Archivbild von 2002: Zerstörte Sanitäranlagen nach Europacup-Ausschreitungen in Istanbul

Demolierte Stadiontoiletten Klos und Zerstörung: Gibt es den Trend der Toiletten-Demontage im Fußball?

Stand: 27.04.2025 18:47 Uhr

Das WC im Stadion, ein archaischer Ort: Gibt es den Trend der Klo-Demontage im Fußball? Zumindest häufen sich die Berichte. Fanforscher Jonas Gabler sieht einen Grund in der Veränderung der Altersstruktur in Arenen.

Fußball, Gewalt und Klos. Eine Geschichte mit diesen Zutaten klickt sich im Internet von allein. Entsprechend großflächig wurde zuletzt immer wieder berichtet, dass in Stadion X mehrere Auswärtsfans des Vereins Y durch die Sanitäreinrichtungen zogen und eine Schneise der Verwüstung hinterließen.
 
Handelt es sich dabei um einen Trend unter Fußballfans? Oder geht es, größer gedacht, ganz generell um den Hang einiger Männer, den inneren Schweinehund von der Leine zu lassen, sobald niemand hinguckt? Oder, um das Ganze vollends auf die Metaebene zu hieven: Erhält die Debatte über die demolierten Stadiontoiletten nur deshalb so viel Aufmerksamkeit, weil eine verunsicherte Gesellschaft besonders empfänglich ist für die Faszination eines doppelten Tabubruchs – nämlich Gewalt in einem fäkalen Umfeld? Ist das Thema also lediglich aufgebauscht?

Fans halten Schals des Fußball-Drittligisten Energie Cottbus in die Höhe (Symbolbild). / imago images/Fotostand
Fans von Energie Cottbus sollen Zugpassagiere bedrängt und bedroht haben
Zahlreiche Energie-Fans reisten vor zehn Tagen per Zug vom Auswärtsspiel in München zurück nach Cottbus. Mitpassagiere erheben schwere Vorwürfe von sexistischen und rassistischen Beleidigungen sowie Drohungen. Auch die Deutsche Bahn wird kritisiert.mehr

Grundsätzlich keine Zunahme der Aggressivität

Eine gesellschaftliche Faszination für das Thema erkennt Fanforscher Jonas Gabler jedenfalls schon daran, dass sich der Großteil medialer Anfragen in den vergangenen drei, vier Wochen um Stadionklos drehten. Der in Berlin geborene Politikwissenschaftler betont jedoch: "Ich nehme weder einen Trend noch einen Bestandteil einer Fankultur wahr, bei dem es darum geht, irgendwelche Toiletten zu zerstören." Auch eine grundsätzliche Zunahme der Aggressivität beobachte der Wissenschaftler nicht.
 
Allerdings gibt eben es auch keine Statistik, die Gewaltanwendungen an Klobrillen und WC-Kabinen in Fußballarenen verzeichnen würde. Was es aber gibt: die zum Almanach ausgewachsene Zahl an Medienberichten.

Soziale Kontrolle entfällt zunehmend

Eine Auswahl: Just am Freitag zertrümmerten Anhänger von 1860 München Stadiontoiletten im Ostseestadion beim Auswärtsspiel gegen Hansa Rostock. Zu Monatsbeginn waren wiederum die WCs im Grünwalder Stadion zu München fällig gewesen, nachdem Anhänger von Energie Cottbus dort vorbeigeschaut hatten. Im März sollen einem "Bild"-Bericht zufolge Fans des 1. FC Magdeburg beim Freundschaftsspiel gegen das polnische Team Odra Opole sanitäres Mobiliar aus der Wand gerissen haben.
 
Fans wissen: Der Abstecher zu den Toiletten während eines Fußballspiels hat ohnehin wenig gemeinsam mit einem kontemplativen Besuch des stillen Örtchens, sondern hat vielmehr zu tun mit Druck, Konkurrenz und Erlösung. Anders gesagt: Die Welt der Stadionklos ist eine archaische.
 
Und damit zu Gablers Hypothese. "Zu meiner eigenen Überraschung sind die Zuschauerzahlen nach der Pandemie nicht weniger geworden, im Gegenteil: Insbesondere die Zahl der auswärtsfahrenden Fans hat zugenommen." Die - zunehmend jüngeren - Anhänger seien immer weniger angebunden an Fanstrukturen, wie Fanklubs oder Ultragruppen. Damit entfalle auch "eine gewisse soziale Kontrolle", die möglicherweise ausufernde Emotionen während eines Fußballspiels regulieren könne.
 
Im vorliegenden Fall findet Kontrolle allein schon deshalb nicht statt, weil Toiletten nicht kameraüberwacht sind.

Polizeikräfte im Rahmen eines Fußballspiels (Archivfoto)
Polizei wittert Risiken - Fans fürchten überzogenes Eingreifen
Mit Blick auf die Europameisterschaft freuen sich viele auf ein friedliches Fußballfest. Um das sicherzustellen, bringt die Polizei ihre Einsatzkräfte in Stellung. Fanvertreter warnen vor einer "Eskalationsspirale".mehr

Happy End: Kollektive Verantwortung

"Es gibt junge Männer, die nach eher traditionellen Männlichkeitsvorstellungen agieren, in denen dann Gewalt akzeptierter ist als in anderen gesellschaftlichen Kontexten", sagt Gabler.
 
Ganz wichtig: "Sanitäranlagen auseinander zu nehmen, dafür braucht es ja keine große, organisierte Ansammlung von Menschen, sondern es reichen im Prinzip drei, vier Leute und einen günstigen Moment, wo gerade niemand anderes reinkommt – zumindest niemand, der sich traut, dagegen vorzugehen."
 
Und damit zum Happy End dieses eigentlich ja irrsinnigen Themas: Auch wenn Jonas Gabler bei den Kloverwüstungen Einzelgänger vermutet, vertraut er dennoch den regulierenden Kräften des organisierten Fußball-Anhangs. "Es gibt ja ein großes Interesse innerhalb der Fanszene, dass diese Sanitäranlagen, die man selber nutzen will, nicht zerstört werden."
 
Soll heißen: Das kollektive Verantwortungsgefühl wird einzelne Akte des Vandalismus am Ende minimieren. Ein solcher Satz klickt sich im Internet sicher schlecht. Aber er macht Hoffnung.