Ibrahim Maza (l.) und Fabian Reese von Hertha BSC (imago images/Matthias Koch)

Fußball Was sie aussagen und wo die eigentlichen Probleme liegen: Warum Herthas hohe Marktwerte in die Irre führen

Stand: 03.02.2025 19:46 Uhr

Ginge es nach den Marktwerten der Spieler, wäre Herthas Aufstieg in die Bundesliga quasi sicher. Allerdings sagen die fiktiven Zahlen nur bedingt etwas über das Leistungsvermögen aus. Und Hertha hat noch ganz andere Probleme. Von Ilja Behnisch

Ob Felix Kummer, Frontmann der Band Kraftklub, sich etwas aus Fußball im Allgemeinen und Hertha BSC im Speziellen macht, ist nicht überliefert. Wobei, Hertha eher nicht, schließlich heißt einer der größten Hits der Band "Ich will nicht nach Berlin". Darum soll es an dieser Stelle aber auch gar nicht gehen, sondern um eine sozialkritische Bestandsaufnahme, die Kummer mit seinem gleichnamigen Soloprojekt im Song "Wieviel ist Dein Outfit wert" unternommen hat.

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Laut Marktwert steht Hertha auf Rang zwei der Liga

"Es ist Donnerstag, die Stadt hat ein'n Termin. Der Teufel trägt Prada und jeder Trottel trägt Supreme", rappt Kummer, ehe er aus Soundschnipseln von Straßenumfragen eine Collage des Wahnsinns anfertigt. "Ja, was hab' ich bezahlt, oder was?" "Ja?" "Ja, so 10.000 Euro!" "Moncler, 3.700." "Gucci-Hemd, 900." "Ähm, Louis Vuitton Ankle Boots, 1.500." Diese O-Töne sind zu hören, ehe Kummer mit dem Refrain um die Ecke kommt und also fragt: "Aber wieviel ist dein Outfit wert?"

Womit wir beim Fußball wären. Bei seinen fiktiven Marktwerten im Allgemeinen. Und Hertha BSC im Speziellen. Denn laut dem Fachportal "transfermarkt.de", das es geschafft hat, in Sachen Marktwerte zu einer ernst genommenen, viel bemühten Größe zu werden, verfügt Hertha über den zweitwertvollsten Kader der zweiten Fußball-Bundesliga. Und steht in der Tabelle doch nur auf Rang zwölf.

Das Problem mit den Marktwerten

Nun ist das vermeintlich schnell erklärt. Also je nachdem wen man fragt. Beobachter und Anhänger schieben zunehmend Trainer Cristian Fiél die Schuld zu. Hertha-Geschäftsführer Thomas Herrich erklärte zuletzt, es seien verdammt viele verletzte Spieler dabei gewesen in der Hinrunde. Vor allem natürlich Fabian Reese, Herthas absoluter Unterschiedsspieler, der seit Saisonbeginn fehlt und allein für fünf Millionen der insgesamt 53,73 Millionen Euro Marktwert bei der Hertha zuständig ist. Damit liegt er allerdings nur auf Rang zwei der wertvollsten Hertha-Spieler, hinter dem 19-Jährigen Ibrahim Maza, der auf zwölf Millionen kommt.

Nun ist Maza zweifelsohne ein herausragendes Talent. Und doch zugleich auch der Beweis, was bei Marktwert-Betrachtungen gern einmal außen vor gelassen wird. Denn Marktwert bedeutet nicht unbedingt, wie wertvoll ein Spieler für eine Mannschaft ist, sondern vor allem, wie schwer (respektive teuer) er zu ersetzen ist. Ein 19-Jähriger mit dem Talent Mazas? Schwer zu finden. Ein Spieler mit dem Fähigkeiten Mazas? Schon einfacher.
 
Zum Vergleich: Raphael Guerreiro, 31 Jahre alt, 65-facher Nationalspieler Portugals (und 2016 Europameister) und ohne Qualitätsverlust auf circa 191 Positionen einsetzbar, hat laut "transfermarkt.de" einen Marktwert von zehn Millionen Euro. Dass Guerreiro aktuell der noch immer bessere, für das Gesamtgefüge einer Mannschaft wertvollere Spieler ist, dürfte unbestritten sein.

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Der Kader ist zu unausgeglichen

Der Blick auf eine Zweitliga-Tabelle, die nach Marktwerten sortiert wird, täuscht also allein deshalb, weil der beachtliche Berliner Weg der Hertha viele junge Spieler in den Profi-Kader gespült hat. Mit entsprechenden Marktwerten, die immer auch Entwicklungspotentiale einpreisen und nicht nur den Status quo der Leistungsfähigkeit abbilden. Der ebenfalls 19-Jährige Pascal Klemens etwa kommt auf vier Millionen Euro Marktwert, ist von der Leistungsfähigkeit aber sicher noch etwas mehr vom 27-Jährigen Fabian Reese entfernt, als es die lediglich eine Million Euro Marktwert-Unterschied vermuten ließen.

Das viel größere Problem der Hertha allerdings liegt noch ganz woanders. Der aktuelle Kader ist schlichtweg zu unausgeglichen. Es fehlt ein Linksverteidiger auf Top-Niveau. Es fehlen, zumindest so lange Reese ausfällt, Flügelspieler auf Top-Niveau. Weshalb der ziemlich gute, zentrale Mittelfeldspieler Michael Cuisance lange Zeit der Hinrunde einen verkappten Rechtsaußen geben musste und sich dabei vieler Stärken beraubte. Vor allem aber fehlt ein Mittelstürmer, der auch nur ansatzweise an die Qualität von Vorjahres-Torjäger Haris Tabakovic heranreicht, den die Hertha im Sommer an Bundesligist Hoffenheim abgeben musste.

Wirkliches Steigerungspotential in der Offensive scheinen derzeit einzig der zuletzt so formstarke Derry Scherhant und Maza zu haben. Angesichts ausbleibender Wintertransfers scheint die Vereinsführung davon auszugehen, dass das genügt. Oder angesichts fehlender Finanzmittel genügen muss. So oder so scheint die bittere Wahrheit, wieviel der vermeintlich zweitwertvollste Zweitliga-Kader tatsächlich wert ist: Platz zwölf. Was ein Kummer.

Sendung: rbb24, 03.02.2025, 22 Uhr