingeschätzte DFB-Team verloren, schlug die heimische Presse sofort Großalarm: "Man hatte den Eindruck, dass das Wachsfigurenkabinett in Frankfurt angetreten ist, so wenig Bewegung war im Oranje-Team", polterte die sonst eher gemäßigte "Volkskrant".

So könnten sie spielen

Die niederländische Nationalmannschaft läuft traditionell - und auch in den abschließenden Testspielen vor der EM - ganz nach der klassischen Ajax-Schule in einem 4-3-3 System auf. Unter Ronald Koeman war es zuvor auch immer wieder ein 3-4-3 - aber auch zwei Spitzen sind eine mögliche Variante.

Die mögliche Aufstellung der Niederlande

Die mögliche Aufstellung der Niederlande