Hertha-Kapitän Leistner Hertha-Kapitän Leistner: Interview mit Hertha-Kapitän Leistner
Hertha BSC wird am Samstag im Top-Spiel der 2. Fußball-Bundesliga vom Hamburger SV gefordert. Vor dem Duell spricht Kapitän Toni Leistner über seine Vergangenheit in der Hansestadt, Herthas neuen Coach Fiél und seine Rolle im Team.
rbb|24: Herr Leistner, eine Pleite im Olympiastadion zum Saison-Start, nun geht es auswärts gegen den Hamburger SV. Es ist direkt Druck auf dem Kessel bei Hertha BSC, oder?
Toni Leistner: Wir haben einen Spieltag von 34 absolviert. Nach dem Saison-Auftakt ist noch keiner aufgestiegen und wahrscheinlich auch am 25. Spieltag noch niemand. Deswegen würde ich aktuell noch nicht von Druck reden.
Mit welchen Gefühlen reisen sie zum HSV, bei dem Sie in der Saison 2020/21 unter Vertrag standen?
Es ist immer ein cooles Gefühl, zum alten Arbeitgeber zurückzukehren. Ich kenne noch viele aus der Mannschaft und aus dem Staff, aber da wird die Freundschaft auch mal auf Eis gelegt für 90 Minuten. Jetzt komme ich mit Hertha BSC und will das Spiel gewinnen.
Sie waren in Ihrer Zeit beim HSV in der Abwehr gesetzt, thronten mit dem Team zur Rückrunde auf dem ersten Platz. Dann zogen Sie sich eine komplizierte Verletzung zu, Hamburg wurde in Ihrer Abwesenheit auf den vierten Platz durchgereicht. Wie blicken Sie darauf zurück?
Die Vergangenheit kann man nicht ändern. Klar, es war damals sehr enttäuschend. Ich glaube, das Spiel, bei dem ich mich verletzt habe, haben wir trotzdem noch gewonnen gegen Paderborn (3:1, Anm. d. Red.). Man ist verletzt, kann nicht mehr eingreifen und nur zusehen zu können, ist immer frustrierend. Aber das arbeitet jetzt nicht mehr in mir, weil das alles in der Vergangenheit liegt und ich immer im Hier und Jetzt bin und denke. Das würde auch zu viel Kraft ziehen.
Der Hamburger SV steht mittlerweile als Synonym für Pleiten, Pech und Pannen, wenn es um den Aufstieg geht. Haben Sie eine Erklärung?
Eine Erklärung ist schwierig, gerade weil der Einbruch immer etwa zur selben Zeit kommt. Vielleicht wiegt dann der Gedanke schwerer, irgendetwas verlieren zu können, als etwas gewinnen zu können. Vielleicht ist das eine Erklärung. Aber hätte ich die Lösung, würde ich glaube ich nicht mehr hier sitzen, sondern wahrscheinlich im Vorstand des HSV.
Hertha BSC geht einmal mehr mit einem der jüngsten Kader in die Saison. Welche Rolle sehen Sie für sich als bald 34-Jährigen in diesem Gefüge?
Es geht es nicht um irgendwelche Rollen, die einzelne Spieler ausfüllen. Es geht nicht um Toni Leistner oder um irgendjemand anderen, es geht nur um Hertha BSC. Die Ziele, die man verfolgt, kann man nur als Kollektiv erreichen.
Trotzdem sind Sie einer der erfahrensten in einer Mannschaft mit Teenies und Anfang-Zwanzigjährigen. Wie geht man damit um, wie schafft man eine gemeinsame Ebene?
Okay, wenn ich jetzt Bobo sehe (Boris Mamuzah Lum, 16 Jahre alt, Anm. d. Red.), der im Trainingslager dabei war, der könnte alterstechnisch fast schon mein Sohn sein. Das sind unterschiedliche Generationen. Damals musste ich gefühlt noch Schuhe putzen für die älteren Spieler. Es ist heutzutage nicht mehr denkbar, irgendjemanden darauf anzusprechen. Die jungen Spieler würden einem wahrscheinlich den Vogel zeigen. Da hat sich schon einiges verändert. Aber man schafft immer eine gewisse Ebene, auch mit jungen Spielern, weil es im Endeffekt um dieselbe Sache geht - und das ist der Fußball.
Sie sind Kapitän, saßen aber zuletzt auf der Bank. Ist es eine Herausforderung, das Amt ohne Stammplatz-Garantie auszufüllen?
Es ist generell eine Herausforderung, Kapitän einer Mannschaft zu sein. Man muss an vielen Stellschrauben drehen, unterstützend mitwirken und auch mal das eine oder andere Wort mehr sagen als vielleicht jemand, der nicht die Kapitänsbinde trägt. Ich glaube, das fülle ich relativ gut aus, egal ob ich auf dem Platz stehe oder nicht.
Kommen wir zum Sorgenkind Offensive: Gegen den SC Paderborn lief im Angriff ohne den verletzten Fabian Reese nicht viel zusammen. Kann sein Fehlen überhaupt aufgefangen werden?
Eins zu eins kann man Fabi nie ersetzen. Wir hatten einen klaren Match-Plan vor dem Spiel, wie wir das als Kollektiv auffangen können. Ich glaube, das haben wir in den Testspielen auch schon bewiesen, vor allem in denen, die wir im Trainings-Lager hatten. Gegen Paderborn haben wir uns vielleicht nicht so an diesen Plan gehalten. Ich glaube, das war eher das Problem.
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Ihren Trainer Cristian Fiél kannten Sie schon aus Ihrer gemeinsamen Zeit als Spieler bei Dynamo Dresden. Sind Trainer Fiél und Spieler Fiél zwei unterschiedliche Typen?
Nee, die sind beide sehr ehrgeizig. Er war als Spieler sehr ehrgeizig und als Trainer auch. Er ist vielleicht sogar noch ehrgeiziger. Und vielleicht war er damals ein bisschen fitter als heute (lacht) - aber sonst hat er sich nicht verändert.
Was schätzen Sie an seiner Arbeit?
Seit er unser Trainer ist, versuchen wir, vieles spielerisch zu lösen. Er will uns in jedem Training besser machen. Das gelingt auch immer mehr. Wir finden immer mehr die Räume, gerade im Training. Wir müssen es nun auch im Spiel auf den Platz bringen. Ich glaube, dass er ein Bessermacher ist.
In der 2. Bundesliga konnte Hertha noch nie gegen den HSV gewinnen. Was stimmt Sie optimistisch, dass diesmal etwas zu holen ist?
In den wichtigen Spielen der Relegation vor zwei Jahren, hat Hertha da etwa nichts geholt?
Stimmt, Hertha verhinderte den Abstieg.
Ich glaube, das war damals wichtiger. Klar, es ist immer schwierig, im Volkspark zu gewinnen. Das geht aber nicht nur Hertha BSC so, sondern allen Vereinen. Hamburg ist schon eine Macht zu Hause, aber ich glaube, dass wir die Qualität haben, um sie da zu ärgern. Nichtsdestotrotz müssen wir uns da auch an unseren Plan halten, und dann alles auf den Platz bringen, so wie wir es trainiert haben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Shea Westhoff.