Interview | Handball-Funktionär Bob Hanning Handball-Funktionär Bob Hanning im Interview: "Es liegt nicht in meiner DNA, Spiele zu verlieren"
Bob Hanning prägt den deutschen Handball seit 20 Jahren. Jetzt wird er Nationaltrainer von Italien - bleibt aber auch Manager der Füchse Berlin. Im Interview erklärt er, wie dieses Pensum zu stemmen ist und was er sich von der Aufgabe erhofft.
rbb|24: Bob Hanning, erst einmal herzlichen Glückwunsch zum neuen Job. Neben ihrer Tätigkeit als Nationaltrainer von Italien bleiben sie auch Füchse-Manager. Für Normalsterbliche klingt das nach sehr viel.
Bob Hanning: Erstens: Danke für die Glückwünsche. Zweitens: Ja, es ist schon ein bisschen verrückt. Und drittens: Es ist nach 20 Jahren Füchsen und vielen Themenbereichen, die ja auch immer parallel gelaufen sind, wieder eine neue Herausforderung. Für mich ist es immer wichtig, einen neuen persönlichen Reizpunkt zu haben, um motiviert zu arbeiten. Und mich beflügelt das eher, als dass ich das als eine Belastung ansehe.
Hat ihr Tag mehr als 24 Stunden?
Ich schlafe tatsächlich wie jeder andere Mensch auch seine sechs bis acht Stunden. Und habe einfach das große Glück, dass ich in den Jahren viele Menschen um mich geschart habe, denen ich zu 100 Prozent vertraue und die mich bei meiner Arbeit in allen Bereichen maximal unterstützen.
Wie haben die Füchse Berlin reagiert, als Sie die Idee erstmals angesprochen haben? War da auch Skepsis mit dabei?
Ganz im Gegenteil. Die Gesellschafter haben immer gut daran getan, mich die Einschätzung über meine Arbeitsleistung auch selbst beurteilen zu lassen. Wenn es mir gut tut, wissen Sie, dass es Ihnen gut tut.
Was genau reizt Sie an einer kleinen Handball-Nation wie Italien und der Rolle als Trainer dort?
Ich bin immer getrieben von Entwicklung und davon, dass man Dinge gemeinsam bewegen kann. In Italien stelle ich mich jetzt einem neuen Abenteuer. Ich will sehen, wie so ein Verband und die Liga funktionieren – und wie sie sich weiterentwickeln wollen. Weil Handball spielt in Italien leider bis zum heutigen Tag keine Rolle.
Jetzt war Italien aber erstmals seit 1997 wieder bei einer WM dabei und hat als Überraschungsteam überzeugt. Verfolgen Sie das italienische Team schon länger?
Ich habe schon länger die Anfrage aus Italien und habe auch mit vielen anderen Nationen gesprochen. Das war beileibe nicht das einzige Angebot. Die Spieler haben mich überzeugt. Die Idee hat mich überzeugt. Ich weiß, was ich geben und was ich nicht geben kann. Und was Italien sich vorstellt, kann ich geben.
Was können Sie denn nicht geben?
Ich kann kein Nationaltrainer sein, der sich vor Ort die Spiele anschaut, der nur für den Verband unterwegs ist. Unabhängig davon, dass der Verband überhaupt nicht die Möglichkeit hätte, mich ansatzweise zu bezahlen. Meine absolute Herzensangelegenheit ist das, was ich beruflich seit 20 Jahren tue. Ob der Job als italienischer Nationaltrainer eine Herzensangelegenheit wird, kann ich heute noch nicht sagen. Aber ich hoffe es natürlich.
Ich habe auch mit vielen anderen Nationen gesprochen. Das war beileibe nicht das einzige Angebot.
Vor Ihnen war acht Jahre lang Riccardo Trillini der Coach der italienischen Handballer. Wie bewerten Sie seine Arbeit? Sie treten vor allem auch emotional in große Fußstapfen.
Die Arbeit von Trillini war exzellent und hat dazu geführt, dass man überhaupt über den italienischen Handball nachdenkt. Zusammen mit Jürgen Prantner (Co-Trainer Italien; Anm. d. Red.) hat Trillini das toll entwickelt. Jürgen Prantner wird mir als Co-Trainer weiter zur Verfügung stehen. Und sein Sohn Leo wird ja ab nächsten Sonntag auch für die Füchse auf Torejagd gehen.
Ist Leo Prantner der erste von mehreren italienischen Nationalspielern, die sich nun den Füchsen oder anderen Vereinen außerhalb von Italien anschließen werden?
Wir werden auch für den VfL Potsdam noch einen Spieler holen und in der nächsten Woche bekannt geben. Und dann schaut man schon, wo sind Talente, die man nach Deutschland holen kann.
Sie haben für vier Jahre unterschrieben. Was sind die langfristigen Ziele? Haben Sie eine Art Vier-Jahres-Plan?
Italien hat sich jetzt einmal qualifiziert. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass Sie sich 27-mal nicht qualifiziert haben. Die Aufgabe muss es sein, dass wir uns regelmäßig für WM's und EM's qualifizieren. Ich habe noch nicht mit der Mannschaft gearbeitet, ich weiß noch nicht, wozu sie in der Lage sind. Aber um das auch gleich zu sagen: Es liegt nicht in meiner DNA, Spiele zu verlieren. Mein Lebensmotto ist, mich täglich zu hinterfragen, aber mich nicht infrage zu stellen. Deshalb glaube ich, dass in Italien etwas Tolles entstehen kann.
Wenn ich ganz ehrlich bin, fehlt mir der Glaube ans Scheitern.
Ihre Premiere an der Seitenlinie wird im März stattfinden bei den zwei EM-Qualifikationsspielen gegen Lettland.
Genau, das sind auch direkt zwei Endspiele mit drei Trainingseinheiten davor. Das wird eine große Challenge. Da wird man erst einmal auf ein System und auf Spieler aufbauen und versuchen, an kleineren Stellschrauben zu drehen. Danach geht es darum, zusammenzuwachsen. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, fehlt mir der Glaube ans Scheitern.
Sie werden den italienischen Verband auch in Sachen Nachwuchs und Entwicklung beraten. Wie kann man sich das genau vorstellen?
Letztendlich ist es ein Angebot. Ich sehe mich nicht als derjenige, der kommt und sagt: So ist es richtig. Man sollte nie so boniert sein, zu denken, dass das, was man selbst tut, immer das Nonplusultra ist. Ich werde gucken, wo ich helfen kann und wo Sie überhaupt Hilfe wollen. Ich werde mich auf keinen Fall auf Konfliktfelder einlassen, dafür ist mir meine Lebenszeit zu schade.
In zwei Jahren findet die Handball-WM in Deutschland statt. Herr Hanning, da soll Italien vor Deutschland landen, richtig?
Ich habe gesagt, wenn sich die Italiener nicht vor den Deutschen fürchten müssten, dann würden wir in Deutschland verdammt viel falsch machen. Aber ich bin mir sicher, dass wir die richtigen Schlüsse in Deutschland aus dem WM-Abschneiden ziehen werden. Ich würde mir wünschen, dass wir die konstruktive Kritik in Deutschland einfach nutzen.
Stichwort deutsches Team. Was muss sich da nach dem Viertelfinal-Aus bei der WM im Januar ändern?
Wir müssen die Breite anders nutzen. Spieler wie Nils Lichtlein und Marko Grgic müssen zwingend in das System integriert werden. Wir haben es nicht geschafft, die Abwehr zu stellen, wie wir sie hätten stellen können. Und ein Andi Wolff alleine ist dann natürlich auch zu wenig. Mir hat zum ersten Mal seit vielen Jahren der Spirit gefehlt. Da waren schon viele Dinge, die wir einfach besser machen können und auch besser machen müssen.
Haben Sie denn schon Reaktionen von deutschen Spielern bekommen auf Ihre neue Tätigkeit und auf ein mögliches Aufeinandertreffen im Nationaltrikot?
Ich habe schon den einen oder anderen Glückwunsch erhalten. Und ganz viele sagen, dass es typisch für mich wäre, so etwas Verrücktes zu machen. Aber viele sagen auch, dass das gut passen könnte.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Antonia Hennigs, rbb Sport.