EM-Teamcheck, Gruppe D Polen hängt voll am Lewandowski-Tropf
Polen setzt bei der EURO nach wie vor auf die älteren Herrschaften - ohne die Tore von Robert Lewandowski geht im Team des ehemaligen Bundesliga-Profis Michal Probierz gar nichts.
Immerhin scheinen die Nerven bestens zu sein: Im Elfmeterschießen der Playoffs setzte sich das polnische Team im letzten Schuss gegen Wales durch: Alle fünf Schützen der Polen verwandelten ziemlich sicher, dann hielt Star-Keeper Wojciech Szczęsny den entscheidenden Ball von Dan James und die Teilnahme in Deutschland war perfekt.
Ausgangslage
Die Gruppengegner für das polnische Team könnten kaum härter sein: Gegen Frankreich, Österreich und die Niederlande ist die Mannschaft dreimal klarer Außenseiter, das Erreichen der K.o.-Runde wäre folglich eine Riesen-Überraschung. Wie weit das Team aber von seinen besten Tagen entfernt ist, zeigte die Quali-Phase: Am letzten Spieltag reichte es gegen Moldau nur zu einem peinlichen 1:1, bei einer Niederlage wären sogar Gruppenplatz drei (von fünf Teams) und das Erreichen der Playoffs passé gewesen.
Im Play-off-Halbfinale gab es aber immerhin ein 5:1 gegen Estland, das als kleiner Mutmacher dienen könnte - auch wenn der hohe Sieg erst in den letzten 20 Minuten klargemacht wurde.
Trainer
Die EM ist für Michal Probierz auch ein kleines Heimspiel, als Profi hat der 51-Jährige in Deutschland eine absolut ausgeglichene Bilanz: Elf Siege mit Bayer Uerdingen und der SG Wattenscheid 09 stehen elf Niederlagen gegenüber, sieben Mal spielten diese Teams mit Probierz in der Mannschaft unentschieden. 26 seiner 29 Pflichtspiele waren in der 2. Liga.
Aber der in Bytom geborene ehemalige Mittelfeldspieler darf sich auch Bundesligaspieler nennen: Drei Mal lief er für die Uerdinger in der Bundesliga auf, darunter am 6. Mai 1995 auch für 16 Minuten gegen Bayern München mit Coach Giovanni Trapattoni. Uerdingen verlor trotz Joker Probierz unglücklich mit 1:2, Christian Nerlinger und Mehmet Scholl hatten schon vor der Einwechslung des Polen alles klargemacht.
Als Coach hat Probierz schon viele Stationen hinter sich, unter anderem coachte er Widzew Lodz, Aris Saloniki und Wisla Krakau. Am häufigsten ließ er eine 3-4-2-1-Formation auflaufen. Seine durchschnittliche Verweildauer bei den Klubs liegt nur bei 1,19 Jahren, als Coach der polnischen U21 war er immerhin zwei Jahre und zwei Monate tätig, ehe ihn der Verband als Nachfolger von Fernando Santos am 20. September 2023 zum A-Team abkommandierte.
Superstar
Für Robert Lewandowski wird die EM in jedem Fall spannend. Nicht, dass einer wie er mit 35 Jahren noch so ein Turnier als Schaufenster bräuchte, um seine Zukunft zu bewerben – doch so ganz klar ist es nicht, ob er nach dem Turnier zum FC Barcelona zurückkehrt oder sich der Verein in der zentralen Spitze anders aufstellen möchte.
Lewandowski hat zwar noch einen Vertrag bis 2026 bei den Katalenen, doch die sportliche Leitung hat schon relativ unverblümt ausgesprochen, dass man sich erst nach der EURO mit der Zukunft von Lewandowski befassen werde - obwohl die Verpflichtung von Hansi Flick als Coach sicher kein Nachteil für Lewandowski ist.
Nicht ausgeschlossen ist dennoch, dass sich die Stürmerlegende sein letztes Vertragsjahr ausbezahlen lässt und nochmal einen neuen Klub sucht. Seine Saison hatte Höhen und Tiefen: Es war mal keine jenseits der 30-Tore-Marke, aber 19 Treffer und acht Vorlagen in La Liga sind jetzt auch kein Armutszeugnis.
Im polnischen Team ist er jedenfalls nach wie vor der absolute Frontmann, das in weiten Teilen etwas in die Jahre gekommene Team kann in Deutschland nur Erfolg haben, wenn Lewandowski in Torlaune ist. Zu groß ist die Leistungslücke zu den möglichen Alternativen wie Ex-Herthaner Krzystof Piatek oder Karol Swiderski (Verona), der sich im letzten Test gegen die Türkei auch noch verletzt haben könnte.
Noch schlimmer: Auch Lewandowski musste aufgrund einer Verletzung in dieser Partie ausgewechselt werden und wird mindestens im ersten Gruppenspiel fehlen. Arkadiusz Milik ist aufgrund einer Muskelverletzung schon nicht bei der EM dabei.
Player to watch
Zugegeben, man muss in der nicht mehr ganz taufrischen polnischen Nationalmannschaft schon ziemlich intensiv suchen, um überhaupt einen Youngster mit Top-Perspektive herauszufiltern. Nicola Zalewski ist derzeit der einzige aus der U23-Fraktion, der Stammplatz-Potenzial hat und bei dieser EM auch den nächsten großen Karriereschritt machen könnte. Der linke Mittelfeldspieler spielt bei der AS Rom, und das schon immer: Er ist im italienischen Tivoli geboren und hat bei der Roma die Jugendschule durchlaufen.
Roms Nicola Zalewski hat den Ball fest im Blick
Was Zalewski auszeichnet, ist die Kombination aus Technik und Laufstärke, er kurbelt an und sichert ab, aber er hat bislang ein großes Manko: Er ist kein Scorer. Zwar glänzt Zalewski oft mit dem "second assist", also dem vorletzten Pass, doch in die großen Wertungen der Saison schafft er es bisher nicht. In 22 Partien für die Römer kam er in der abgelaufenen Spielzeit auf eine Vorlage und null Tore, für die Nationalelf hat er in 16 Partien vor der EURO auch noch nicht getroffen - das EM-Turnier wäre sicher nicht der schlechteste Zeitpunkt für sein Tor-Debüt.
Nice to know
Wirklich erstaunlich: Während beispielsweise Nationen wie die Schweiz, Österreich oder Kroatien auf zahlreiche Legionäre aus der Bundesliga setzen, kommt der Kader der Polen komplett ohne Personal aus dem deutschen Oberhaus aus. Aber immerhin ist ein DFB-Pokal-Finalist dabei: Tymoteusz Puchacz vom 1. FC Kaiserslautern steht im Aufgebot von Michal Probiertz. Die Polen haben sich bislang viermal für eine EM-Endrunde qualifiziert - und das waren die vier jüngsten Turniere. Das Viertelfinale 2016 war der bislang größte Erfolg.
So könnten sie spielen
In den vergangenen Partien setzte Trainer Probierz auf ein 3-5-2 System, gut möglich, dass er so auch in die EM startet.
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