
Fitnessbranche im Wandel Fitness-Plattformen wie Urban Sports, Wellpass und Co.: Sport für alle - Risiko für einige
Fitness-Anbieter machen es für Kundinnen und Kunden möglich, so flexibel Sport zu treiben wie noch nie. Ein Abo bei einem Fitness-Aggregator macht es möglich. Doch auf wessen Kosten? Von Yasser Speck und Christina Rubarth
Montags zum Yoga, dienstags in die Sauna, mittwochs zum Indoor-Cycling, am Donnerstag zum Boxen: Die Fitnessbranche verändert sich. Neue Start-ups bieten so flexible Möglichkeiten wie noch nie, organisiert Sport zu treiben. Brauchten Kund:innen früher mehrere Abonnements, reicht heute oft eine einzige App.
So wie bei Fitnesstrainer Roland Herzog, der Yoga- und Pilateskurse in Berlin-Charlottenburg anbietet: Kurz vor Kursbeginn am Dienstag stempelt er Zehnerkarten seiner Kund:innen ab, aber andere checken mit ihren Handys per QR-Code ein. Sie sind Kunden von Fitness-Aggregatoren - so der sperrige Name der Plattformen - wie Urban Sports Club oder Wellpass. Diese Buchungsplattformen bieten mit einem monatlichen Festpreis an, dass Kunden flexibel Kurse belegen können oder in unterschiedlichen Studios trainieren können.

Die Kunden müssen sich so nicht mehr festlegen, für welche Sportart sie eine Mitgliedschaft abschließen - für vielfach interessierte Sportlerinnen und Sportler ein guter Deal. "Ich probiere alles Mögliche mal aus, auch mit Kolleginnen und Kollegen oder Freundinnen: Badminton, Fitnessstudios und jetzt auch Pilates", sagt ein Kursteilnehmer von Roland Herzog.
Der Fitnesstrainer muss aber hart kalkulieren, denn bei einer Plattform gelistet zu sein, hat nicht nur Vorteile.
Marktmacht der Plattformen
Roland Herzog hofft durch die Kooperation auf mehr Sichtbarkeit und Werbung für sich auf dem umkämpften Fitnessmarkt. Er ist zwar schon lange Trainer, aber noch nicht lange selbständig. Allein schon genug Kund:innen zu finden, sei schwer gewesen, sagt Herzog. Durch den Plattform-Vertrag habe sich das geändert.
Urban-Sports-Kunden können sich einmal am Tag an einem Ort einchecken. Gefällt ihnen ein Ort und sie wollen noch weitere Kurse nutzen, können sie dort ein klassisches Abonnement oder eine Stempelkarte kaufen. Herzog freut sich, dass Menschen zusätzlich zur App auch Kurse bei ihm gebucht haben. "Ich habe auch zwei Personal-Training-Kunden darüber gewonnen", sagt er.
Und dennoch: "Die Wirtschaftlichkeit muss sich jeder selbst überlegen", sagt Herzog. Von seinen eigenen Kunden erhält er rund 15 Euro pro Stunde, von Kunden, die beispielweise über Urban Sports kommen, deutlich weniger. “Man kann sich vorstellen: Ich brauche im Prinzip acht Teilnehmer von Urban Sports, um überhaupt die Raumkosten zu decken." Die Fixkosten und damit das Risiko liegen bei Fitnesstrainer Herzog. Wie fair die Geschäftsbedingungen im Einzelnen aussehen, wollte der rbb zum Beispiel von dem Anbieter Urban Sports Club wissen. Der aber teilte mit, dass man über Vertragskonditionen wie die mit Roland Herzog keine Auskünfte erteile.

Verändertes Sportverhalten
Der Boom von Urban Sports und Co. ist für Roland Herzog zugleich eine logische Folge. Denn genauso wie in der Gesellschaft allgemein zeige sich auch im Sport, dass sich Menschen weniger festlegten, weniger Wert auf Gemeinschaft legten, sagt er. "Die Faszination für das große Angebot ist so groß, dass darüber vergessen wird, wie schön es ist, in Gemeinschaften zu trainieren. Das ist ein bisschen verloren gegangen. Es ist unverbindlicher geworden." Er ergänzt: "Aber es gibt noch die Klientel, die das zu schätzen weiß und sich bewusst dann auch anders entscheidet."
Bewusste Entscheidung gegen Sport-Aggregatoren
Cathrine Caspari leitet ein Yoga-Studio in Berlin-Moabit, sie hat sich bewusst gegen einen Kooperationsvertrag entschieden. Zum einen, weil sie genügend Kund:innen hat und auch als Anbieterin von Präventionskursen gelistet ist. Zum anderen, weil die Atmosphäre eine andere ist, wenn man die Menschen kennt, die regelmäßig kommen, manche davon seit Jahren. “Man fühlt sich vertrauter, wenn man die anderen Leute kennt, als wenn man von lauter Fremden umgeben ist. Das ist einfach so eine familiäre Atmosphäre, die auch nochmal ein ganz anderes Wohlbefinden schafft”, sagt Catherine Caspari. "Wenn Leute dann tatsächlich nur einmal da sind oder vielleicht auch nur alle sechs Wochen, weil sie zwischendurch viele andere Kurse nutzen, dann kann man natürlich auch vom Unterrichtenden zur Schüler;in kein wirkliches Vertrauensverhältnis aufbauen, wo man merkt: 'Okay, da sind vielleicht die Baustellen, da könnte man noch dran arbeiten'."
Die Faszination für das große Angebot ist so groß, dass darüber vergessen wird, wie schön es ist, in Gemeinschaften zu trainieren.
Hunderttausende Kunden deutschlandweit
Die größten Sport-Aggregatoren in Deutschland sind neben Urban Sports Club, Egym Wellpass, Hansefit und Gympass. Gemeinsam haben sie Hunderttausende Kundinnen und Kunden in ganz Deutschland. Die Mitgliederzahl steigt weiter an. Allein 2023 stieg Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um über 40 Prozent an, wie eine Markstudie der Beratungsfirma Deloitte aus dem vergangenen Jahr zeigt. Auch die Mitgliederzahlen wuchsen innerhalb eines Jahres um über 30 Prozent auf 726.000.

Außerdem gilt: Immer mehr Studios arbeiten mit Aggregatoren zusammen, hier verzeichnet die Studie 2023 im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 14,3 Prozent. Im Jahr 2023 sollen laut der Studie die Aggregatoren einen Umsatz in Höhe von 335 Millionen Euro gemacht haben.
Extraeinnahmen durch Aggregatoren
Auch das Fitnessstudio LOVFIT am Theodor-Heuss-Platz ist Kooperationspartner mehrerer Plattformen. Mit einem direkten Vertrag können Kund:innen das Studio kontaktlos betreten und verlassen. Wer über Urban Sports oder Wellpass kommt, wird über einen Mitarbeiter reingelassen. 20 bis 30 Menschen pro Tag kommen über Urban Sports, sagt Marco Schiliró, stellvertretender Studioleiter. Für das Fitnessstudio sei das ein gutes Geschäft. "Das ist ein extra Einkommen für uns. Und was wir auch gesehen haben, ist, dass manche Leute dann auch bei uns Mitglied geworden sind." Die Mehrheit, rund 250 bis 300 Menschen, kommt laut Schiliró weiter über hausinterne Verträge.
Evelyn R., die im Studio gerne morgens ihre Rückenübungen macht, wenn es im Studio noch sehr leer ist, kann die Vorzüge der Plattformen nachvollziehen: "Ich glaube, die jungen Leute nehmen das schon ganz gerne wahr, weil die auch mehr ausprobieren. Man sucht sich ja eigentlich was nach seinem Bedürfnis." Für sie käme das aber nicht in Frage, sagte sie. "Ich bin eher ein treuer Mensch." Draußen in der Natur jogge sie auch gerne in Gemeinschaft.

Trend zur Individualisierung des Sports
Der Trend zur Individualisierung offenbart sich schon beim ersten Blick in viele Fitnessstudios: Oft trainieren die Menschen für sich allein, abgeschottet durch Kopfhörer von den anderen. Da kommen Angebote, die möglichst hohe Flexibilität von Kursorten ermöglichen, gerade recht, wie auch Thomas Alkemeyer, Professor für Soziologie und Sportsoziologie, Universität Oldenburg, erklärt. "Seit den 1970er Jahren haben sich auch in Konkurrenz zum klassischen Sportverein alle möglichen Formen des Sporttreibens und Sportangebote entwickelt, wie Fitnessstudios oder informeller Sport, der draußen auf der Straße oder in Parks oder wo auch immer betrieben werden kann", erklärt Alkemeyer. "Diese Formen ermöglichen es, sich auch ohne Bindung an einen Verein flexibel und individualisiert sportlich zu betätigen. Diese neue Entwicklung spitzt letztlich nur zu, was seither bereits angelegt ist. Die Individualisierung des Sports wird durch die neuen Angebote auf die Spitze getrieben."
Das zeigt sich für Marco Schiliró ganz praktisch in seinem Job als Coach im Fitnessstudio. "Manchmal möchte ich jemanden korrigieren, der eine Übung falsch macht", berichtet er. "Aber dann hört mich derjenige nicht - und ich muss warten, bis er die Kopfhörer runternimmt."
Sendung: rbb24 Abendschau, 20.03.2025, 19:30 Uhr