Weltcup-Premiere für Biathlet Danilo Riethmüller "Die drücke ich bis zum Anschlag rein, dann ist es leise"
Erst unter dem Radar, dann in aller Munde - so lief der erste Auftritt von Danilo Riethmüller in Antholz. Er ist einer der jungen deutschen Biathleten, die derzeit im Weltcup glänzen: sein leise-lautes Debüt in Südtirol.
Ein paar Kuchen-Streussel liegen noch auf seinem Teller. Er sitzt entspannt zurückgelehnt auf der Holzbank. Die Hände hat Danilo Riethmüller auf dem Tisch gefaltet. So richtig fassen, was ihm da im Einzelrennen von Antholz gelungen ist, kann er noch nicht: "Ich bin ein ruhiger Typ und momentan noch zu kaputt, um das zu realisieren. Ich glaube, ich muss mir erstmal die Wiederholung anschauen, aktuell überwiegt einfach die Freude."
Gemeinsam mit Sportdirektor Felix Bitterling sitzt der 24-Jährige am frühen Donnerstagabend im Hotel zur Rennauswertung, mit dem Mann, der ihn erst am Morgen nach Antholz berufen hatte. Um den sonst so stillen Harzer, war es mächtig laut geworden.
Per Anruf zum Weltcup
"Ich habe von „gut&günstig" ein paar Einweg-Ohrstöpsel, die drücke ich mir bis zum Anschlag rein, dann ist es schön leise“, dieser Kommentar von Riethmüller hatte nach seinem sensationellen 7. Platz für Lacher in der Mixed-Zone, dem Interviewbereich, gesorgt. Doch die kuriose Reise begann bereits viele Stunden zuvor.
Danilo Riethmüller startete bislang im IBU-Cup, der zweiten Liga im Biathlon-Zirkus. Dort hatte er in dieser Saison auf sich aufmerksam gemacht, zuletzt mit einem Sieg in Ridnaun. Am Donnerstagmorgen saß er gerade im Auto auf dem Weg zum Training, als das Handy seines Trainers Roland Biermaier klingelte, am anderen Ende der Leitung war der Sportdirektor.
"Auf einmal meinte der Roland, fahr rechts ran, wir drehen um. Da war mir klar, was passiert", beschreibt es Riethmüller. In dieser Saison bekamen schon öfter junge, aufstrebende Athleten im Verband ihre Chance, zuletzt Julia Tannheimer in Ruhpolding und jetzt eben Riehtmüller.
"Da habe ich gemerkt, das es Bock macht, mich zu quälen"
Mit zehn Jahren kam der Antholz-Debütant zum Biathlonsport, mehr oder weniger zufällig: „Angefangen hat es mal mit Mountainbiken, da habe ich gemerkt, dass ich Bock habe, mich zu quälen. Aber im Winter hatte ich nix, laufen finde ich langweilig. Da bin ich mal auf den Sonnenberg gefahren und habe die Biathleten beim Training gesehen, mit einer Knarre auf dem Rücken, das fand ich cool.
Mittlerweile lebt er mit seiner Freundin und Dackel "Heido" in Oberhof, trainiert am Stützpunkt und startet für den WSV Clausthal Zellerfeld, für den auch der Olympiasieger und heutige Sportschau-Experte Arnd Peiffer unterwegs war. In den vergangenen Jahren lief es nicht so gut, Riethmüller musste darum kämpfen, um überhaupt im Kader zu bleiben. "Krankheiten wie Borreliose durch einen Zeckenbiss, Corona und Übertraining haben mich immer wieder zurückgeworfen, da waren keinen Gedanken an den Weltcup."
Lastminute-Streckencheck mit dem Bundestrainer
Doch nun sollte es anders kommen. Danilo Riethmüller war bereits auf dem Weg nach Antholz, zu seinem Weltcup-Debüt: "Da passiert so einiges im Kopf. Erst habe ich darüber nachgedacht, was ich eigentlich trainieren wollte. Dann, ob ich es schaffe, rechtzeitig vorm Wettkampf noch zu essen. Und zwischendurch sind mir einfach die Augen zugefallen."
Er schaffte es, im Hotel stand schon der Teller warme Nudeln bereit, bevor es ins Stadion ging. Der 26-Jährige kannte vor dem Start nicht einmal die Wettkampf-Runde, hatte hier kein Training absolviert. Doch Bundestrainer Jens Filbrich wartete bereits auf ihn: "Der Fips war heiß wie Kohlen, er hat mir die Strecke erklärt. Selbst aus dem Fernsehen wusste ich fast nichts. Er hat mir gezeigt, in welcher Kurve ich aufpassen muss und wo ich Zeit gutmachen kann."
Leises Schießen, laute Strecke
Mit der späten Startnummer 67 ging der ruhige Weltcup-Neuling ins Rennen, in eine der lautesten Arenen dieser Biathlon-Welt, vorbei an den "Heyyys" und Ohhhs" auf der Tribüne: "Ich hatte das Glück, dass ich zweimal unter dem Radar gelaufen bin beim Schießen, weil ein anderer ins Ziel kam. Da hatte ich meine Ruhe." Und das nutzte er aus, Riethmüller ließ nur eine von 20 Scheiben stehen.
Mit der Ruhe war es aber spätestens an der Huber-Alm vorbei, dem Hotspot der Fans, wahrscheinlich einer der berühmtesten Anstiege im ganzen Weltcup-Zirkus: "Ich war ziemlich am Limit. Aber an der Huber-Alm helfen auch keine Ohrstöpsel mehr. Das Schreien kriegst du trotzdem mit. Das hat mich dann richtig motiviert."
Neue Welten für Danilo Riethmüller
Hinter Johannes Kühn, der auf Platz drei ins Ziel kam, wurde Riethmüller als Siebter zweitbester Deutscher, düpierte einen Großteil der Weltelite. Und dann brach die nächste Unbekannte auf den 24-Jährigen ein: "Das war ganz schön stressig, im Vergleich zum IBU Cup. Da zieht man sich erstmal entspannt um, geht in Ruhe zum Waffenständer. Hier wirst du überall im Eiltempo durchgeschleust."
Beim IBU Cup gibt es oft nicht einmal Zuschauer. Doch hier, beim Weltcup in Antholz, war Danilo Riethmüller gefragt an den Mikrofonen der Journalisten - Interview-Marathon. Wer das eine will, muss eben auch das andere machen; und Riethmüller machte es gern.
"Ich habe mein Handy schon auf der Fahrt ausgeschaltet"
Zwei Stunden später sitzt er an dem wohlbekannten Platz im Hotel mit Sportdirektor Bitterling, das Telefon neben seiner Hand auf dem Tisch liegend. "Ich habe mein Handy vorsichtshalber bei der Herfahrt schon ausgeschaltet und es ist immer noch im Flugmodus. Ich weiß nicht, was mich da erwartet", sagt der Biathlet.
Es war ganz schön viel für einen ruhigen Sportler, der sich nicht zwingend gern in der Vordergrund spielt. Sein 7. Platz berechtigt ihn aber schon für den nächsten Weltcupeinsatz am Sonntag im Massenstart: "Ich bleibe erstmal entspannt, mein Ding ist eher der Individualstart. Bein Massenstart ist immer so viel Gedrängel und Stress. Aber das wird schon irgendwie."
Nächste Ausfahrt: Massenstart
Nach diesem Auftritt bezweifeln das wohl die wenigsten. Und was jetzt schon ziemlich klar ist, am Sonntag werden im Stadion 20.000 Zuschauer erwartet und damit wird es abermals sehr laut werden in der leisen Welt des Danilo Riethmüller.