Kritik nach Ironman-WM Ein bisschen einsam auf Hawaii
Zum ersten Mal gehörte den Frauen bei der Ironman-WM die Insel Hawaii ganz alleine. Wirklich gelohnt hat sich das nicht, finden viele. Die WM-Dritte Laura Philipp könnte sich sogar vorstellen, den Mythos Hawaii komplett zu streichen.
Einmal im Jahr regiert in dem kleinen Städtchen Kailua-Kona der Ausnahmezustand. Dann ist die Hauptverkehrsstraße, der Alii Drive, plötzlich rappelvoll mit Läufern und Radfahrern. Dann sind die Restaurants gut besucht. Der Hafen ist abgesperrt und mit Bannern überzogen. So viel Trubel herrscht hier sonst nie. Über 2.000 Triathleten fallen für eine Woche auf der Pazifikinsel ein, dazu ihre Familien, Freunde, Wegbegleiter. Ein echtes Happening. An der Ironman-WM verdient die Stadt prächtig, wenn man es mal schmeichelhaft ausdrückt. Selbst runtergerockte Hotelzimmer kosten locker über 300 Euro pro Nacht. Weniger schmeichelhaft würde man das Abzocke nennen.
Zwei Tage sind Kona zu viel
Das alles muss man wissen, um die große Diskussion zu verstehen, die die Triathlon-Welt seit fast einem Jahr wie ein Orkan erfasst. Denn: Hawaii verdient zwar gut an der Invasion der Sportler und ihrem Mythos. Die Einheimischen sind aber auch wieder ganz froh, wenn danach Ruhe einkehrt. Zwei Termine im Jahr – einen für die Männer, einen für die Frauen – lehnen sie vehement ab. Und damit kommen wir zum Kern des Orkans.
Denn die World Triathlon Corporation (WTC), die global die Ironman-Rennen veranstaltet, hätte eben gerne jene zwei Termine. In der Vergangenheit sind Männer und Frauen immer am selben Tag gleichzeitig auf die Strecke gegangen, das hat im Triathlon gute Tradition und macht die Sportart aus. Alle kämpfen denselben Kampf. Alle spüren den gleichen Vibe. Männer wie Frauen. Profis wie Amateure.
Es geht natürlich ums Geld
Doch die WTC möchte den Frauen mehr Aufmerksamkeit widmen, das sagt sie zumindest. Und sie möchte mehr Geld verdienen. Das sagt sie zwar nicht, aber die Rechnung ist logisch. Werden Frauen und Männer getrennt, gibt es zwei Startfelder. Statt einmal 2.500 Teilnehmer das Ganze mal zwei. Macht bei exorbitant hohen Startgebühren eine große Summe.
Und weil zweimal Hawaii eben nicht geht, hat die WTC beschlossen, Männer und Frauen an unterschiedliche Orte zu bringen. In diesem Jahr starteten die Männer im südfranzösischen Nizza, die Frauen eben vergangenen Samstag auf Hawaii. Im nächsten Jahr wird gewechselt. Die Triathlon-Szene findet das, gelinde gesagt, überhaupt nicht gut. Hawaii ist Mythos, heiliger Gral, die Wiege des Ironman und Identität dieser Sportart.
Weniger Testosteron, aber es fehlt auch was
Aber wie war es nun in Kona? Nur mit Frauen? Es war anders. Lässiger, entspannter, "weniger Testosteron, mehr Östrogen", wie Laura Philipp, die Drittplatzierte der WM, erzählt. Es wurden beim Trainingslauf auf dem Alii Drive keine Ellenbogen ausgefahren, nicht mit den teuren Rädern geprotzt. Für viele der Amateursportlerinnen, die durch das größere Feld in die Startliste gerutscht sind, war es ein Abenteuer. Ganz so wie damals 1978 für die 15 Gründer.
Es klingt paradox: Aber ausgerechnet durch das Mehr-Geld-Verdienen-Wollen hat sich der Ironman bei den Frauen entschleunigt. Es gab weniger Sponsoren-Events vor Ort, weniger Medien, weniger Zuschauer. Dieser Vibe hat der Insel irgendwie gutgetan, auch wenn es am Abend, als die letzten Sportlerinnen ins Ziel kamen, schon sehr leer war in Kona. Der Slogan "Women Only", mit dem Ironman vorab geworben hatte, könnte man auch als "Women Lonely" uminterpretieren, denn sie haben sich schon ein bisschen einsam gefühlt ohne die Männer. "Das ist komisch", sagt Vizeweltmeisterin Anne Haug.
Einfach ganz weg von Hawaii?
Während sich die Diskussion zuletzt eher darum drehte, dass man mit der WM-Rotation den Mythos Ironman verliere, geht sie nun eher darum, ob man Männer und Frauen wirklich trennen sollte. Viele sprechen sich für eine Rückkehr zum alten Format aus: alles an einem Tag, alles in einem Rennen. Einen anderen Ansatz verfolgt Laura Philipp. Zwei Rennen findet sie gut, weil es so mehr Aufmerksamkeit für die Frauen gebe, aber beide Rennen sollten im direkten Umfeld voneinander stattfinden.
Auf Hawaii hatte man das im vergangenenJahr versucht, die Frauen donnerstags, die Männer samstags. Die Insel platzte aufgrund der zwei großen Startfelder aus allen Nähten. Es war eigentlich nicht machbar. Deshalb bringt Philipp sogar eine komplette Abkehr vom Mythos Hawaii ins Spiel. "Es gibt genügend Standrote auf der Welt, die das hergeben", sagt sie der Sportschau. "Ich würde mich freuen, wenn die WM wandert und wir noch mehr Spannung erleben." In Kailua-Kona, dem verschlafenen Städtchen auf Hawaii, wäre es dann jedenfalls das ganze Jahr über ziemlich ruhig.