Riccardo Boieri, Trainer des SC Potsdam (Quelle: IMAGO / Julius Frick)

Interview | SCP-Trainer Riccardo Boieri SC Potsdam im Halbfinale des Challenge Cups: "Das Potenzial dieser Mannschaft ist unglaublich"

Stand: 03.02.2025 10:03 Uhr

Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte stehen die Volleyballerinnen des SC Potsdam in einem europäischen Halbfinale. Vor den Challenge-Cup-Duellen gegen Roma Volley spricht Trainer Boieri über die Entwicklung des SCP und seinen Traum von der Serie A.

rbb|24: Die Volleyballerinnen des SC Potsdam stehen zum ersten Mal überhaupt im Halbfinale eines internationalen Wettbewerbs. Bis zum Titelgewinn fehlen im Challenge Cup nur noch wenige Schritte. Macht das etwas mit Ihnen, Herr Boieri?
 
Riccardo Boieri: Das bedeutet uns wirklich viel. Es ist ein großer Erfolg für uns, überhaupt noch im Challenge Cup dabei zu sein. Mit Galatasaray Istanbul und Chieri stehen zwei unglaublich gute Teams im anderen Halbfinale. Wir werden sehen, was jetzt noch möglich ist. Roma ist gegen uns der Favorit, sie haben ein höheres Budget, eine bessere Mannschaft, spielen seit zehn Jahren in der ersten italienischen Liga – und trotzdem ist das keine unlösbare Aufgabe für uns. Es ist auch ein Vorteil, dass wir zuerst in Potsdam spielen.

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Das Hinspiel findet am Mittwochabend (19 Uhr) in der MBS Arena statt, das Rückspiel zwei Wochen später in der italienischen Hauptstadt. In der Serie A hat Roma nur fünf von 21 Spielen gewonnen und belegt aktuell den drittletzten Platz in der ersten italienischen Liga. Welche Schlüsse konnten Sie aus dem Gegner-Scouting ziehen?
 
Man kann die italienische Liga nicht mit der deutschen vergleichen. Das ist eine andere Welt. Die italienischen Top-Teams wie Conegliano, Novara und Scandicci zählen zu den besten Mannschaften der Welt – ihre Budgets sind fast unbegrenzt. Roma hatte in dieser Saison ein paar Probleme. Sie haben aber sehr gute Spielerinnen in ihren Reihen: Mittelblockerin Marie Schölzel ist deutsche Nationalspielerin, Slađana Mirković ist Zuspielerin im serbischen Nationalteam. Wilma Salas, Giulia Melli und Gabriela Orvošová sind auch erfahren. Im Gegensatz dazu sind wir noch ein sehr junges, unerfahrenes Team. So richtig international erprobt ist bei uns nur Danielle Harbin.
 
Das internationale Abenteuer im Challenge Cup führt Sie zurück in Ihr Heimatland Italien, wo Sie auch Ihre Trainerkarriere gestartet haben. Das dürfte eine besondere Note für Sie haben.
 
Klar, das ist etwas sehr Besonderes. Giuseppe Cuccarini, der Roma-Trainer, war in Italien an der Coaching-Schule einer meiner Professoren. Bei ihm habe ich meine letzte Prüfung abgelegt. Er ist ein sehr erfahrener Trainer, hat in seiner Karriere schon viele Titel gewonnen. Es ist mein großes Ziel, irgendwann wieder in Italien zu trainieren – in der Serie A. Erstmal freue ich mich aber darauf, mit meinem Potsdam in Italien zu sein. (lacht)

Die Stärke dieser Mannschaft ist die Gruppe und der Staff – das sind Profis. Das macht den Unterschied.

Die Balance und Belastungssteuerung bleibt zwischen Bundesliga und Challenge Cup in dieser Saison eine große Herausforderung für den SC Potsdam. Zu Jahresbeginn hat sich Außenangreiferin Jade Cholet einen Kreuzbandriss zugezogen. Der Verein hat am Freitag reagiert und die 22-jährige Lara Darowski von Bundesliga-Schlusslicht Schwarz-Weiß Erfurt verpflichtet. Ist sie sofort eine Verstärkung?
 
Es ist fast ein bisschen komisch: Lara hat am Samstag wie eine Veteranin gespielt. Als ob sie schon seit sechs Monaten bei uns wäre. Es ist schwierig für einen Menschen, der davor jedes Spiel verloren hat, in Aachen – einer der härtesten Hallen Deutschlands – für ein neues Team aufzulaufen. In einem Spiel, das du gewinnen musst. Sie hat sehr gut reagiert und genau das gemacht, was ich erwartet habe. Ich wollte sie sogar schon vor der Saison nach Potsdam holen. Es freut mich und ich bedanke mich bei dem Verein, dass sie jetzt verpflichtet wurde. Wir brauchen gerade Leute. Manchmal ist es für mich wirklich schwierig, die Mannschaft zu trainieren, wenn so viele Spielerinnen ausfallen.

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Nach turbulenten Monaten, in denen der SC Potsdam im Führungs- und Finanz-Chaos zu versinken drohte, haben sich die Volleyballerinnen nach dem Kader-Umbau im großen Stil stabilisiert und gefunden. Sie sind seit knapp zwei Jahren als Cheftrainer im Amt. Hand aufs Herz: Haben Sie mit einer derart schnellen, positiven Entwicklung gerechnet?
 
Nein, sicher nicht. Man muss bedenken, dass wir allein in der letzten Saison drei finanzielle Skandale hatten: Einen am Anfang, einen im Januar und einen am Ende. Plus: Sechs Punkte Abzug in der Meisterschaft. Trotzdem waren wir unter den besten zehn Teams von Europa und sind ins Pokalfinale eingezogen. In dieser Saison wieder: ökonomischer Skandal am Anfang, drei Punkte Abzug und teilweise nicht mal zwölf Spielerinnen im Training.
 
Und trotzdem stehen wir jetzt da, wo wir stehen. Es ist eine sehr erfolgreiche Saison für diesen Verein. Die Stärke dieser Mannschaft ist die Gruppe und der Staff – das sind Profis. Das macht den Unterschied. Und die Struktur: Ich bin jeden Vormittag dankbar dafür, mein Büro und den Kraftraum zu haben und in der MBS Arena trainieren zu können. Das Potenzial, das diese Mannschaft und dieser Verein hat, ist unglaublich. Wir brauchen Partner und Sponsoren, die dieses Potenzial sehen. Wir haben mehr verdient.

Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview führte Anton Fahl, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 05.02.2025, 21:45 Uhr