Die Spielerinnen und Betreuenden der Hertha-Frauen freuen sich. (Foto: IMAGO / Beautiful Sports)

Neuausrichtung der Mädchen- und Frauenteams Neuausrichtung der Mädchen- und Frauenteams: Hertha will mehr Spitze und weniger Breite

Stand: 20.03.2025 11:49 Uhr

Hertha BSC übernahm 2023 sämtliche Frauenfußball-Teams von Hertha 03 Zehlendorf. Nun kehren zahlreiche von ihnen ernüchtert nach Zehlendorf zurück. Waren es zwei verlorene Jahre? Oder war alles schon so geplant? Von Marc Schwitzky

Alles begann bereits mit einem Kompromiss. Nachdem eine Fan-Initiative eine Mädchen- und Frauenfußball-Abteilung bei Hertha BSC angeregt hatte, wurden im April 2023 Nägel mit Köpfen gemacht. Damals verkündeten Hertha BSC und Hertha 03 Zehlendorf eine Kooperation, für die die "große" Hertha sämtliche Frauenteams der "kleinen" Hertha in Zehlendorf übernahm. Eine Vorschlag von Zehlendorf selbst, denen die erfolgreiche Frauensparte allmählich über den Kopf gewachsen war. Es fehlten die nötigen Strukturen und so kamen Herthas Ambitionen im Frauenfußball gerade recht.

Geschäftsstelle von Hertha BSC (12.10. 2021)
Herthas Mädchen- und Frauen-Teams kehren teilweise nach Zehlendorf zurück
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DFB macht Strich durch die Rechnung

Die "alte Dame" musste nicht – wie zunächst geplant – bei null starten, sondern konnte das bestellte Feld in Zehlendorf weiterführen. Schließlich spielte die U17 damals noch in der Bundesliga, die erste Mannschaft hatte den Sprung in die Regionalliga Nordost (sportlich die 3. Liga) geschafft. Hertha wollte schon damals eigentlich nur die Leistungsteams von Zehlendorf übernehmen, doch das verhinderte das Regelwerk des DFB.
 
"Das Problem besteht darin, dass man entsprechend der DFB-Statuten keine ausgewählten Teams übernehmen kann, wenn eines davon am DFB-Spielbetrieb teilnimmt – das war bei der U17 Zehlendorfs, die in der Bundesliga spielte, der Fall. Daher haben wir damals alle Mannschaften übernommen", erklärt Sofian Chahed, Projektleiter des Hertha-Frauenfußballs, gegenüber rbb|24 den Kompromiss.

(v.l.n.r.) Hertha-BSC-Präsident Kay Bernstein, Hertha-03-Zehlendorf-Präsident Kamyar Niroumand und Hertha-BSC-Geschäftsführer Thomas E. Herrich bei der Vertragsunterzeichnung zur Übernahme der Mädchen- und Frauenfußball-Abteilung (Hertha BSC/City-Press)

Herthas verstorbener Präsident Kay Bernstein (l.), Zehlendorfs Präsident Kamyar Niroumand und Herthas Geschäftsführer Thomas E. Herrich bei der Unterzeichnung der Kooperation im April 2023. (Foto: Hertha BSC/ City-Press)

Eine unbequeme Zwischenlösung, die nun ihr Ende gefunden hat. Der Hauptstadtklub verkündete am 5. März eine Neuausrichtung im Mädchen- und Frauenfußball. Zukünftig wolle sich Hertha auf den Leistungssport fokussieren und gleich fünf frühere Zehlendorfer Teams kehren zu Hertha 03 zurück: Die Auswahlen der U11, der U13 II, der U15 II, der U17 II sowie die 3. Frauen werden ab der Saison 2025/26 wieder für Zehlendorf spielen.

Die Freizeit-Teams fühlten sich wie Ballast

Für jene Mannschaften, die dem Breitensport zugeordnet werden, waren es wohl zwei eher verlorene Jahre. Wo 2023 noch Freude und Stolz herrschten, für das große Hertha BSC spielen zu dürfen, ist nun große Ernüchterung bei vielen der Spielerinnen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Breitensport-Teams zu vernehmen. Eine so große Enttäuschung, dass einige Spielerinnen den Verein bereits verlassen haben.
 
Wie rbb|24 aus Mannschaftskreisen gesagt wurde, fühlten sich viele in den Breitensport-Teams schon in den vergangenen zwei Jahren wie Ballast. Von der Kooperation zwischen Hertha und Zehlendorf sei für sie wenig bis gar nichts zu spüren gewesen. Die Teams hätten in der ersten Saison teilweise nicht einmal die in ihren Augen ausreichende Trainings- und Spielkleidung bekommen – zumindest nicht im Vergleich zu den Leistungsteams, auf denen klar der Fokus der Verantwortlichen lag. Die Breitensport-Auswahlen vermissten, so heißt es immer wieder, Unterstützung, Sichtbarkeit und Förderung.

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Aufgrund von fehlenden Plätzen und Kabinen auf dem Olympiagelände mussten bis auf die U17 und erste Mannschaft sämtliche Teams weiter in Zehlendorf trainieren. Auch das trug nicht dazu bei, dass sich die Teams Hertha zugehörig fühlten. "Das war natürlich nicht ideal", räumt Chahed ein, betont aber: "Wir haben nicht alles meistern können. Aber ich glaube, wir haben das Beste aus unserem Gelände herausgeholt."

Fremd in beiden Vereinen

Da sie nicht auf dem Olympiagelände trainieren konnten, fehlte die echte Identifikation mit der "alten Dame". Doch auch in Zehlendorf hätten sie sich mit dem neuen Logo auf der Brust urplötzlich wie Fremde gefühlt, heißt es in Gesprächen mit rbb|24. Chahed kann die Enttäuschung nachvollziehen: "Ich habe großes Verständnis dafür. Die geografische Lage und unsere Kapazitäten als kleine Sparte hatten leider größere Auswirkungen auf die Integration der Breitensport-Teams."
 
Während die Leistungsteams der Frauen auch durch gemeinsame Weihnachtsfeiern, Content-Formate, Workshops oder Auftritte in der vereinseigenen Saison-Dokumentation eifrig in den Klub integriert wurden, gingen die Breitensportteams nahezu leer aus. Dabei schafften auch die Freikarten für die Heimspiele der Hertha-Männer im Olympiastadion keine Abhilfe.

Abteilungsleiter Sofian Chahed (r.) hat Großes mit den Hertha-Frauen vor. (Foto: IMAGO / Nordphoto)

Abteilungsleiter Sofian Chahed (r.) hat Großes mit den Hertha-Frauen vor. (Foto: IMAGO / Nordphoto)

Ein bereits einkalkulierter Prozess

Das Vorhaben Herthas, mit der damaligen Übernahme aller Zehlendorf-Teams auch den Breitensport zu "fördern und weiterzuentwickeln", wie es 2023 bei der Verkündung der Kooperation seitens Chahed hieß, ist vorerst gescheitert. "Direkt neun Mannschaften zu übernehmen, ist natürlich herausfordernd", erklärt Herthas Frauen-Projektleiter heute. "Wir haben versucht, alle Teams mitzunehmen und bei uns heimisch fühlen zu lassen. Hinzukommt, dass wir eine junge und recht kleine Sparte bei Hertha BSC, die sukzessive wachsen muss."
 
Laut dem ehemaligen Trainer von Turbine Potsdam sei es von Beginn an mit Zehlendorf vereinbart gewesen, nach zwei Jahren zu besprechen, wie es mit der Kooperation und den Breitensport-Teams weitergehen soll. "Wir haben im Herbst 2024 intern ein Stimmungsbild bei den wichtigsten Akteurinnen abgefragt. Es haben sich alle für die Konzentration auf den Leistungssport ausgesprochen", so Chahed. Was für die beiden Hauptstadtklubs ein bereits einkalkulierter Prozess war, dürfte für viele Mitglieder der Breitensport-Teams aber eher eine frustrierende und orientierungslose Zeit ohne richtiges Zuhause gewesen sein.
 
"Es ist zum jetzigen Zeitpunkt die beste Entscheidung für alle Seiten. Alle Mädchen und Frauen können weiter Fußball spielen", zeigt sich Chahed überzeugt. Geht es nach ihm, soll die Kooperation mit Hertha 03 auch einen neuen Anstrich bekommen. "Es wird Trainer*innen-Fortbildungen, gemeinsame Turniere und Sichtungsmaßnahmen geben."
 
Auch Zehlendorfs Niroumand verspricht sich Gutes von der neuen Lösung. "Wir haben die Mädchen nicht nur zurückgeholt, um zukünftig nur noch Freizeitfußball zu spielen. Die Zielsetzung ist, wieder leistungsorientierten Frauenfußball aufzubauen - mit der Zeit, wenn man mehr Möglichkeiten, Sichtbarkeit und Sponsoren hat", stellt der Vereinspräsident klar.

Die Frauen von Hertha BSC wollen sich zukünftig im Ligabetrieb mit Nationalspielerinnen wie Wolfsburgs Jule Brand (Bildmitte) messen. (Foto: IMAGO / Lobeca)

Die Frauen von Hertha BSC wollen sich zukünftig im Ligabetrieb mit Nationalspielerinnen wie Wolfsburgs Jule Brand (Bildmitte) messen. (Foto: IMAGO / Lobeca)

Hertha peilt die 2. Bundesliga an

Hertha hat nach der Trennung von den Breitensport-Teams ebenfalls große Ziele. Die erste Frauenmannschaft hat sich in den vergangenen zwei Jahren von einem Abstiegskandidaten in der Regionalliga Nordost zu einem Mitfavoriten auf den Aufstieg gemausert. Um sie herum haben sich bereits eigene Fanclubs und ein Podcast gegründet, zum Pokalspiel gegen den VfL Wolfsburg im September 2024 kamen 3.000 Zuschauende ins Berliner Amateurstadion – Verein und Anhängerschaft nehmen die Leistungssport-Teams der Frauen voll an. Präsident Fabian Drescher bezeichnete den bisherigen Weg im "Immer Hertha"-Podcast der Berliner Morgenpost als "Erfolgsstory".
 
Nun soll der nächste Schritt folgen. "Wir wollen sportlich in die 2. Bundesliga und dafür in der kommenden Saison den ersten echten Angriff starten – natürlich ohne uns zu übernehmen", zeigt sich Chahed ambitioniert. Das Ziel ist es, innerhalb der nächsten drei bis vier Jahre semiprofessionell zu werden. "Ich hoffe, dass wir dann auch möglichst bald den Schritt in die komplette Professionalität gehen können", sodass Herthas Spielerinnen von ihrem Gehalt leben und sich voll auf Fußball konzentrieren können.

Sendung: rbb Der Tag, 20.03.2025, 18 Uhr