Fans halten Schals des Fußball-Drittligisten Energie Cottbus in die Höhe (Symbolbild). / imago images/Fotostand

Rassistische und sexistische Beleidigungen Zugreisende werfen Fans von Energie Cottbus Übergriffe vor

Stand: 16.04.2025 12:40 Uhr

Zahlreiche Energie-Fans reisten vor zehn Tagen per Zug vom Auswärtsspiel in München zurück nach Cottbus. Mitpassagiere erheben schwere Vorwürfe von sexistischen und rassistischen Beleidigungen sowie Drohungen. Auch die Deutsche Bahn wird kritisiert.

Nach dem Auswärtsspiel bei 1860 München (1:5) Anfang April haben Fans des Fußball-Drittligisten FC Energie Cottbus in einem Zug der Deutschen Bahn offenbar Fahrgäste belästigt, diskriminiert und bedroht. Eine Berliner Passagierin aus dem Zug ICE 1000, der am Samstagabend vor einer Woche von München nach Berlin fuhr, äußerte die Vorwürfe zuerst in den sozialen Medien. Die wurden anschließend in Gesprächen gegenüber rbb|24 von ihr und darüber hinaus auch von weiteren Reisenden bekräftigt.

Schwulen- und frauenfeindliche Äußerungen

Mit sieben Freunden und einer Vielzahl an Fans von Energie Cottbus saß die 24-jährige Jennifer* am Samstag, 5. April im Zug. "Wir haben zuerst an Tattoos und Taschen erkannt, dass sie relativ rechts sind", schildert Jennifer in einem Instagram-Video ihre Beobachtungen zu mehreren Energie-Anhängern. Einige der Personen sollen anschließend angefangen haben, auf den Gängen des Zuges andere Fahrgäste zu beleidigen - unter anderem die achtköpfige, teils minderjährige Gruppe, zu der Jennifer gehört. Das erzählt die Berlinerin rbb|24 in einem Telefongespräch am Dienstag nach der Zugfahrt.
 
Auch Max*, ein weiterer Mitreisender ihrer Gruppe, bestätigt die Vorfälle gegenüber rbb|24. Die Situation sei dann, so schildert es Jennifer, Stück für Stück weiter eskaliert, bis einige der Cottbuser Fans die Gruppe nicht nur verbal bedroht und beleidigt, sondern auch körperlich bedrängt hätten. Laut Max fielen mehrere konkrete schwulen- und frauenfeindliche Äußerungen, ein Fan habe zudem gesagt: "Ich könnte dir jetzt hier ins Gesicht schlagen. Hier ist keine Kamera." Außerdem hätten die Energie-Anhänger Passagiere auf den Gängen angefasst.

Deutsche Bahn verzichtet darauf, die Polizei zu rufen

Jennifer und Max kritisieren auch die Deutsche Bahn scharf. Die habe die Fahrt weder unterbrochen noch die Polizei in den Zug gerufen. "Zum Start der Fahrt war noch mit Schlagstöcken bewaffnete DB-Security im Zug", sagt Max gegenüber rbb|24. Als die den Zug verlassen habe, hätten sich die Vorfälle ereignet. Obwohl die Freunde dann das Bordpersonal nach eigener Aussage mehrmals um Hilfe gebeten hätten, habe man ihnen erklärt, "dass man da nichts machen könne".
 
Die Bahn hingegen teilte in einer Stellungnahme am Montag mit: "Den Vorwurf, unser Zugpersonal habe sich nicht gekümmert, weisen wir entschieden zurück." Es habe auf der Zugfahrt "fantypische Verhaltensweisen, wie etwa eine erhöhte Lautstärke" gegeben, woraufhin das Personal die Fans mehrmals gebeten habe, sich leiser zu verhalten, so die Deutsche Bahn.

Bundespolizei bestätigt Anzeigen gegen zwei Energie-Fans

Weil sich die Gruppe um Jennifer und Max im Zug nicht mehr sicher fühlte, stieg sie am Bahnhof Erfurt aus, um mit einem anderen Zug weiter nach Berlin zu fahren. Trotz des Umstiegs in Erfurt sei die Gruppe am Berliner Hauptbahnhof erneut auf die besagten Cottbus-Anhänger getroffen. Dabei sei es wieder zu schwulenfeindlichen und anderen Beleidigungen gekommen, woraufhin zwei der jungen Erwachsenen Anzeige bei der Polizei erstatteten.
 
Das bestätigte auch die Berliner Bundespolizei auf Anfrage von rbb|24. "Ein 19- sowie 20-Jähriger sollen in einem ICE auf der Fahrtstrecke zwischen Nürnberg und Erfurt eine 20-Jährige sowie ihren 24-jährigen Begleiter beleidigt und verbal mit Gewalt gedroht haben", teilte die Polizei mit, die nun ermittle. "Nach bisherigen Erkenntnissen gehören die beiden Beschuldigten einer niederlausitzer Fußballfanszene an", so die Polizei weiter. Der 19-Jährige sei zudem bereits polizeibekannt.

Auch weitere Reisende sollen belästigt worden sein

Auch Maria*, die einen Halt später in Halle in den ICE 1000 einstieg, schilderte gegenüber rbb|24 in einem Gespräch am Freitag ähnliche Vorfälle. Sie habe im Zug eine Gruppe von etwa 10 bis 15 Cottbus-Fans wahrgenommen, die sie anhand von Symbolen und ihrer Kleidung der rechten Szene zugeordnet habe. Als Maria mit drei jungen Frauen, die neben ihr saßen, ins Gespräch kam, hätten die ihr berichtet, dass sie bereits seit Fahrtbeginn in München von den Männern rassistisch beleidigt und belästigt worden seien.
 
Während der weiteren Fahrt habe eine der Frauen die Männer aktiv aufgefordert, damit aufzuhören, wie Maria sagt. Daraufhin hätten die Energie-Fans Affenlaute geäußert. Laut ihrer Aussage und Aufnahmen, die rbb|24 vorliegen, rief ein Fan einer anderen Frau, die durch den Gang ging, außerdem einen sexistischen Spruch hinterher.

Blaulicht eines Polizeiwagens (Symbolbild). / imago images/Harald Dostal

Blaulicht eines Polizeiwagens (Symbolbild).

Laut Maria ist während dieser Zeit kein einziges Mal ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn durch den Zug gelaufen, um einzuschreiten. "Das Bordpersonal ging regelmäßig durch den Zug und war für alle Fahrgäste ansprechbar", teilte dagegen die Deutsche Bahn mit.
 
Erst als die drei Frauen aktiv das Bordpersonal in den Wagen geholt hätten, habe das versucht, die Situation zu beruhigen. Die Frauen seien daraufhin von einer Mitarbeiterin der Bahn in einen anderen Wagen gebracht und dort von ihr betreut worden. Das bestätigte auch die Bahn auf Anfrage von rbb|24. "Einzelne Reisende" seien "persönlich durch die Kolleginnen und Kollegen an Bord betreut" worden, heißt es von der Deutschen Bahn. Weil auch Maria selbst sich nicht sicher fühlte, verließ auch sie kurz darauf den Wagen und nahm bei den Frauen Platz.

Deutsche Bahn sah keinen Anlass, "Fans des Zuges zu verweisen"

Die Deutsche Bahn teilte rbb|24 in ihrer Stellungnahme mit, dass man "solche Schilderungen sehr ernst" nehme und "Übergriffe und andere Grenzüberschreitungen an Bord" nicht tolerieren würde. "Wenn nötig, zieht das Bordpersonal auch die Bundespolizei hinzu", so eine Sprecherin.
 
Auf der Zugfahrt von München nach Berlin habe "aus Sicht der verantwortlichen Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter aber kein Anlass [bestanden], Maßnahmen wie die Ausübung des Hausrechts zu ergreifen und die Fans des Zuges zu verweisen."

Energie Cottbus distanziert sich

Unabhängig von den noch zu klärenden Details hat ein anderer Teil der Fans von Energie Cottbus bereits Stellung zu den Vorwürfen genommen. Das Bündnis "Energiefans gegen Nazis" schrieb in zwei Statements auf X von "absolut schockierenden Vorfällen" und verurteilte diese mit scharfen Worten. Auch der Verein selbst äußerte sich auf Anfrage von rbb|24 am Dienstag vergangener Woche ähnlich.
 
Man habe bereits den Kontakt zur Polizei gesucht und warte nun auf deren Erkenntnisgewinn, erklärt der Verein. "Wir haben keinerlei Verständnis und distanzieren uns klar und deutlich von solchen Verhaltensweisen", bekräftigen die Cottbuser.
 
Der Verein betonte aber auch, dass es jetzt im ersten Schritt die Aufgabe der Ermittlungsbehörden sei, die Täter zu ermitteln. "Leider ist festzustellen, dass derartige Vorfälle ein gesamtgesellschaftliches Problem sind", so der Energie-Sprecher. Hier könne man die Verantwortung nicht auf Fußballvereine projizieren. "Am Ende sind wir alle gefragt, die Politik, der Rechtsstaat, die Zivilgesellschaft. Natürlich auch wir als Verein, da nehmen wir unsere soziale und gesellschaftliche Verantwortung selbstverständlich wahr."