Alexander Zverev steht im Achtelfinale in Wimbledon

Nach Schrecksekunde in 3. Runde Alexander Zverev - plötzlich Wimbledon-Favorit

Stand: 07.07.2024 11:43 Uhr

Der heilige Rasen und Alexander Zverev, das passte bisher nicht zusammen. Aber für Deutschlands besten Tennisspieler scheint in Wimbledon plötzlich alles möglich.

Von Andreas Thies, London

Es ist immer wieder gute Tradition in Wimbledon, die Zuschauerinnen und Zuschauer wissen zu lassen, wer da mit ihnen auf dem Centre Court sitzt. Deswegen werden die prominentesten Gesichter, kurz bevor die ersten Spielerinnen oder Spieler den Court betreten, namentlich vorgestellt. Die Angesprochenen erheben sich oft unter Applaus und grüßen das Publikum aus der rechteckigen Royal Box, die genau an der Stirnseite des Courts zu finden ist.

An diesem Samstag war die königliche Box mit allerlei Sportprominenz gefüllt. Olympische Legenden wie Adam Peaty oder Chris Hoy grüßten die Menge, genauso wie der ehemalige Kapitän der walisischen Rugby-Nationalmannschaft, Alun Wyn Jones.

Guardiola lässt Zverev in Wimbledon nervös werden

Neben der englischen Fußballtrainer-Legende Roy Hodgson hatte allerdings auch Pep Guardiola, Trainer von Manchester City, die Einladung auf den Centre Court angenommen. Und Guardiola, so man sich denn für Fußball interessiert, kennen wohl alle. Auch Alexander Zverev ist Fußballfan.

Im Siegerinterview auf dem Platz erzählte Zverev, nervös geworden zu sein, als er Guardiola sah. Im Überschwang seines ungefährdeten Sieges gegen Cameron Norrie und der freundlichen Anteilnahme des Publikums ging Zverev dann noch ein bisschen weiter und rief Guardiola zu, dass Bayern München doch dringend einen Coach brauche.

Dass mit Vincent Kompany längst ein neuer Trainer bei den Bayern unter Vertrag steht, kann sicherlich mit dem Arbeitspensum Zverevs entschuldigt werden. Der zeigt schließlich in den letzten Monaten die vielleicht konstanteste Form seiner Karriere.

City-Trainer Pep Guardiola in der Royal Box beim Spiel von Alexander Zverev

City-Trainer Pep Guardiola in der Royal Box beim Spiel von Alexander Zverev

Schrecksekunde für Zverev - Knie überstreckt

In seinem Match gegen Lokalmatador Norrie, immerhin ehemaliger Halbfinalist beim wohl wichtigsten Tennisturnier der Welt, gab es für den Hamburger nur eine Schrecksekunde. Im zweiten Satz, den ersten hatte Zverev sicher gewonnen, schlug Norrie beim Stand von 2:2 auf.

Zverevs Return kam zu kurz und Norrie suchte seine Chance mit einem Stop. Zverev, auch auf Rasen äußerst behende unterwegs, rannte ans Netz, rutschte dann aber mit dem linken Fuß weg. Dabei überstreckte Zverev das Knie und blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen.

Nach einem Besuch des Turnier-Physiotherapeuten ging es für Zverev weiter. Hinterher gab er jedoch zu, von dem Moment an Schmerzen gehabt zu haben und sich dementsprechend nun noch mal im MRT untersuchen zu lassen. Angesprochen darauf, ob spezielle Bewegungen weiterhin Probleme bereiten, ließ Zverev sich jedoch nicht in die Karten schauen: "Ich bin noch im Turnier und jeder kann das lesen, was sie schreiben."

Alexander Zverev liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden

Alexander Zverev liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden

Der Aufschlag sitzt

Für Zverev bleibt zu hoffen, dass die Verletzung sich nicht als allzu schlimm erweist, denn der Weltranglistenvierte zeigt sich sportlich bislang von einer sehr souveränen Seite. Gegen den wacker kämpfenden Spanier Roberto Carballes Baena musste er in der ersten Runde noch fünf Breakbälle abwehren.

In den nächsten beiden Runden sah Zverev sich keinem Breakball bei eigenem Aufschlag gegenüber. Der Aufschlag als Wackelkandidat? Gehört längst vergangenen Zeiten an. In den letzten dreieinhalb Jahren hat er enorm an diesem Schlag gearbeitet: "Ich habe das US-Open-Finale 2020 wegen meines Aufschlags verloren. Ich bin zwei Meter groß und verliere das Match wegen meines Aufschlags. Das muss man sich mal vorstellen."

Norrie: Zverev gehört zu den Favoriten auf den Titel

Seitdem hat Zverev eine große Anpassung vorgenommen: Er wirft den Ball nicht mehr so hoch wie noch 2020. Ein halber Meter weniger Höhe, die seinem Aufschlag eine bemerkenswerte Stabilität verliehen haben. Das erkannte auch Norrie, der in seiner Pressekonferenz feststellte, dass Zverev "unglaublich" gespielt habe und für ihn zu einem der Favoriten auf den Titel gehöre.

Selbst Zverev scheint diesen Gedanken inzwischen zuzulassen. Schon vor dem Turnier gab er sich überraschend selbstbewusst: "Dieses Jahr habe ich zum ersten Mal das Gefühl, zu den Favoriten zu gehören, vielleicht sogar den Titel gewinnen zu können. Das Turnier ist wahrscheinlich so offen wie seit 20 Jahren nicht."

Entscheidung suchen, häufiger ans Netz gehen

Es gibt einige Facetten in Zverevs Spiel, die dieses Selbstbewusstsein unterstützen. Der Aufschlag sticht hervor. Doch in den drei Matches an der Church Road hat er auch durch sein aggressives Angriffsspiel überzeugt. Die Vorhand wird mit viel Tempo gespielt, Zverev wartet nicht ab, sondern versucht selbst, die Entscheidung zu suchen.

Alexander Zverev

Alexander Zverev

Ein weiterer Beleg: Zverev geht immer häufiger ans Netz, um dort den Punkt abzuschließen. Insgesamt 87 mal stürmte Zverev in den drei Matches nach vorne, machte dort in mehr als 70 Prozent der Fälle auch den Punkt. Das Netzspiel ist neben der Vorhand ein guter Seismograph für das Spiel des 27-jährigen. In Paris sprach Zverev davon, dass er am Netz Fortschritte gemacht habe, es jedoch immer noch etwas auf die Tagesform ankomme, wie gut die Volleys dann wirklich sind.

Fritz wartet im Achtelfinale auf Zverev

Am Montag wird diese Form von Taylor Fritz getestet werden. Gegen den ehemaligen Viertelfinalisten hat Zverev schon zwei Mal in Wimbledon gespielt und beide Matches gewonnen. Angesprochen auf dieses Match wollte Zverev allerdings keine großen Kampfansagen herausposaunen: "Wir haben beide einen guten Aufschlag, treffen den Ball wirklich hart. Vielleicht bewege ich mich ein bisschen besser."

Zverevs Siegerinterview nach dem Match war kurz vor dem Ende, als er den Applaus noch einmal unterbrach und Richtung Guardiola auf der Tribüne meinte: "Wenn du irgendwann mal keine Lust mehr auf deine Arbeit als Fußball-Coach hast, kannst du jederzeit mich trainieren." Das war dann am Ende vielleicht etwas zu viel Überschwang, sind Zverevs schwierige Phasen mit Star-Coaches doch hinlänglich bekannt und dokumentiert. Momentan auf jeden Fall funktioniert sein Spiel auch ohne prominente Unterstützung.